Steuerbehörde: Sammlung der Umweltschützer für Volksinitiative “Unser Hamburg - Unser Netz“ zum Rückkauf der Energienetze ist gesetzwidrig.

Hamburg. Für den Umweltschutzverband BUND kommt es derzeit knüppeldick. Das Finanzamt Nord bezweifelt die Rechtmäßigkeit der Spenden für die Volksinitiative "Unser Hamburg - Unser Netz"; auch die CDU-Bürgerschaftsfraktion erhöht den Druck auf die Umweltschützer. Die Union hat am Donnerstagnachmittag im Namen aller 28 Abgeordneten Klage beim Hamburgischen Verfassungsgericht gegen den Volksentscheid zum Rückkauf der Energienetze eingereicht. Eigentlich sollen die Bürger im September 2013 über die Zukunft der Netze entscheiden.

Gestern erneuerte der CDU-Bürgerschaftsabgordnete Walter Scheuerl seinen Vorwurf der illegalen Spendenpraxis im Zusammenhang mit der Volksinitiative "Unser Hamburg - unser Netz", die vom BUND unterstützt wird. Das Finanzamt sieht es genauso wie Scheuerl: Es hat festgestellt, dass die Praxis des BUND nicht rechtens sei.

Der BUND stellte in den Jahren 2010 und 2011 Spendenquittungen für Zahlungen auf ein Projektkonto aus, das zur Finanzierung der Initiative eingerichtet wurde. Scheuerl hatte deshalb bereits im Juni 2011 die Gemeinnützigkeit des BUND infrage gestellt. So stellen nach seiner Auffassung politische Aktivitäten keine gemeinnützige Tätigkeit dar. Folglich können Spenden dann auch nicht von der Steuer abgesetzt werden. Rund 32 000 Euro hat die Initiative laut Eigenaussage an Spenden eingenommen.

"Nachdem Herr Scheuerl die Vorwürfe vor anderthalb Jahren erstmals geäußert hat, sind wir zum zuständigen Finanzamt Nord gegangen, um die Spendenpraxis überprüfen zu lassen", sagt Manfred Braasch, Geschäftsführer vom BUND. Das entschied im Sinne Scheuerls. Der sieht sich in seiner Überzeugung bestätigt. "Politische Betätigungen oder die finanzielle Unterstützung politischer Aktivitäten Dritter im Rahmen eines Volksgesetzgebungsverfahrens sind vom Gemeinnützigkeitsprivileg nicht gedeckt." Der BUND klagt nun vor dem Finanzgericht gegen die Entscheidung des Finanzamts. "Es liegt der Verdacht nah, dass Walter Scheuerl die Urteilsfindung des Finanzgerichts beeinflussen will", sagt Braasch. "Er muss sich fragen lassen, ob er seine Autorität als Bürgerschaftsabgeordneter nicht missbräuchlich einsetzt und in wessen Auftrag er handelt."

Die Initiative verfolgt den Rückkauf von 100 Prozent der Energienetze für Strom, Gas und Fernwärme. Im Juni 2011 legte sie für das Volksbegehren 116 197 Unterschriften vor - deutlich mehr als nötig. Der Senat aber hat, wie vor der Wahl angekündigt, den Konzernen Vattenfall (Strom, Fernwärme) und E.on (Gas) jeweils 25,1 Prozent der Netze abgekauft. Kaufpreis: 543,5 Millionen Euro. Da der Senat die Forderung der Initiative nicht erfüllt hat, hat die Initiative einen Volksentscheid angemeldet, der parallel zur Bundestagswahl im September 2013 stattfindet.

Geht es nach dem Willen der CDU-Fraktion, wird dieser aber nicht stattfinden. Deren Vorsitzender Dietrich Wersich begründet die Klage so: "Die Verstaatlichung der Energienetze würde die Stadt mehr als zwei Milliarden Euro kosten, weitere Investitionen von mehr als einer Milliarde Euro kämen hinzu. Derartige gravierende finanzielle Entscheidungen am Parlament vorbei würden die politische Handlungsfähigkeit von Senat und Parlament massiv beschädigen."

André Trepoll ergänzt: "Es ist bedauerlich, dass die SPD nicht den Mut hatte, das Verfassungsgericht anzurufen." Manfred Braasch erinnert dagegen daran, dass sich der CDU-geführte Senat vor zwei Jahren gegen eine Klage entschieden hatte. "Wenn die CDU jetzt diese Klage einreicht, so ist dies vorrangig politisch, aber nicht juristisch motiviert." Auch SPD-Fraktionschef Andreas Dressel spielt den Ball zurück. "Nach den Regeln des Gesetzes war die Klagefrist am 20. Januar 2011 abgelaufen, also zu Zeiten des CDU-Senats. Ob das Verfassungsgericht die verspätete Klage zur Entscheidung annimmt, ist zweifelhaft." Es sei zwar festzustellen, dass die Initiative an der Grenze der Zulässigkeit liege. Eine Verfassungswidrigkeit dürfte jedoch schwer festzustellen sein. "Für uns steht die politische Auseinandersetzung im Vordergrund, nicht die juristische." Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan sagt: "Die CDU schmiedet eine Große Koalition gegen Bürger. Denn sie hilft mit ihrer Klage vor allem Olaf Scholz." Die FPD-Fraktionsvorsitzende Katja Suding teilt zwar die Bedenken der CDU, was die Einschränkung des Haushaltsrechts der Bürgerschaft angeht. "Dennoch werden wir uns der Klage nicht anschließen. Wir vertrauen auf eine inhaltliche Debatte und kluge Entscheidung."