Hamburger Olympiastarter erinnern sich Weitspringer Wolfgang Klein über die Probleme im gesamtdeutschen Team 1964

Die Olympischen Spiele 1964 in Tokio waren die letzten einer gesamtdeutschen Mannschaft, also mit Sportlern aus der Bundesrepublik und der DDR. Das Team wurde nach den Ergebnissen von Ausscheidungswettkämpfen zusammengestellt. Ich hatte in Jena überraschend die Weitsprung-Konkurrenz gewonnen und gehörte mit meinem Hamburger Rekord von 7,90 Metern zu den besten zehn Springern der Welt.

Von einer deutschen Mannschaft konnte in Japan allerdings keine Rede sein. Der Berliner Mauerbau vom 13.August 1961 lag gerade drei Jahre zurück. Westdeutsche und Ostdeutsche waren im olympischen Dorf in verschiedenen Blöcken untergebracht, und ich wurde alsbald zur unerwünschten Person erklärt. Ich schrieb aus Tokio eine Kolumne für das Abendblatt über die gestörten Beziehungen und den Druck, den DDR-Funktionäre auf ihre Sportler und deren Angehörige ausübten.

Mein Beitrag war sogar der Aufmacher auf Seite eins. Einen Tag später hielten alle DDR-Sportler Kopien des Artikels in ihren Händen, ihnen wurde klar gesagt: Mit dem redet ihr kein Wort mehr, und überhaupt nicht mit Westdeutschen. Im Alltag sah das oft etwas entspannter aus. Ich bin in dieser Zeit wiederholt in die DDR gefahren, um befreundete Sportler zu besuchen.

Am Tag meines Wettkampfes goss es in Tokio wie aus Kübeln. Ich musste ohne Trainer und Betreuer am Vormittag zur Qualifikation mit einem Taxi ins Stadion fahren. Gleich in meinem ersten Versuch gelangen mir 7,59 Meter. Die Qualifikationsweite für das Finale der besten zwölf am Abend betrug zwar 7,60 Meter, doch unter den widrigen Bedingungen war es klar, dass dieser erste Sprung ausreichen sollte. In der Tat wurde ich Sechster. Da ich mir bei niemandem im Stadion Rat holen konnte, sprang ich noch zweimal, was mir nicht gut bekam. Ich spürte ein leichtes Ziehen an der Innenseite des Oberschenkels. Zurück im olympischen Dorf suchte ich nach einem Masseur. Vergeblich.

Beim Warmmachen vor dem Finale spürte ich wieder leichte Schmerzen. Auch jetzt war kein deutscher Mannschaftsarzt oder Masseur vor Ort, was damals normal war, weil das Geld für einen größeren Betreuerstab fehlte. Ich fand dann in den Katakomben des Olympiastadions, die ich zu diesem Zeitpunkt den Regeln nach nicht mehr betreten durfte, den mir bekannten französischen Mannschaftsarzt. Der untersuchte mich kurz und sagte, ich solle nicht springen, die Verletzung müsse ausheilen. Ich bat ihn um eine Spritze in den Muskel, aber er meinte, das könne er nicht verantworten.

Ich bin trotzdem angetreten, konnte jedoch nicht richtig anlaufen. Mit 7,15 Metern wurde ich Zehnter, weil zwei andere Springer ebenfalls angeschlagen hinter mir landeten. Zurück im olympischen Dorf sah sich unser Mannschaftsarzt mein Bein an, meinte fröhlich, es sei nichts Schlimmes, gab mir eine Spritze, alles war wenig später wieder in Ordnung. Ich habe dennoch nie mit einer verpassten Medaillenchance gehadert, weil ich mir diese nie ausgerechnet hatte. Noch im selben Jahr habe ich meine Weitsprung-Karriere beendet.