Fernsehkoch Rainer Sass bereitet seit 50 Jahren Grünkohl zu und erklärt, wie man das Gemüse modern genießen kann.

Die Stimme laut und klar. Dazu klappernde Töpfe und immer unter Volldampf – das ist Fernsehkoch Rainer Sass. Einer, der sich wie ein Wanderprediger leidenschaftlich für das Nordische in unseren Küchen einsetzt. Und beim deftigen Thema Grünkohl ist er mittendrin. „Grünkohl ist ein großes Gericht!“, schwärmt er. „Etwas ganz Feines, das leider häufig bis zur Unkenntlichkeit zerkocht wird.“ Grünkohl brauche den großen Auftritt. Man dürfe es nicht als Tellergericht servieren. „Wir wissen im Norden manchmal gar nicht, was wir Gutes haben. Grünkohl gehört in einer großen Schüssel auf den Tisch! Und eigentlich gehört ihm das Bundesverdienstkreuz. Grünkohl ist norddeutsch wie Wind und Wasser!“

Der Winter gehört dem Grünkohl, denn der Tradition folgend muss der Kohl erst etwas Frost abgekriegt haben, damit er süß wird und richtig schmeckt. Doch wie Grünkohl richtig ist, hängt von der Region ab. Während der Bremer den Kohl mit einer Wurst genießt, die „Pinkel“ heißt, gibt es ihn in Hamburg mit geräucherter Schweinebacke, Kasseler und Kohlwurst. In Oldenburg ist dann Schweinebauch dabei. Was alles sehr deftig, aber nicht jedermanns Sache ist.

Doch sofort trägt der Fernsehkoch ein mageres Rezept vor, denn Grünkohl könne man auch kurz gebraten verspeisen: „Den blanchierten Kohl kurz in der Pfanne braten und mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken.“ Mehr nicht?

„Doch“, sagt Sass, „dazu passen ein Kalbsfilet und Champagner.“ Es müssten nicht immer Bier und Schnaps sein. Auch nüchtern betrachtet, sei der Kohl etwas ganz Tolles. Was jedoch sein muss, sei ganz frischer Grünkohl. „Am besten vom Markt. Denn Grünkohl muss knacken.“ Vielerorts würde der zerpflückte Kohl zu lange in den Plastiktüten stecken. Sass: „Also vor dem Kauf in den Beutel gucken.“ Noch besser sei es, das grüne Gemüse „als Palme“ zu kaufen. So nennt man die palmenartig großen Krausblätter des Kohls, der nicht wie ein Weißkohl aus den Blättern einen Kopf bildet.

Rainer Sass: „Auf einigen Wochenmärkten, wie dem Isemarkt, werden diese Palmen jetzt schon häufiger angeboten. Dann ist er wirklich frisch.“ Fragen sollte man nach traditionellen Grünkohlarten, denn die modernen Züchtungen könnten auf den Frost verzichten. Das sei für den Bauern einfach, würde aber nicht so gut schmecken. Kohl aus Dosen und Gläsern würde der TV-Koch auch vermeiden. „Was aber geht, ist tiefgekühlter Kohl.“

Hamburger und auch Rainer Sass (der aus Stade stammt und in Hamburg aufgewachsen ist) genießen das Wintergemüse eher gemütlich. Ganz im Gegenteil zu Bremern, bei denen Kohl- und Pinkel-Ausflüge mit hochprozentigem Ringelreihen verbunden wird. Was vielleicht an den Inhaltsstoffen der „Pinkel“ liegt. Diese befinden sich in einem Rindermastdarm: Nierenfett, roher Speck, Rinderfett, Weizengrütze, Salz, Pfeffer, Nelken und Piment. Die „Pinkel-Fahrten“ haben Kultstatus und deren Teilnehmer einen Eierbecher mit einem Band am Hals, den sie mit Hochprozentigem füllen und zu deftigen Trinksprüchen leeren.

Grünkohl bedeutet für den Rainer Sass auch ein Jubiläum: „Ich koche seit genau 50 Jahren Grünkohl, denn ich habe als Zehnjähriger schon neben dem Herd gestanden und meiner Mutter beim Grünkohl geholfen.“ Damit nicht genug: „Mein Vater war Grünkohlkellner, der hat ihn immer bei den Bruderschaften in Stade serviert und ab und zu auch etwas davon mit nach Hause gebracht.“ Bei der Mutter gab es damals den Grünkohl nur mit Schmalz und Speck. „Denn wir hatten keine Kohle für Kohlwurst.“ Wie bereitet der Kohl-Jubilar sein Leib- und Magengericht zu? Wichtig sei eine „Küchenparty“, denn der Koch dürfe den Topf nicht allein lassen, müsse sich immer rührend um ihn kümmern. Sass: „Bitte nicht mehr als zwei Stunden lang und möglichst in Brühe kochen.“ Längere Kochzeiten und mehrfaches Aufwärmen würden Matsch zur Folge haben. Man braucht dazu einen großen Topf und befreit vorher die Kohlblätter von den harten Teilen und groben Stielen.

Noch zwei Komponenten gehören zum „großen Gesellschaftsessen“ dazu: Salzkartoffeln oder auch süße Kartoffeln. „Dazu verwendet man kleine Kartoffeln, die im Ganzen gekocht und dann in einer Pfanne mit Butter und Zucker karamellisiert werden.“

Wundervoll würden dazu auch Gänsekeulen wie nach Rezepten aus dem Alten Land passen. „Und ein Glas Rotwein, denn das trinken die Bremer ja schließlich auch dazu.“ Heute Abend präsentiert der „Volkskoch“ in seiner Reihe „Wünsch Dir Sass“ im NDR Fernsehen natürlich Grünkohl. Und der Sender will erreichen, dass Grünkohl Weltkulturerbe wird: „Wir sind Grünkohl!“, frohlockt er.