Kreative aus 13 Agenturen haben im Auftrag des Senats eine Kampagne für die Hamburger entwickelt – und das ohne Honorar

Uhlenhorst. Über dem Rathaus, dem Michel und der Elbphilharmonie steht die Sonne. Die Alster hat nun fast das gleiche milde Blau wie der Himmel über Hamburg. Auf der Terrasse des Clubhauses des Norddeutschen Regattavereins (NRV) an der Schönen Aussicht ist der Straßenname an diesem unerwartet sonnigen Januarmorgen Programm. Die Werber aus 13 Hamburger Agenturen haben sich zum Gruppenfoto aufgestellt und präsentieren ihren Slogan: „Wir sind Feuer und Flamme, weil Hamburg nur gewinnen kann.“

Es ist, verkürzt gesagt, ihr Beitrag, um zu helfen, die Olympischen Spiele 2024 in die Stadt an der Elbe zu holen. Auf dass die Aussichten noch etwas schöner werden.

Sie mussten sich ganz schön sputen. Als Innensenator Michael Neumann (SPD) die Kreativen Anfang Dezember ins Rathaus gerufen und um Unterstützung gebeten hat, tat er das mit den Worten: „Sie müssen uns helfen, aber wir haben nicht viel Zeit.“ Also sind sie anschließend vom Rathaus gleich um die Ecke ins „Le Plat du Jour“ gegangen, haben sich einen schönen Wein bestellt und dann im Sauseschritt eine Kampagne entwickelt.

„Agenturen leben ja auch ein bisschen von Neid und Missgunst“, sagt Arno Lindemann von Lukas Lindemann Rosinski (LLR). Will heißen: Wenn man sich denn schon einmal zusammentut, muss es auch wirklich um ein großes gemeinsames Ziel gehen. „Der olympische Gedanke hat in kürzester Zeit aus Wettbewerbern Mannschaftsspieler gemacht, die sich einem gemeinsamen Ziel unterordnen: der Neuauflage des Sommermärchens mit Freunden aus aller Welt in der schönsten Stadt der Welt“, sagt Raphael Brinkert von Jung von Matt/sports. Innerhalb von nur sechs Wochen stampfte das sogenannte Feuer-und-Flamme-Agenturteam seine „Bürgerkampagne“ aus dem Boden.

Denn genau darum geht es ja, wenn der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) am 21. März auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung darüber entscheiden wird, welche deutsche Stadt ins Rennen geschickt wird: Hamburg oder Berlin? Entscheidend wird eine hohe Zustimmung der Bürger sein, die Ende Februar durch das Meinungsforschungsinstitut forsa zur ihrer Haltung zur Olympia-Bewerbung befragt werden.

„Man kann Olympische Spiele nicht von oben verordnen. Man muss die Menschen mitnehmen, deswegen haben wir auch die Bürger in den Mittelpunkt der Kampagne gestellt“, sagt Stefan Zschaler von Leagas Delaney.

Auf zehn Plakatmotiven erklären in den nächsten Wochen Hamburger Hamburgern, warum sie sich für die Spiele in ihrer Stadt begeistern können. Die Mutter mit Kindern und der Steuerberater, die Taxifahrer und der Kaffeehersteller, die Friseuse und der Rollstuhlfahrer, zwei junge Sportlerinnen und der Museumschef werben für Nachhaltigkeit und kurze Wege, hausgemachte Produkte und die Wiederauflage des Sommermärchens, für die sportverrückte Stadt und das, was Hamburg immer gewesen ist: das Tor zur Welt. Die Spots werden außerdem im Radio und als Bewegtbilder laufen.

Die Kommunikationsexperten haben bewusst darauf verzichtet, sich in der Kampagne mit dem Konkurrenten aus der Hauptstadt auseinanderzusetzen. Nach dem Motto: Hamburg kann nur gewinnen, weil der Berliner Flughafen 2024 noch nicht fertig ist. „Das haben wir natürlich weggelassen“, sagt Stefan Zschaler.

Stattdessen haben sie den Finger in die eigene Wunde gelegt. Mit dem Hinweis auf die jahrelange Baustelle an der Elbe und dem Spruch, dass Hamburg nur gewinnen kann, „weil wir viel besser rechnen können, als es die Elbphilharmonie vermuten lässt“.

Das Hamburger Olympia-Konzept sei „smart, nachhaltig und menschlich“

Denn natürlich haben auch die Kreativen bei der Beschäftigung mit dem Thema Olympia gemerkt, dass es in der Stadt „ein Misstrauen gibt, was Großprojekte angeht“. Es gebe viele Bürger , die sich Sorgen um explodierende Kosten und entstehende Bauruinen, verstopfte Straßen und falsch investierte Millionensummen machen würden. „Das beschäftigt die Menschen, da kann man nicht einfach drüber weggehen, sondern da geht es um den kritischen Dialog.“

Dagegen setzen sie auf Emotionen und Begeisterung. Und auf eine Menge Informationen, weil sie auch den Eindruck gewonnen haben, dass so mancher Hamburger noch gar nicht mitbekommen hat, dass sich die Stadt um die Ausrichtung der Spiele 2024 bewerben will.

Das Hamburger Olympia-Konzept sei „smart, nachhaltig und menschlich“. Durch den geplanten Olympiapark auf dem Kleinen Grasbrook werde ein versiegeltes Industriegelände im Hafen zu einem neuen, attraktiven Stadtteil. Die Olympiahalle werde nach den Spielen zum dringend benötigten Kreuzfahrtterminal, die Schwimmhalle zum Erlebnisbad für alle und das Olympiastadion von 70.000 auf 20.000 Plätze verkleinert.

Da fast alle Wettkampfstätten im Umkreis von zehn Kilometern liegen, werde das Fahrrad zum wichtigsten Verkehrsmittel und zum Symbol menschlicher Spiele. Durch den Olympiapark rücke Hamburg noch enger zusammen, er verbinde den Süden mit der City. Und Transparenz sei oberstes Gebot, weil die Bürger entscheiden, alle Verträge offengelegt und mit „Transparency International“ zusammengearbeitet werden würde.

„Das olympische Feuer soll 2024 in Hamburg brennen. Damit dieser Wunsch in Erfüllung geht, müssen wir die ganze Stadt mit dem olympischen Feuer anstecken. Gehen Sie auf unsere Feuer-und-Flamme-Website, teilen und kommentieren Sie die Inhalte, erzählen Sie ihren Freunden davon und reißen sie mit“, sagt Arno Lindemann, der die Kampagne mit dem Hamburger Fotografen Robert Grischek umgesetzt hat. Und genau wie alle anderen Werber keinen Cent dafür bekommen hat.

Das Ziel ist eindeutig und lautet: 60plus. Bei einer Zustimmung von 60 Prozent und mehr, so die Meinung von vielen Insidern, bekäme Hamburg den Zuschlag. Ganz im Sinne des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), das sich erst vor rund einem Monat als neue Meilensteine seiner Reform auch Nachhaltigkeit durch temporäre Bauten und Transparenz verordnet hat. „Wir können dem IOC jetzt zeigen, wie wir seine Reformen umsetzen“, sagt Stefan Zschaler.