Eine Glosse von Alexander Schuller

War das nicht ein Traumtag gestern auf Hamburgs Straßen? Es war fast so ruhig wie nach der Apokalypse; Liegeradfahrer strampelten beseelt vor Glück in spirituellen Schlangenlinien auf den Fahrbahnen (einige nahmen dabei sogar ihre Helme ab!), Skateboarder konnten auf dem verwaisten Asphalt ihren „Ollie“ oder „Kickflip“ üben, daneben kickten juvenile Straßenfußballer und dort, wo tatsächlich noch der eine oder andere Verbrennungsmotor blubbernd, weil heiß gelaufen, für Schrittgeschwindigkeit sorgte, konnte man auf den Zebrastreifen picknicken.

Auch die rund eine Million Polizeibeamten, die das Hamburger Straßennetz flächendeckend mit Radar- und Laserpistolen beschossen hatten, waren mit der Acht-Stunden-Schicht an der frischen Luft durchweg zufrieden: „Kohle eintreiben ist geiler als ewiges Ausrücken wegen Lärmbelästigung # Blitz“ twitterte beispielsweise Hauptwachtmeister Klaus-Jürgen P. vom Polizeirevier 123, und traf damit den Nerv der gesamten Zunft.

So kamen nach Abendblatt-Informationen die Vertreter der Innenbehörde und des Landesbetriebs Verkehr noch in der vergangenen Nacht in einem ersten Resümee überein, die Tempoüberwachungsaktion zu wiederholen. Und zwar heute schon. Und morgen und übermorgen auch, kurzum: von nun an täglich! Auch existieren offenbar bereits konkrete Pläne zur Privatisierung der innerstädtischen Tempoüberwachung: „Denn man kann dem Steuerzahler einen solch erhöhten Personalaufwand auf Dauer nicht zumuten“, heißt es in einem internen Dossier der Arbeitsgruppe „STRAMÜLEWE“ („Straßen müssen leer werden“), das der Redaktion vorliegt. Die Politik, die FDP mal wieder ausgenommen, nimmt diese Entwicklung ebenfalls wohlwollend zur Kenntnis. „Jetzt können wir die Busbeschleunigungsspuren ganz prima wieder zurückbauen“, frohlockt ein SPD-Bürgerschaftsabgeordneter, „und es ist dann niemand da, der sich über die Baustellen aufregt!“ Ein grüner Volksvertreter fügte hinzu: „Gerade mit dem konzertierten Schüren der nackten Angst der Autofahrer vor Strafmandaten sind die enervierenden Tempo-30-Diskussionen nun endlich vom Tisch.“