Am Sonntag, dem 29. April 2012, startet der Haspa-Marathon. Wer mitmachen will, sollte ein paar Regeln für seine Vorbereitung beachten.

Hamburg. Die letzten zehn Kilometer des Marathons trieb allein sein Wille ihn zum Fernsehturm. Die Anstrengungen hatten seinen Körper gezeichnet, sein Blick war leer, die Augen lagen tief in ihren Höhlen. Seine muskulösen Beine folgten nur widerwillig den unbeugsamen Befehlen des Kopfes. "Er sah aus", beschrieb ein Zuschauer den Läufer mit der Startnummer 88, "wie ein Samurai vor dem Harakiri". Als dieser nach 3:54:04 Stunden im Ziel eintraf, war er wie von Sinnen. In Trance, Schlangenlinien laufend, nahm er den Beifall der Zuschauer, die Schulterklapse der Umstehenden und den Respekt der Mitstreiter nicht mehr wahr. "So schwer hatte ich mir einen Marathon nicht vorgestellt", sagte Felix Magath, nachdem er eine Stunde später halbwegs zu Kräften gekommen war.

Was der damalige Fußballtrainer des HSV am 27. April 1997 trieb, ist nicht zur Nachahmung empfohlen. In den letzten Wochen vor dem Rennen war Magath gerade dreimal mehr als eine Stunde durch Eimsbüttel gejoggt und hatte auf eine Vorbereitung auf seinen ersten Marathon bewusst verzichtet. "Ich wollte mir und meinen Spielern beweisen, was man mit einem starken Willen erreichen kann", sagte der ehemalige Fußball-Nationalspieler. Der HSV steckte damals im Abstiegskampf. Seine Energieleistung nutzte dem Trainer nichts. Genau drei Wochen nach dem Marathon entließ der Verein Magath. Der HSV hielt die Klasse.

In fünf Monaten, am 29. April 2012, ist es wieder so weit. Der Haspa-Marathon Hamburg wird erwartete 15 000 bis 17 000 Läufer auf die 42,195 Kilometer an Elbe und Alster locken und wohl mehr als 700 000 Menschen an den Straßenrand. Und nicht wenige stellen sich heute die Frage: Reicht die Zeit noch, damit ich am 29. April aktiv mitmachen kann? "Jeder organisch gesunde Mensch, der einigermaßen fit ist und keine orthopädischen Beschwerden hat, kann einen Marathon ohne besonderes Training um die sechs bis sieben Stunden absolvieren; jeder, der eine leistungssportliche Vergangenheit hat, ohnehin, der vielleicht in fünf Stunden", sagt der Hamburger Sportwissenschaftler Sebastian Rosenkranz, 35. "Empfehlenswert ist das alles nicht, und Spaß macht es ebenfalls nicht. Der Lauf würde wie bei Magath zur Quälerei ausarten. Das muss nicht sein."

Rosenkranz bereitet seit Jahren Läufergruppen auf den Marathon vor wie die Betriebssportler der Hamburger Sparkasse. 70 von ihnen nahmen am vergangenen Lauf am 22. Mai teil. Seine Faustregel lautet: "Wer heute nicht zehn Kilometer am Stück zumindest gemächlich traben kann und ein Wochenpensum zwischen 30 und 40 Kilometer schafft, sollte sich nicht auf einen Marathon-Start im April fixieren, sondern sich lieber deutlich mehr Zeit für die Vorbereitung nehmen." Einsteigern rät Rosenkranz sich erst einmal andere Ziele zu setzen: Im nächsten April mit drei Mitstreitern die Marathon-Staffel laufen und im Herbst einen Halbmarathon über 21 Kilometer. "Danach kann man sich für den Haspa-Marathon 2013 anmelden. Anderthalb Jahre Vorbereitung sind für bisherige Nicht-Sportler eine angemessene Eingewöhnungszeit, drei wären optimal. Denn je besser und zielgerichteter man sich präpariert, desto schöner, erlebnisreicher wird für Sie der erste Marathon." Die Herausforderung des Marathons ist, ein Tempo zu laufen, bei dem gerade so viele Fette verbrannt werden, dass das Verhältnis von verbrannten Fetten und verbrannten Kohlenhydraten - aus Speichern und aus während des Laufes zugeführten Kohlenhydraten wie Energieriegeln und -Gels - bis ins Ziel reicht. Wird das Rennen zu schnell angegangen, kann dies zu Stoffwechselproblemen führen, gewöhnlich um die Kilometer 28 bis 35.

Richtiges Training hilft, dieses Marathon-Phänomen, "den Mann mit dem Hammer", auszuschalten. Dazu sei es notwendig, sagt Rosenkranz, sich eine Grundlagenausdauer anzueignen. Das geschehe, in dem man in der ersten Trainingsphase von sechs bis acht Wochen langsam, "so langsam wie irgendwie möglich", aber lange laufe, zwei bis drei Stunden. "Wenn Sie sich danach sagen, eigentlich könnte ich noch zehn Kilometer weiter laufen, dann haben Sie alles richtig gemacht. Steigern Sie in der ersten Phase allmählich Ihre Umfänge. Laufen Sie dann länger, aber auf keinen Fall schneller. Erst in der zweiten Trainingsphase, den nächsten sechs bis acht Wochen, dürfen Sie Ihr Tempo kontinuierlich anziehen, jedoch nur bis in den mittleren Bereich."

Wer zu früh aufs Tempo drückt, kommt später nicht in Schwung. Er wird sich bis zum Marathon hin kaum noch steigern können, weil er wichtige Reize für einen schnellen Lauf zum falschen Zeitpunkt setzt. "Es entsteht dann nicht der gewünschte Trainingseffekt. Ihnen wird es schwerfallen, sich weiter zu verbessern", sagt Rosenkranz. Viele der Marathonläufer trainierten falsch, "weil sie zu wenig Wert auf die anfängliche Grundlagenausdauer legen und nicht immer das richtige Verhältnis von Belastung und Entlastung treffen. Ruhephasen sind genauso wichtig wie Trainingsphasen." Erst in den letzten sechs Wochen vor dem Marathon, rät Rosenkranz, sollte jeder, der Ambitionen auf eine Zeit zwischen drei und vier Stunden hegt, Geschwindigkeit aufnehmen; indem man intensives Intervalltraining wie 1000- oder 2000-Meter-Tempoläufe mit jeweils drei Minuten aktiver Pause absolviert. "Solche Trainingseinheiten sollten maximal zweimal pro Woche mit einem Abstand von drei Tagen durchgeführt werden."

Wer aber jetzt das erste Mal Marathon laufen will, sollte sich gründlich ärztlich untersuchen lassen, wenn möglich auch von einem Herzspezialisten. Zumindest dieses Gebot hatte Felix Magath 1997 beherzigt. "Ein verschleppter Infekt, der im Alltag meist unbemerkt bleibt, könnte unter der extremen Belastung der 42 Kilometer lebensgefährlich werden", mahnt Rosenkranz.