François Hollande hat bislang viele Wähler enttäuscht

Den berühmten Satz "Der Staat bin ich" hat Frankreichs Sonnenkönig Ludwig XIV. wohl nie gesagt, aber er steht sinnbildlich für den französischen Absolutismus - und in gewisser Weise immer noch für das Pariser Präsidialsystem. Frankreich ist ein Zentralstaat mit einer ausgeprägten Elitekultur, wie sie Deutschland schon lange nicht mehr kennt.

Frankreichs abgehobene politische Elite ist legendär, aber auch Managementstrukturen in französischen Unternehmen sind antiquiert vertikal, die Anbindung an das bürgerliche Bildungssystem ist unzureichend.

Ein Pendant zum "Standort Deutschland" fehlt ebenso wie ein funktionierender Sozialpakt; traditionell herrscht eisiges Misstrauen zwischen Unternehmen und Gewerkschaften. Das Prinzip des Gemeinwohls ist in Frankreichs Wirtschaft unpopulär wie die Kunst des Kompromisses. Doch diese Defizite muss der sozialistische Präsident François Hollande überwinden, wenn er Frankreichs wirtschaftlichen Niedergang aufhalten will, der mit einer dramatischen Deindustrialisierung einhergeht. Nur noch 12,5 Prozent Anteil an der Wertschöpfung hat die Industrie; in Deutschland sind es noch mehr als 26 Prozent. Und die Arbeitslosigkeit in Frankreich wächst seit 20 Monaten scheinbar unaufhaltsam.

Mit seinen linken Steuerprogrammen hat sich Hollande bei den Vermögenden nicht eben Freunde gemacht, und mit der hastigen Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe hat der Präsident weite Teile der starken konservativen Mitte im katholischen Frankreich mitsamt der Kirche und obendrein die muslimische und jüdische Geistlichkeit gegen sich aufgebracht. Zehntausende gingen am Sonntag dagegen auf die Straße. Innenpolitisch hilfreich ist der Vorstoß ausgerechnet in der Krise für Hollande sicher nicht. Auch wirtschaftspolitisch hat er bislang eher glücklos agiert.

Kein Wunder, dass nun Kritiker meinen, mit der - auch noch spektakulär gescheiterten - Geiselbefreiung in Somalia und dem riskanten militärischen Alleingang in Mali wolle sich der Präsident als entscheidungsstarker Feldherr empfehlen und von der innenpolitischen Misere ablenken.