Knapp 1000 Menschen demonstrierten am Montag gegen die drohende Abschiebung. Eine Entscheidung soll am Donnerstag gefällt werden.

St. Georg. Kurz bevor es losgeht, ist Fabiola plötzlich allein. Sie lacht nicht, läuft nicht herum, steht nur da. Mit ernstem Gesicht. Die ganze Anspannung spiegelt sich darin, die Aufregung, die Angst. Es ist, als sei alles um sie herum stehen geblieben. Dann ist der Moment vorbei. Die Sambatrommeln schlagen den Takt, die Menschenmenge setzt sich in Bewegung. Fabiola bahnt sich den Weg nach vorn. "Familie Cruz muss bleiben" steht auf dem Transparent an der Spitze des Zuges. Sie ist gemeint.

Knapp 1000 Menschen haben sich gestern Nachmittag vor dem Hauptbahnhof versammelt, um für ein Bleiberecht für Fabiola, ihre Mutter und die beiden Schwestern Andrea und Maria zu demonstrieren. Es sind ihre Freunde, Mitschüler, Lehrer, Eltern, auch Pfadfinder in blauen Hemden. Es ist laut, Entschlossenheit liegt in der Luft. Einige halten bunte Pappschilder in die Luft: "Kein Mensch ist illegal" steht darauf. Der Familie aus Honduras droht die Abschiebung, weil sie ohne die nötigen Aufenthaltspapiere in Deutschland gelebt hatte. Ihre letzte Chance, hier bleiben zu dürfen, ist die Härtefallkommission. Der Beschluss muss einstimmig fallen.

Gabriela Cruz hatte Honduras im März 2006 verlassen, war mit ihren kleinen Töchtern nach Hamburg gekommen. Sie sagt, dass sie ihnen ein Leben in Sicherheit ermöglichen wollte. Ohne die Gewalt in ihrer Heimat, ein Chance auf Bildung. Jetzt kann sie die Tränen kaum zurückhalten. Alle drei Mädchen sind gute Schülerinnen. Fabiola steht kurz vor dem Abitur, die 13-jährige Andrea und die zwölfjährige Maria engagieren sich bei den Pfadfindern. Sie haben viele Freunde, sind bestens integriert. Dass die Ausländerbehörde den Antrag der Familie auf eine Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt hat, löste eine Welle der Solidarität aus.

"Es war eine Bewegung aus den Klassen der Mädchen, die dann übergegangen ist auf die Schulen und viele mehr", sagt Marianne Kerkmann, Fabiolas Lehrerin an der Max-Brauer-Schule. "Wir stehen alle hinter der Familie", sagt auch Miguel Varas, Lehrer an der Stadtteilschule Winterhude. Unter anderem haben die Schüler mehr als 11 000 Unterschriften gesammelt, die sie vor Beginn der Demonstration an die Mitglieder des Eingabenausschusses übergaben. In der letzten Woche gab es eine Lichteraktion auf der Alster und ein Benefizkonzert. "Es ist so eine Ungerechtigkeit, dass die Familie abgeschoben werden soll. Ich will Fabiola nicht verlieren", sagt Mitschülerin Ella.

Der Fall erinnert an den der Einser-Abiturientin Kate Amayo, deren drohende Abschiebung 2010 eine Debatte über das Bleiberecht von gut integrierten Jugendlichen ausgelöst hatte. Kate konnte schließlich dank einer positiven Entscheidung der Härtefallkommission in Deutschland bleiben. Sie studiert jetzt Medizin in Kiel.

Auch wenn das Aufenthaltsrecht für junge Zuwanderer inzwischen vereinfacht wurde, gibt es immer wieder dramatische Fälle wie den von Fabiola und ihrer Familie. Auch die 17-jährige Melania Sarkissian bangt um ihre Zukunft. Ihre Situation ist noch komplizierter. Weil die Familie Anfang 2012 vorschnell einen Asylantrag gestellt hatte, ist Hamburg nicht mehr für sie zuständig. Derzeit wird nach einer politischen Lösung gesucht.

Wie es für die Familie Cruz weitergeht, entscheidet sich am Donnerstag in der Härtefallkommission. "Wir sind gekommen, um zu zeigen, dass wir zusammengehören", sagt Johanna Griffel, Leiterin des Pfadfinder- und Pfadfinderinnenbundes Nord. "Egal, woher man kommt." Die Pfadfinder werden noch singen, eine Schüler-Bigband spielen. "Maria ist eine gute Freundin, wir haben sie lieb", sagt Sechstklässlerin Mariam. "Wir lassen sie nicht los." Gerade hat die Ausländerbehörde die Duldung für Fabiola und ihre Familie noch einmal verlängert. Bis März. "Ich warte, ich zittere vor der Entscheidung", sagt die 18-Jährige. Hat sie Hoffnung? "Eigentlich kann ich es gar nicht mehr hoffen", sagt sie, "weil ich so große Angst habe, in ein tiefes Loch zu fallen."