Rechtswissenschaftler halten das neue Hochschulgesetz für verfassungswidrig und drohen Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) mit einer Klage – nicht zum ersten Mal.

Hamburg. Eine Stärkung der demokratischen Strukturen und mehr Mitwirkungsrechte für Professoren – das hatte Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) versprochen, als sie Mitte Juni den lang erwarteten Senatsentwurf für ein neues Hamburgisches Hochschulgesetz vorstellte.

Doch nach Meinung vieler Dekane und Professoren ist es ihr nicht gelungen, diese Mitwirkungsrechte ausreichend in der Gesetzesvorlage zu verankern. So formiert sich an der Universität Hamburg massiver Widerstand – besonders gegen die starke Stellung des Präsidenten, der künftig sehr viel weit reichendere Kompetenzen erhält.

Die Juristische Fakultät der Universität hält den Gesetzentwurf sogar für verfassungswidrig. Die Juristen sind der Ansicht, dass er gegen die in Artikel5 des Grundgesetzes garantierte Wissenschaftsfreiheit verstößt. „Wenn das Gesetz so beschlossen wird, läuft es Gefahr, erneut vom Verfassungsgericht gekippt zu werden“, sagte Dekan Tilman Repgen dem Abendblatt.

Das mag Wissenschaftssenatorin Stapelfeldt nach Belieben als Warnung oder als Drohung verstehen. Denn es war ausgerechnet ein Professor der Juristischen Fakultät, der bereits gegen das alte Hochschulgesetz aus dem Jahre 2003 vor das höchste deutsche Gericht gezogen war – mit Erfolg. Die Verfassungsrichter erklärten das Gesetz in Teilen für verfassungswidrig und mahnten mehr Mitwirkungs- und Kontrollrechte der Fakultätsräte an.

Alte Fehler des Gesetzes habe die Wissenschaftssenatorin mit ihrer Gesetzesvorlage zwar behoben, meint Dekan Repgen, dafür aber neue geschaffen. Man könne nicht in die Zukunft schauen, sagt Repgen. Aber wenn das Gesetz so beschlossen werde, sei damit zu rechnen, dass erneut dagegen geklagt werde: „Man muss bedenken, dass dies aus unserer Fakultät heraus schon einmal geschehen ist.“

In seiner Stellungnahme, die das Dekanat der Behörde übermittelt hat und die dem Abendblatt vorliegt, gehen die Juristen bei ihrer Kritik ins Detail. „Die Konzentration sämtlicher wichtiger Entscheidungsbefugnisse bei der Präsidentin beziehungsweise dem Präsidenten“ widerspreche der Zielsetzung des Bundesverfassungsgerichts. Sie entziehe „den Mitgliedern der Universität den ihnen aus dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit zustehenden Einfluss auf wissenschaftsrelevante Entscheidungen der Universität“. Zwar hätten die Fakultätsräte bisher bei den Dekanaten angesiedelte Kompetenzen erhalten, doch die maßgeblichen Entscheidungen seien bei einer einzigen Person vereinigt, ohne dass dies durch entsprechende Kontrollrechte anderer Gremien abgefedert werde. Mit anderen Worten: Die Balance stimmt nicht. So kann der Präsident künftig in vielen Dingen allein entscheiden. Das Präsidium hat nur noch beratende Funktion.

Der Präsident schlägt den Struktur- und Entwicklungsplan der Universität (STEP) vor, die Fakultäten haben nur Gelegenheit zur Stellungnahme. Auch über die Wirtschaftspläne der Universität entscheidet der Präsident ohne Beteiligung der Fakultäten. Der Präsident wirkt künftig an der Vorauswahl der Dekane mit – eine Befugnis, die bisher die Fakultäten hatten. Der Präsident hatte nur ein Vetorecht.

Repgen betont, dass die Kritik der Juristen nicht auf die Person von Universitätspräsident Dieter Lenzen zielt. Aber eine solche Machtfülle sei generell risikoreich. Eine Reaktion auf ihre Stellungnahme haben die Juristen aus der Wissenschaftsbehörde nicht erhalten.

Zu einer ähnlichen Einschätzung wie die Juristische Fakultät kommt der Deutsche Hochschulverband: Hinsichtlich des Kompetenzgefüges sei der Entwurf der Gesetzesnovelle verfassungswidrig, heißt es in einer Stellungnahme. Der Gesetzentwurf habe sich weit von dem Urteil des Verfassungsgerichts entfernt, das ihn letztlich ausgelöst habe, so der Hochschulverband.

„Die Behörde behauptet, mit dem neuen Hochschulgesetz würden die Beanstandungen des Verfassungsgerichts repariert, aber das Gegenteil ist der Fall: Es wird noch schlimmer“, sagt Professor Hartmut Schmidt, Vorsitzender des Hamburger Landesverbandes des Deutschen Hochschulverbandes. Die Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeiter drohten marginalisiert zu werden und „vom Regen in die Traufe zu kommen“. Wie die Juristen fordert der Hochschulverband, den Gesetzentwurf wegen seiner Verfassungswidrigkeit abzuändern.

Das wollen auch die Grünen. „Wenn der geballte juristische Sachverstand, wie er an der juristischen Fakultät der Uni Hamburg vorhanden ist, einhellig zu dem Ergebnis kommt, dass der neue Gesetzentwurf verfassungswidrig ist, dann ist dies mehr als ernst zu nehmen“, sagt die wissenschaftspolitische Sprecherin ihrer Bürgerschaftsfraktion, Eva Gümbel.

Die Behörde sei dabei, die Stellungnahmen zu bewerten und könne sich nicht zu Einzelnen äußern, sagt Sprecherin Julia Rauner. Es sei eine breite Beteiligung im Hinblick auf das Gesetz geplant. So läuft noch bis zum 8.November eine moderierte Online-Diskussion zum Gesetzentwurf, am 30. Oktober ist eine Fachkonferenz geplant.