29-Jähriger soll sich an Kindern in Schnelsen und Norderstedt vergangen haben. Die Staatsanwaltschaft hält ihn in vier Fällen als dringend tatverdächtig. “Die Ermittlungen gehen noch weiter.“

Hamburg. Eine Anzeige aus Norderstedt, elf Anzeigen aus Schnelsen und mehrere Verdachtsfälle aus Winsen - in den vergangenen Wochen häuften sich die Vorwürfe gegen den Erzieher Stefan H. Jetzt sitzt der 29-Jährige in Untersuchungshaft. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft Hamburg dem Abendblatt. H. soll mehrere Kinder sexuell missbraucht haben. Am Montag wurde Haftbefehl gegen den Erzieher beantragt, am Mittwoch wurde Stefan H. dem Haftrichter vorgeführt. "Es besteht Wiederholungsgefahr", begründete Carsten Rinio, Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft, den Haftbefehl.

Stefan H. gilt in vier Fällen als dringend tatverdächtig. Ein Fall soll sich in Norderstedt ereignet haben, drei Fälle in Schnelsen. Die Vernehmungen der betroffenen Kinder dauerten bis zur vergangenen Woche an. Dabei hatte sich der Tatverdacht verdichtet. Ob H. möglicherweise noch für weitere Taten angeklagt wird, ist noch unklar. "Die Ermittlungen gehen noch weiter", sagte Rinio. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen federführend auch für den Fall in Schleswig-Holstein übernommen.

In der kirchlichen Kita am Kriegerdankweg in Schnelsen herrscht trotz des Haftbefehls gedrückte Stimmung. "Wir sind nach wie vor erschüttert", sagt Propst Thomas Dope vom Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein. "Wir hatten die Befürchtung, dass er wieder Kontakt zu den Kindern aufnimmt und ihnen weiteren Schaden zufügt", so Drope. Erleichterung sei an der Kita in Schnelsen aber kaum zu spüren. "Der Haftbefehl hat unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Unsere Sorge gilt den Eltern." Stefan H. war zwischen 2011 und Anfang 2013 in der Kita in Schnelsen angestellt. Im Februar wechselte der 29-Jährige auf eigenen Wunsch in die evangelische Kindertagesstätte Glashütte in Norderstedt und jobbte nebenbei auch als Babysitter. Dann entdeckte die Mutter eines vier Jahre alten Mädchens, das die Kita in Norderstedt besucht, Anzeichen auf einen Missbrauch bei ihrer Tochter. Sie erstattete Anzeige gegen Stefan H. - nur wenige Stunden später wurde er fristlos entlassen. Am 27. Februar durchsuchte die Kriminalpolizei die Wohnung des Erziehers. Seitdem hielt sich der Mann bei seinen Eltern auf.

Das Kirchenwerk informierte die Eltern in Schnelsen. Die Nachricht aus Norderstedt sorgte für Entsetzen. Innerhalb weniger Tage gingen bei der Staatsanwaltschaft Hamburg elf Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs ein. Der Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein veranstaltete drei Elternabende, um Panik zu vermeiden und die Eltern entsprechend zu beraten. Die Verantwortlichen wollen sich jetzt noch intensiver mit dem Thema Prävention von Missbrauch befassen. Der Betrieb in Schnelsen läuft unterdessen weiter. Die Situation sei aber belastend. "Wir müssen jetzt versuchen, wieder einen normalen Betrieb herzustellen", sagt Propst Thomas Drope.

Auch am kirchlichen Kindergarten Stove im Landkreis Harburg, in dem Stefan H. bis 2011 vor seiner Anstellung in Schnelsen gearbeitet hatte, gab es einen Verdachtsfall und eine Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs gegen ihn. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg hatte die Ermittlungen aber schnell wieder eingestellt.

In allen Kitas, in denen H. als Erzieher tätig war, galt er als beliebt - sowohl bei Kindern als auch bei Eltern. Er bot mehreren Eltern an, bei ihnen auch privat als Babysitter zu arbeiten. Einige beschäftigten ihn. Und sie vertrauten ihm. Niemand schöpfte Verdacht. "Er war ein ruhiger Mann mit einer sympathischen Ausstrahlung", sagte Uwe Büth, Geschäftsführer des Kita-Werks Niendorf-Norderstedt. Genau das war offenbar die Strategie des Erziehers. "Viele Täter haben auf den ersten Blick ein gutes Händchen für Kinder", sagte Christina Okeke vom Verein Zündfunke, der die Eltern in Schnelsen über den richtigen Umgang in Missbrauchsfällen berät.

Sexueller Missbrauch in Kitas und Kindergärten kam in Hamburg bislang selten vor. Erst kürzlich wurde allerdings bekannt, dass es in einer weiteren Hamburger Kita einen ähnlichen Fall gab. Ein Praktikant soll drei Kinder unsittlich berührt haben. Um welche Kita es sich handelt, ist nicht bekannt.

Erzieher Stefan H. wird nicht mehr in einer Kita arbeiten. Er sitzt nun hinter Gittern. Bei seiner Verhaftung hat er bereits erste Angaben über den Tatvorwurf gemacht. Wie hoch die Strafe sein wird, hängt auch von seinen weiteren Aussagen ab. Werden ihm die vorgeworfenen Taten nachgewiesen, droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe.