Die Polizei ist sehr zufrieden, dass durch die frühzeitige Warnung vor der Großkontrolle in Hamburg so wenig Autofahrer erwischt wurden. Diejenigen, die in die Radarfalle tappten, hatten ähnliche Ausreden parat.

Winterhude. „Linker Fahrstreifen, silberner Jaguar“, knarrt es aus dem Funkgerät von Polizeimeisteranwärter Niels Sahling und zeitgleich auch aus den anderen Digitalgeräten seiner uniformierten Kollegen, die mit mehreren Mannschaftsbussen am Südring Stellung bezogen haben. Wenige Meter entfernt braust der Verkehr über die Saarlandstraße. Die Durchsage bringt Bewegung in die Gruppe Polizeischüler, die bis dahin am rotbraunen Gemäuer des Goldbekkanals verfroren auf ihren Einsatz wartete.

Während zwei Polizisten auf die vierspurige Saarlandstraße spurten und sich einem Pulk heranbrausender Autos entgegenstellen, ihre batteriebetriebene Haltekellen in die Luft gestreckt, losen die angehenden Polizeimeister noch aus, wer die nächste Kontrolle übernimmt. Sekunden später gleitet der Wagen mit der silbernen Jaguarfigur auf dem Kühler, dem berühmten Leaper, in die provisorische Kontrollstelle. Zwei Lübecker Hütchen, orange-weiße Leitkegel, weisen den Weg.

Blitzmarathon in Hamburg – doch Miron Seffzeh lässt sich seine gute Laune nicht verderben. Der 65-Jährige, eine gewisse Ähnlichkeit mit Höhner-Sänger Henning Krautmacher ist da, steigt dann auch gleich aus seinem Premiumauto und beginnt ein Schwätzchen mit dem Polizisten, der am Wagen wacht. „Ich werde sonst nie geblitzt.“ Dazu gibt es ein verschmitztes Grinsen.

Eine Erklärung hat er auch parat und natürlich, vom Blitzmarathon habe er gewusst. Aber: „Ich habe mit meiner Enkelin gequatscht. Und plötzlich sagt sie: Opa, du wurdest geblitzt. Ich hab einfach gepennt.“ Während sich Seffzeh erklärt, wartet seine Enkelin im Wagen. Ziel der Fahrt ist das nahe Einkaufszentrum, und ein junger Hamster für das trauernde Mädchen. Der alte verstarb jüngst, erklärt Seffzeh noch, bevor ihm ein Polizist die Papiere in die Hände drückt. Gute Fahrt noch. Tempo 50 ist erlaubt an der Saarlandstraße. Seffzeh fuhr 60. Abzüglich der Toleranz von drei Kilometer in der Stunde (km/h), bleibt eine Überschreitung von sieben km/h. Eine Ordnungswidrigkeit also, die mit 15 Euro belangt wird.

Seffzehs Verwarnung – viel mehr passiert hier nicht an dem Kontrolltag am Rande des Stadtparks. Der Posten hier ist einer von fast 400, die an diesem Tag in Hamburg auf- und wieder abgebaut werden sollten. Etwa zwei Dutzend Wagen sind es, die der 23-jährige Polizeischüler Sahling und seine Kollegen am Donnerstagvormittag aus dem Verkehr ziehen.

Was auf den ersten Blick wie Langeweile aussieht, ist für die Polizei ein ausgewiesener Erfolg. „Die Hamburger fahren heute deutlich langsamer. Sie sind kaum zu schnell unterwegs. Und wenn doch, dann nicht so schnell wie sonst“, bringt Karsten Witt seine Erfolgsformel auf den Punkt. Witt ist Leitender Polizeidirektor und Chef der Verkehrsdirektion. An der Saarlandstraße inspiziert er seine Leute, mehr als 520 sind in der ganzen Stadt allein für den Blitzmarathon eingesetzt.

„Deutlich weniger Aggression“

„Es geht heute im Verkehr deutlich weniger aggressiv zu“, sagt Witt mit Blick auf die Automassen auf der Saarlandstraße, deren Fahrer beim Anblick der mit Warnwesten überzogenen Uniformen erneut auf die Bremse treten. 200 Meter zuvor, auf Höhe der Stadtpark-Freilichtbühne, lenkte bereits der Radarwagen (einer von 13 insgesamt, daneben sind 34 Laserpistolen und neun Provider-Wagen eingesetzt) die Blicke der Fahrer auf sich. Er steht, nicht gerade versteckt, auf dem Straßengrün. Vielleicht ist das ja Absicht.

„Unser Ziel ist erreicht, wenn auch nur ein Unfall vermieden werden konnte“, sagt Witt. „Die Verkehrsteilnehmer werden erkennen, dass sie, auch wenn sie sich an die Vorschriften halten, nicht länger zum Ziel brauchen. Überhöhte Geschwindigkeiten bringen es nicht.“ Er hoffe, dass sich diese Erkenntnis durchsetze.

An der Saarlandstraße kommt an diesem Morgen kein Fahrer auf den Gedanken, das Gaspedal stärker als nötig zu belasten. Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt gefühlt bei Tempo 25. Es bliebt Zeit für neugierige Blicke in Richtung Kontrollstelle, dann und wann folgt ein nicht ganz ernst gemeinter Wink. Zu übersehen ist die Polizei heute nicht.

Für Sahling und seine Kollegen ist es bereits die zweite Station: Am frühen Morgen standen sie seit 6 Uhr an der Ahrensburger Straße. Als sie um 9 Uhr wieder abrückten, hatten sie genau einen Autofahrer überführt. An der Saarlandstraße sieht das kaum anders aus: 1353 „Durchfahrer“ habe man in vier Stunden gezählt, 23 Kraftfahrzeuge haben die Höchstgeschwindigkeit überschritten, sagt ein Beamter später protokollgerecht. Macht eine Quote von 1,7 Prozent. Eine Zahl, die die Prognosen der Polizei fürs Erste bestätigt: Auf zwei bis drei Prozent, so hoffte die Polizei, würde die Zahl der Raser (in diesem Fall: der Geblitzten) am Tag des großen bundesweiten Blitzmarathons heruntergehen. An einem normalen Tag werden etwa acht Prozent der Autofahrer an einer Kontrolle geblitzt.

Das gleiche Bild wie am Stadtpark bot sich auf vielen anderen Straßen in der Stadt und Umgebung: Die Kieler Straße und andere große Ausfallstraßen waren deutlich weniger befahren. Auf der Reeperbahn kam der Verkehr gefühlt fast zum Erliegen, weil die Autofahrer so langsam fuhren. Selbst ausgewiesene Tempo-60-Strecken verkümmerten zur 30er-Zone. Auf der Autobahn 1 war die Überholspur überraschenderweise über weite Teile frei, die Autos drängten sich auf der mittleren und linken Fahrspur.

„Wir sind sehr zufrieden“, resümiert denn auch Vizepolizeichef Reinhard Fallak am Südring. Schon auf seinem Weg ins Büro im nahen Polizeipräsidium habe er bemerkt, wie anders, also ruhiger, der Verkehr laufe. Die Lage am Südring lässt es zu, dass er jedem beteiligten Beamten und Polizeischüler noch schnell die Hand drückt. Dann kommt er wieder zum Wesentlichen, während an ihm vorbei ein weißer Geländewagen mit einem etwas griesgrämig dreinschauenden Fahrer am Steuer zum Kontrollposten gelotst wird: „Ich wünsche mir, es wäre jeden Tag so.“ Natürlich gebe es einige Unverbesserliche, aber die Masse der Autofahrer fahre vernünftig.

Die 23-Jährige, die gegen 11 Uhr aus ihrem schwarzen Mercedes steigt, findet den Blitzmarathon auch gut. Sie habe ihn nur bei der Einfahrt auf die Saarlandstraße vergessen. „Heute morgen habe ich noch davon gelesen“, sagt sie wie zur Entschuldigung. „Mein Tacho hat Tempo 64 gezeigt, also sind es 61, abzüglich der Toleranz“, rechnet sie laut, während ein Polizeischüler ihren Fahrzeug- und Führerschein abgleicht. Doch sie hat Glück, auch wenn es am Ordnungsgeld nichts ändert, der Radarwagen hat nur 59 km/h gemessen.

Fallak und Witt sind sich einig: Einen zweiten Blitzmarathon sollte es geben, wenn er denn wieder bundesweit veranstaltet werde. Die Aktion dürfe keine einmalige blieben, sagt Witt. Allerdings verweisen die beiden Beamten auch auf den hohen Personalaufwand. „Wir haben allein 300 Kollegen aus der Bereitschaftspolizei im Einsatz, da müssen andere Einsätze zurücktreten“, heißt es in der hohen Runde.

Immer die gleichen Ausreden

Die Ausreden der Zuschnellfahrer seien am Donnerstag immer die gleichen gewesen, sagt Sandra Levgrün, Sprecherin in der Pressestelle der Polizei am Nachmittag: „Eigentlich weiß ich es ja; ich habe geträumt; ich war abgelenkt.“ Immerhin sei das Thema in den Medien mehr als präsent gewesen. Bei der 28-jährigen Studentin Nerjes Abu Seris muss die Mutter aus Casablanca, die sie soeben vom Flughafen abholte und mit der sie im Gespräch vertieft war, als Erklärung herhalten.

Polizeimeisteranwärter Sahling lässt ihr die Wahl: Wenn sie die Geschwindigkeitsüberschreitung noch vor Ort zugebe, dann bekomme sie den Überweisungsbogen gleich mit, belehrt er sie. Andernfalls werde ihr ein Anhörungsbogen zugeschickt. Frau Abu Seris hat keine Lust auf Bürokratie: „Ich gebe es zu“, sagt sie und muss lachen. Sahling holt den Bogen. Für ihn und seine Kollegen ist gegen 14 Uhr Schluss, der Kontrollposten wird abgebaut. Ein richtiger Raser war nicht dabei. Tempo 67 fuhr der Schnellste an diesem Vormittag an der Saarlandstraße. An anderen Tagen wohl nur ein Durchschnittswert.