Warum ein riskantes Gerichtsverfahren auch gegen eine kriselnde NPD wichtig ist

Der NPD geht es schlecht. Und für alle Demokraten ist das schon mal eine gute Nachricht. Allein im vergangenen Jahr hat die Partei 500 Mitglieder verloren. Es sind noch gut 5000. Und die NPD kränkelt finanziell. Der aktuelle Rechenschaftsbericht weist knapp eine Million Euro Schulden auf. Bei der Wahl in Niedersachsen erreichte die NPD magere 0,8 Prozent der Stimmen. Und jetzt noch das drohende Verbot.

Aber braucht es das überhaupt noch? Wertet ein mediales Großereignis wie ein Prozess vor den höchsten deutschen Richtern die am Boden liegende Partei nicht noch auf? Und was ist mit den Risiken des Scheiterns? Es sind ernstzunehmde Fragen in der aktuellen Debatte um ein Verbotsverfahren - und die Demokratie, gegen die eine NPD ankämpft, muss sich darüber streiten dürfen.

Wenn die SPD der Bundesregierung von Union und FDP nun vorwirft, sie "verschleppe eine Entscheidung" zu einem Verfahren gegen die NPD, ist das vor allem eines: Wahlkampf. Noch absurder ist der Vorwurf der SPD, dass sich Demokraten gegenüber Feinden der Demokratie "nicht neutral" verhalten dürften. Als wäre es CDU und FDP egal, wie oder was die NPD an rassistischen und antisemitischen Hass verbreitet. Die Regierung ließ sich Zeit, äußerte sich uneindeutig. Stimmt. Dass hängt aber nicht mit ihrer klaren Abneigung gegenüber der NPD zusammen, sondern mit Zweifeln darüber, ob ein Verbot der Partei der richtige Weg ist, um die Neonazis zu schwächen. Die SPD darf dieses wichtige Thema nicht im Wahlkampf missbrauchen. Kritik an der Bundesregierung ist an anderer Stelle angebracht: So verpflichtete Familienministerin Kristina Schröder in einer rechtlich sehr vagen "Extremismusklausel" Organisationen und Bündnisse zu einem "Demokratiebekenntnis". Viele, auch von Bürgern der Mitte getragenen Initiativen, fühlten sich als Linksextreme kriminalisiert. Auch bei den Lehren aus den Fehlern der Sicherheitsbehörden im Fall der rechtsterroristischen "Zwickauer Zelle" ist die Regierung angreifbar. Schwarz-Gelb hat sich im Bundestag nun gegen den SPD-Antrag entschieden: und damit gegen ein Verfahren.

Dieses Verfahren aber wird es geben, denn die Länder stimmten im Bundesrat für eine Neuauflage des 2003 gescheiterten Verfahrens. Ein Antrag reicht. Und er ist richtig. Denn bei allen Risiken ist ein Verbot der NPD wichtig. Und das größte Risiko ist berechenbar. Zulauf für die Partei durch die Aufmerksamkeit eines Prozesses wird überschaubar sein, wenn es überhaupt spürbar. Wer die rechtsextreme Szene kennt, weiß, dass lokale Gruppen wie Kameradschaften oder "Autonome Nationalisten" mittlerweile eine höhere Attraktivität unter Neonazis genießen als die NPD. Zudem sind V-Leute des Verfassungsschutzes aus der Spitze der Partei abgezogen. Ein wichtiges Hindernis für ein erfolgreiches Verfahren ist ausgeräumt.

Rechtsextreme Parteien gibt es auch in anderen Ländern Europas, auch dort hetzen sie ekelhaft gegen Ausländer und Demokraten. Ein entscheidendes Argument für ein Verbot ist aber ein anderes: Eine Neonazi-Partei im Land, in dem diese Ideologie zu unermesslichen Verbrechen geführt hat, ist ein Sonderfall. 2011 finanzierte der deutsche Staat 42 Prozent des NPD-Etats durch die öffentliche Parteienförderung. Der Staat unterstützt die NPD und damit ihre Neonazi-Ideologie, weil er dazu verpflichtet ist. Doch die Politiker tragen heute historische Verantwortung, sich aus diesem Dilemma zu lösen. 2011 kam auch heraus, dass der deutsche Staat eine Mordserie von Neonazis an zehn Menschen über Jahre nicht verhindern konnte. Ein Verfahren gegen die NPD ist ein wichtiges Symbol, dass sich Deutschland fast 70 Jahre nach Ende des Nationalsozialismus gegen Neonazismus wehrt. Es wäre auch ein deutsches Verbot.