Radikale Islamisten treten in Hamburg immer offensiver auf. Nach Vereinsverbot finden Treffen vor allem zurückgezogen im Privaten statt.

Hamburg. Die islamistische Szene wandelt sich, nach Jahren relativer Unauffälligkeit. Wie gefährlich die Anhänger der verschiedenen islamistischen Strömungen sein können, hat zuletzt der Messerangriff von Salafisten auf Polizisten während einer Demonstration gegen die rechtspopulistische Splitterpartei Pro NRW in Bonn gezeigt. Ein derartiges Gewaltpotenzial sieht der Verfassungsschutz in Hamburg zwar nicht unmittelbar. Doch auch für die Hamburger Experten ist deutlich erkennbar, dass Salafisten und Dschihadisten in der Hansestadt öffentlich offensiver auftreten als noch in der jüngeren Vergangenheit.

"Wir haben festgestellt, dass sie ihre Gesinnung deutlich selbstbewusster nach außen vertreten", sagt Manfred Murck, Chef des Hamburger Verfassungsschutzes. Auffällig sei etwa, dass zur Demonstration in Bonn im Mai 2012 auch ein gutes Dutzend Hamburger Salafisten angereist war - auch dies dokumentiere das "neue Selbstbewusstsein" der Islamisten.

Der neue Grundton sei "offensiv, bis sogar aggressiv", sagt Murck. So hätten Salafisten bei der Verteilung von kostenlosen Koranen in der Stadt teils patziger auf Kritik reagiert als in den Jahren zuvor, 24 solcher Aktionen gab es bislang. Dazu passt auch das Auftreten von Salafisten, die im Sommer in einem Hamburger Park gepicknickt hatten. Sie befanden, dass es ihren Frauen nicht zuzumuten sei, wenn andere Männer in der Nähe mit nacktem Oberkörper Baseball spielten und verbaten sich dies.

Gegenüber 2011 habe sich die islamistische Szene zahlenmäßig und strukturell jedoch kaum verändert, so der Verfassungsschutz - ganz im Gegensatz zu anderen Bundesländern, wo sie deutlich Auftrieb erhalten hat. "Dem salafistischen Spektrum werden derzeit in Hamburg etwa 200 Personen zugerechnet", heißt es in einer Antwort auf eine Senatsanfrage des CDU-Innenexperten Karl-Heinz Warnholz. Die gleiche Zahl weist auch der jüngste Verfassungsschutzbericht aus.

Nach der Schließung der Al-Kuds-Moschee am Steindamm im Jahr 2010, in der sich die Attentäter vom 11. September getroffen hatten, und dem Verbot der salafistischen Propaganda- und Kaderorganisation Millatu Ibrahim durch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich 2012 habe sich die Szene stärker in den privaten Raum zurückgezogen. Die Anhänger träfen sich nun häufiger in ihren Wohnungen. "Nach Beobachtungen der Sicherheitsbehörden haben sowohl das Verbot als auch die damit im Zusammenhang stehenden Hausdurchsuchungen die salafistische Szene in Hamburg stark verunsichert", heißt es in der Senatsantwort.

So waren nach dem bundesweiten Verbot von Millatu Ibrahim im Juni vergangenen Jahres in Hamburg 15 Wohnungen, Vereins- und Geschäftsräume durchsucht worden. Eine Nachfolgestruktur von Millatu Ibrahim habe sich bislang nicht etabliert, heißt es in der Senatsantwort auf die Warnholz-Anfrage. "Die Salafisten treffen sich meist in kleineren Zirkeln in Privatwohnungen. Die Sicherheitsbehörden haben derzeit keine Kenntnis von weiteren verfestigten salafistischen Organisationen in Hamburg." Dieser Rückzug ins Private bedeute zwar nicht automatisch "einen Informationsverlust", erfordere aber "andere Beobachtungsansätze", sagt Murck. "Auch über private Treffen erhalten wir in der einen oder anderen Form Hinweise", sagt er. Ein Teil der Szene indes habe in der Taqwa-Moschee in Harburg einen neuen Treffpunkt gefunden. Dass den Islamisten die symbolträchtige Al-Kuds-Moschee nun nicht mehr zur Verfügung stünde, sei aber auch von Vorteil: So sei Hamburg für die Klientel weniger attraktiv. "Bislang ist in Hamburg nur der Bund gegen salafistische Strömungen vorgegangen", kritisiert Warnholz. SPD-Innensenator Michael Neumann müsse sich die Frage gefallen lassen, "warum er nicht mehr Verfolgungsdruck auf diese radikalen Islamisten aufbaut, die die freiheitliche Grundordnung unterwandern und zerstören wollen."