Die Gentrifizierung der innenstadtnahen Wohnquartiere kann durch soziale Erhaltungsverordnungen meist nur verlangsamt werden.

Hamburg. 750 Meter lang, Dutzende Restaurants, Cafés und Kneipen: Die Lange Reihe in St. Georg gehört zu Hamburgs gefragtesten Zielen zum Ausgehen und Flanieren. Allerdings: Das Viertel rund um die beliebte Amüsiermeile ist in den vergangenen Jahren auch zum Hotspot für Wohnungsinteressenten geworden - mit steigenden Mieten und mehr Wohneigentum als Folge. Alteingesessene beklagen die Gentrifizierung ihres Viertels - und ihre Verdrängung durch eine neue, wohlhabendere Klientel.

"Die soziale Erhaltungsverordnung kam für St. Georg im Grunde viel zu spät", sagt Martin Streb vom Bürgerverein St. Georg deshalb. "Hier ist schon viel zu viel Mietraum in Eigentum umgewandelt worden."

Seit Februar 2012 gilt in St. Georg der vom Senat verordnete Milieuschutz, der im Behördendeutsch etwas umständlich "soziale Erhaltungsverordnung" heißt. Luxussanierungen oder Umwandlungen von Miet- zu Eigentumswohnungen stehen seither unter Genehmigungspflicht. Auch wenn für Streb die Maßnahme in St. Georg zu spät kam, beobachtet er einen Effekt. "Wir können schon sehen, dass die Maßnahme dämpfend wirkt. Umwandlungen haben seitdem jedenfalls nicht mehr stattgefunden. Ob sich die Gentrifizierung so aber aufhalten lässt, bezweifle ich. Allzu große Erwartungen habe ich nicht."

Für Bausenatorin Jutta Blankau (SPD) ist der Milieuschutz ein wirksames Instrument. "Die soziale Erhaltensverordnung schafft es, Luxusmodernisierungen zu verhindern und die angestammte Bevölkerungsstruktur eines Gebiets vor Verdrängung zu schützen", sagt sie. In diesem Jahr wird es sieben Erhaltungsgebiete geben, mit zusammen mehr als 78.000 Bewohnern. Und es sollen mehr werden. Für sechs weitere Gebiete laufen Vorprüfungen. Blankau sagt aber auch, was die Maßnahme nicht kann. "Sie kann nicht vor individuellen Mieterhöhungen schützen." Das geht nicht über das Bau-, sondern über das Mietrecht. Ohnehin ist für Blankau "der Wohnungsbau das wirksamste Mittel gegen steigende Mieten".

Professor Dr. Jürgen Oßenbrügge, Stadtforscher an der Universität Hamburg sieht in der Erhaltungsverordnung eine "symbolische Maßnahme, ein Signal der Stadt, dass sie eine Gefahr für einige Quartiere sieht". Auch er ist der Überzeugung, dass die derzeitige Entwicklung zwar verlangsamt werden kann. "Aber den Prozess aufhalten, das kann der Milieuschutz nicht."

Das Phänomen, dass innenstadtnahe Stadtteile stark nachgefragt werden, sei durch die CDU-regierten Jahre Anfang des vergangenen Jahrzehnts ausgelöst worden. "Damals drängte es die Leute raus ins Grüne. Mit dem Motto der Wachsenden Stadt wollte man dem entgegenwirken." Deshalb sei der Milieuschutz ausgesetzt worden. Nun kauften diejenigen, die es sich leisten konnten, nicht mehr im Hamburger Umland ihr Haus, sondern eine Wohnung im Herzen der Stadt. "Und jetzt erleben wir den Umkehrungsversuch", sagt Oßenbrügge. Der Grund: Mittlerweile habe eine Verdrängung stattgefunden. "Der Prozess hat eine Eigendynamik angenommen, was man an den stark gestiegenen Mieten ablesen kann." Die Verordnung sei zwar notwendig, komme aber fünf Jahre zu spät.

Andy Grote (SPD), Leiter des Bezirksamts Mitte, zieht jedenfalls eine positive Bilanz der bisherigen Maßnahmen: "Die soziale Erhaltungsverordnung wirkt." Zwar gebe es dadurch auch einen erhöhten bürokratischen Aufwand, allerdings sei dieser überschaubar. Das Gros der Anträge seien geplante Modernisierungsmaßnahmen an Altbauten. Hier werde dann genau etwa auf die geplante Zimmergröße geachtet oder auf die geplante Ausstattung - also auf alles, was die Miete verteuern könnte. "In einer ganzen Reihe von Fällen erhalten die Antragsteller einen abschlägigen Bescheid von uns, dürfen ihre Baumaßnahmen also nicht so durchführen wie geplant."

Heinrich Stüven, Vorsitzender des Grundeigentümer-Verbands Hamburg, ist ein erklärter Gegner der Sozialen Erhaltungsverordnung. Dass die Umwandlung in Eigentum verhindert wird, bezeichnet Stüven als "fiskalisches Harakiri". Die Stadt müsse schließlich ein Interesse an einkommensstarken Bewohnern haben. Und die kaufen Wohnungen. "Das sind auch diejenigen, die für ein hohes Steueraufkommen sorgen. Kommen die nicht in innenstadtnahen Quartieren unter, gehen die ins Umland und zahlen dort ihre Steuern."