Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), über die Olympiaaussichten von Hamburg und Berlin

Hamburg. Auf dem Weg zum Flughafen Fuhlsbüttel hatte Alfons Hörmann, 53, Anfang dieser Woche ein Erlebnis der besonderen Art. Sein Taxifahrer schwärmte ungefragt von der Sportbegeisterung der Stadt und dass er es großartig fände, wenn die Olympischen Spiele nach Hamburg kämen. „Dabei kannte er mich gar nicht“, erzählte der neue Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Berlin und Hamburg sind derzeit die einzigen Bewerber des DOSB für die Ausrichtung Olympischer Sommerspiele in den Jahren 2024, 2028 oder später. Eine Entscheidung über eine Kandidatur will der Sportbund frühestens Ende des Jahres treffen. Für die Spiele 2024 läuft die Meldefrist beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) im zweiten Halbjahr 2015 ab. Bau- und Finanzierungskonzepte müssen bis Mitte 2016 eingereicht werden. Im Sommer 2017 wählt die IOC-Vollversammlung den Olympia-Ausrichter.

Hamburger Abendblatt:

Herr Hörmann, Sie waren am vergangenen Wochenende bei der Pokalendrunde der Handballer in der O2 World und bei den German Open im Taekwondo in der Sporthalle Hamburg. In zwei Wochen werden Sie hier anlässlich des Jubiläums des Deutschen Kanu-Verbands das Jahr des Wassersports einläuten. Ist Hamburg schon olympiareif?

Alfons Hörmann:

Die Vielfalt der sportlichen Angebote ist beeindruckend, aber andere Städte können da durchaus mithalten. Das zeigt nur, was wir in unserer Sportfamilie alles zu bieten haben – und was in den Städten und Kommunen professionell umgesetzt wird.

Sie haben sich in Hamburg mit Sportsenator Michael Neumann getroffen. Haben Sie ihm erklärt, was der DOSB von den Olympiakandidaten Berlin und Hamburg in nächster Zeit erwartet?

Hörmann:

Olympia war ein Thema, aber nicht das zentrale. Wir haben allgemein über die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Hamburg und dem deutschen Sport gesprochen. Der Gesprächsfaden ist jetzt aufgenommen, in den nächsten Wochen werden wir uns über das weitere Vorgehen hinsichtlich einer möglichen Olympiabewerbung mit Hamburg und Berlin abstimmen.

Welche der beiden Städte ist weiter in ihren Vorbereitungen?

Hörmann:

Hamburg hat die langfristig angelegte Dekadenstrategie, in Berlin haben bereits Veranstaltungen mit Olympiabefürwortern und -gegnern stattgefunden. Die Städte haben leicht unterschiedliche Herangehensweisen. Offizielle Gespräche haben wir aber bislang mit keiner Stadt geführt, insofern sind beide Kandidaten gleichauf.

Warum sind Sommerspiele 2024 plötzlich eine Option? Nach der Absage der Münchner für die Winterspiele 2022 entstand der Eindruck, der DOSB wolle sich mit seiner nächsten Olympiabewerbung Zeit lassen.

Hörmann:

Zum Selbstverständnis des DOSB gehört trotz der schmerzlichen Abstimmungsniederlage in München eine neue deutsche Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele. Das haben wir vor zehn Tagen auf unserer Klausurtagung bekräftigt. Wann der chancenreichste Zeitpunkt für die nächste Kampagne ist, national wie international, müssen wir jetzt sondieren. Deshalb wollen wir mit Berlin und Hamburg reden. Wir haben uns auf keine Jahreszahl festgelegt, auch haben wir Winterspiele nicht für alle Zukunft ausgeschlossen, obwohl momentan niemand an diesem Thema arbeitet. Um eine Kandidatur für 2024 vorzubereiten, blieben uns zwei Jahre Zeit. Das ist ambitioniert. Das wäre aber zu schaffen, also prüfen wir, ob wir es schaffen können. Unabdingbare Voraussetzung bleibt, dass die Grundstimmung in der betroffenen Region positiv ist. Sollte es langwieriger Überzeugungsprozesse bedürfen, lassen wir es lieber.

Die Handelskammer Hamburg hat im vergangenen Dezember in einer repräsentativen Umfrage eine Zustimmung für Sommerspiele in Hamburg von 59 Prozent ermittelt. Reicht Ihnen das?

Hörmann:

Ich will mich auf keine Zahl festlegen, aber jeder Prozentpunkt mehr erhöht die Chancen. Das IOC vergibt die Spiele nur dorthin, wo Olympia in der Bevölkerung willkommen ist.

Wie soll die Meinung der Menschen zu Olympia abgefragt werden: in einem Referendum, einem Volksentscheid, beides mit dem Risiko einer niedrigen Wahlbeteiligung, oder in einer Umfrage?

Hörmann:

Wir wollen eine enge Einbindung der Bürger. Wie die aussehen kann, ist mit der jeweiligen Stadt zu besprechen.

Braucht der DOSB eine neue Olympiabewerbung, um den Spitzensport künftig finanziell besser fördern zu können?

Hörmann:

Mit einer Olympiabewerbung, das haben wir in München schon bei der Kandidatur für die Winterspiele 2018 gemerkt, öffnen sich Türen, an die wir vorher nicht einmal gewagt haben zu klopfen. Fakt ist, dass wir im internationalen Vergleich an Leistungsfähigkeit verlieren, weil sehr viele Länder sehr viel Geld in den Sport investieren. Bei uns fehlt momentan die Bereitschaft dafür, die Mittel aufzustocken, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Eine Olympiabewerbung könnte das ändern.

Wie sieht der Fahrplan des DOSB bis zur Entscheidung im Dezember aus?

Hörmann:

Wir diktieren keinen Fahrplan, wir sehen uns als Partner, der in den nächsten Monaten mit Berlin und Hamburg ein gemeinsames Vorgehen entwickeln wird.

Wie wollen Sie eine positive Grundstimmung erzeugen? Olympia scheint in Deutschland – wie andere Großprojekte auch – derzeit schwer vermittelbar.

Hörmann:

Mein Eindruck ist ein ganz anderer. Nach wie vor wünscht sich eine Mehrheit Olympische und Paralympische Spiele in Deutschland. Es wird nun darauf ankommen, die Konzepte den Menschen zu erklären. Die Ausrichtung der Spiele bewirkt nachhaltigen Nutzen für die Stadt und die Region. München 1972 ist dafür das beste Beispiel.

Hamburg hat schon eine U-Bahn.

Hörmann:

München hat heute einen weitläufigen Olympiapark, der allen Bewohnern als Sport- und Freizeitgelände täglich zugänglich ist und die Attraktivität und Lebensqualität der Stadt erheblich erhöht hat. Vor 1972 war München gefühlt ein Dorf, das weiß ich als Bayer; heute ist es eine Weltstadt mit entsprechenden Tourismuszahlen.

Was man von Hamburg nicht behaupten kann.

Hörmann:

Nun reden Sie Ihre schöne Stadt nicht schlecht. Ich habe im Süden Deutschlands immer gehört, Hamburg sei das Tor zu Welt.

Die Welt, sagen viele in Hamburg, liege inzwischen woanders. Der Stadt fehle die Vision, sie sei mit sich selbst zufrieden und drohe die globalen Koordinaten aus den Augen zu verlieren.

Hörmann:

Dann kommt eine Olympiabewerbung ja genau richtig.

Die Münchner haben sich vergangenen November dennoch dagegen entschieden. Was ist aus Ihrer Sicht falsch gelaufen?

Die Zeit zwischen dem Beschluss des Sports zur Bewerbung Ende September und der Volksabstimmung im November war sehr kurz und der Zeitpunkt der Volksabstimmung am 10. November nicht gut gewählt. Dazu kamen negativ belastete internationale Themen wie die Fußball-WM 2022 in Katar und die Winterspiele 2014 in Sotschi. Mit ihnen wurde Stimmung gegen das IOC gemacht. Wir konnten sehr viele Argumente entkräften, wir haben es aber nicht mehr geschafft, die Olympiaskepsis entscheidend aufzubrechen.

Haben die Erfahrungen von Sotschi, mit Kosten von mehr als 40 Milliarden Euro die bislang mit Abstand teuersten Spiele, die Chancen auf einen Olympiazuschlag für Deutschland erhöht.

Hörmann:

Der neue IOC-Präsident Thomas Bach versucht gerade, gemeinsam mit seinen Kollegen, Olympia aus der Ecke des Gigantismus zu holen und starke Akzente bei Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit zu setzen. Verändern sich die Spiele in diese Richtung, können wir dem IOC mit unseren Kandidaten Berlin und Hamburg ein hoch attraktives Angebot machen.

Wobei Berlin als Haupt- und Weltstadt erhebliche Vorteile haben dürfte?

Hörmann:

Natürlich ist eine Hauptstadt meistens bekannter als die zweitgrößte Stadt. Wir würden aber nicht mit Hamburg reden, wären wir nicht fest davon überzeugt, dass die Stadt mit einem entsprechenden Konzept ebenfalls international siegfähig ist.

Bei der Olympiakampagne für die Sommerspiele 2012 haben die fünf deutschen Bewerber, darunter Hamburg, versucht, sich mit Offerten an den damaligen Deutschen Sportbund und das Nationale Olympische Komitee auszustechen. Erwarten Sie von Berlin und Hamburg einen ähnlichen Bieterwettstreit?

Hörmann

Nein! Die damaligen Vorgänge haben Risse im deutschen Sport hinterlassen. Das wollen wir nicht wiederholen.

Wer trifft am Ende die Entscheidung über Berlin und Hamburg?

Hörmann:

Die Entscheidung werden wir mit den Mitgliedsorganisationen des DOSB treffen. Wir werden uns vorher in verschiedenen Gremien mit der Frage beschäftigen und uns vielleicht internationale Experten zur Meinungsbildung dazuholen. Das genaue Verfahren gilt es jedoch noch festzulegen.

Für das Jahr 2024 plant der Deutsche Fußball-Bund (DFB) eine Bewerbung für die Europameisterschaft. Drohen sich da beide Verbände mit ihren Großveranstaltungen in die Quere zu kommen?

Hörmann:

Die Gespräche mit dem DFB waren mit die besten, die ich bisher als DOSB-Präsident geführt habe. Ich hatte den Eindruck, dass jede Seite nicht nur ihre Interessen sieht, sondern auch die Vorstellungen des anderen einbezieht. Das war absolut partnerschaftlich. Wir werden uns mit dem DFB – und der DFB auch mit uns – über den besten Zeitpunkt einer internationalen Bewerbung besprechen.

Letzte Frage: Braucht eine Stadt für eine erfolgreiche Olympiakandidatur einen Club in der Ersten Fußball-Bundesliga?

Hörmann:

Das wäre wünschenswert, bildet aber keine Voraussetzung. Die großen Erfolge des FC Bayern haben der Münchner Bewerbung offenbar nicht ausreichend geholfen.