Aurubis-Chef Peter Willbrandt im Abendblatt-Interview über Fehler bei der Energiewende, Konkurrenz aus China und seinen Gartenteich.

Hamburg. Deutschlands Industriebetriebe fürchten finanzielle Belastungen im Zuge der Energiewende. Noch gibt es großzügige Ausnahmeregelungen für viele Betriebe. Doch die Bundesregierung denkt über Änderungen nach, die für die Industrie teuer werden könnten. Das Abendblatt traf Peter Willbrandt, den Chef eines der größten industriellen Stromverbrauchers Hamburgs, der Kupferhütte Aurubis, zum Interview. Der 50-Jährige sprach über seine eigene Stromrechnung, die Energiewende, den Sinn der Ausnahmen und mögliche Folgen neuer gesetzlicher Regelungen.

Hamburger Abendblatt: Herr Willbrandt, wie viele Kilowattstunden Strom verbrauchen Sie und Ihre Familie im Jahr privat?

Peter Willbrandt: Früher waren es rund 3600 Kilowattstunden. Mittlerweile verbraucht mein Schwimmteich im Garten so viel Strom, dass ich auf rund 5000 Kilowattstunden komme.

Ärgern auch Sie sich über die stetig steigenden Strompreise?

Willbrandt: Selbstverständlich ärgere ich mich darüber. Vor allem weil ich der Meinung bin, dass zumindest Teile der Preissteigerungen gar nicht notwendig sind. Hätte die Politik einen durchdachten Plan zur Umsetzung der Energiewende, müssten die Verbraucher heute nicht über Sonderabgaben dafür bezahlen, dass Windräder auf hoher See stehen, aber nicht ans Stromnetz angeschlossen werden. Das Ganze erinnert mich ein wenig an die Elbphilharmonie - obwohl ich ein ausgesprochener Fan dieses Baus bin und glaube, dass er für Hamburg wichtig ist.

Haben Sie privat schon mal den Stromanbieter gewechselt, um Geld zu sparen?

Willbrandt: Nein, ich bin weiterhin bei meinem regionalen Versorger.

Aber Sie kennen die Vergleichsportale für Strompreise im Internet?

Willbrandt: Ja. Doch die Ersparnisse gegenüber meinem Versorger sind doch recht gering.

Achten Sie beim Kauf von Elektrogeräten auf den Stromverbrauch?

Willbrandt: Klar spielt das für mich eine Rolle, wenn ich eine neue Waschmaschine oder einen Kühlschrank kaufe.

Sie leiten mit Aurubis einen der größten industriellen Stromverbraucher der Stadt. Wie viele Kilowattstunden benötigt die Kupferhütte im Jahr?

Willbrandt: Im Konzern verbrauchen wir bundesweit eine Milliarde Kilowattstunden. In Hamburg sind es jährlich zwischen 600 und 650 Millionen Kilowattstunden, also fast so viel wie 200 000 Haushalte verbrauchen, wobei wir rund 30 Prozent allein für unsere Umweltschutzanlagen benötigen. Hinsichtlich Energieeffizienz stehen wir weltweit an der Spitze der Kupferhütten und befinden uns an der Grenze des technologisch Machbaren.

Wie hoch sind die Kosten, die bei Aurubis nur für Strom anfallen?

Willbrandt: In Deutschland zahlen wir im Jahr rund 60 Millionen Euro.

Derzeit diskutiert die Politik über eine Neuregelung des sogenannten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Hier gibt es bereits großzügige Ausnahmen für die Industrie, die 2013 sogar noch ausgeweitet werden sollen. Aurubis zählt zu den Profiteuren. Zu Recht?

Willbrandt: Schon der Begriff Profiteur hat für mich einen einseitigen Zungenschlag. Wir sind von den EEG-Gebühren zur Förderung regenerativer Energien weitgehend befreit, haben 2011 aber dennoch vier Millionen Euro EEG-Abgaben an den Fiskus überwiesen. Letztlich handelt es sich um politisch motivierte Zusatzkosten. Belastet man uns mit einer solchen Abgabe, die es in anderen Ländern nicht gibt, schwindet unsere Wettbewerbsfähigkeit. Das können wir uns nicht leisten. Und wir können die Zusatzkosten nicht an die Kunden weitergeben, weil der Kupferpreis weltweit an der Börse festgelegt wird.

Netzentgelte muss Aurubis ebenfalls nicht bezahlen. Der private Kunde wird dagegen kräftig zur Kasse gebeten. Wie begründen Sie das?

Willbrandt: Die Politik hat uns von der Abgabe nicht zuletzt deshalb befreit, weil wir als Industriekunde, der kontinuierlich hohe Mengen Strom abnimmt, das Netz stabilisieren.

Mal ganz praktisch. Auf einen Mehrpersonenhaushalt, der 3500 Kilowattstunden im Jahr verbraucht, kommen 2013 insgesamt rund 100 Euro Mehrkosten für Strom zu, vor allem durch EEG-Umlage und Netzentgelte. Gleichzeitig bekommt die Industrie Ausnahmen über Ausnahmen. Ist das noch gerecht?

Willbrandt: Ich glaube, dass hier bewusst Bürger und Industrie gegeneinander ausgespielt werden - die Diskussion ist für mich reine Polemik. Noch mal: Die Zusatzkosten für den privaten Stromkunden, die heute schon rund die Hälfte des Strompreises ausmachen, sind politisch motiviert, die Industrie hat sie nicht zu verantworten. Die Industrie ist ein wichtiger Teil dieser Gesellschaft, ein großer Arbeitgeber in diesem Land. Und sie hat Deutschland geholfen, schnell und relativ unbeschadet aus der letzten Krise zu kommen. Allein in diesem Jahr trägt die Industrie 26 Prozent zur Bruttowertschöpfung bei. Andere Staaten wären froh über eine derart starke Industrie. Von der EEG-Umlage im kommenden Jahr ist übrigens nicht einmal ein Fünftel für die Entlastung der Industrie - Kostentreiber ist vielmehr der starke Ausbau der erneuerbaren Energien.

Was passiert, wenn Aurubis keine Ausnahmen mehr gewährt würden? Wäre dadurch dann der Standort in Hamburg in Gefahr?

Willbrandt: Wir stehen in einem harten Konkurrenzkampf mit China, Indien oder auch den USA. Als Unternehmen müssen wir sehr genau überlegen, in welchem Land es sich für uns lohnt zu investieren. Ein Wegfall der Ausnahmen würde uns die Arbeit in Hamburg sicherlich nicht erleichtern.

Wie hoch wären die Zusatzkosten für Aurubis, wenn es keine Ausnahmen gäbe?

Willbrandt: Die EEG-Umlage würde uns mit gut 50 Millionen Euro belasten, die Netzentgelte dürften dann zusätzlich mit acht bis zehn Millionen Euro zu Buche schlagen.

Das sind 60 Millionen Euro Mehrkosten. Bei einem Gewinn von geschätzt 300 Millionen Euro im Jahr wäre dies doch verkraftbar, oder?

Willbrandt: Das sind 60 Millionen Euro, die nur aus der erhöhten EEG-Umlage und den Netzentgelten resultieren würden. Es drohen weitere Belastungen aus den CO2-Zertifikaten, Ökosteuer, Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und so weiter, sodass die Gesamtbelastungen noch weitaus höher liegen würden. Zurzeit haben wir eine sehr gute Geschäftsentwicklung. Doch mit Blick auf die Kosten müssen wir immer an die Zukunft denken. Kupfer ist ein zyklisches Geschäft, wir hängen sehr stark an der weltweiten Konjunktur. Zudem investieren wir derzeit kräftig in Deutschland, vor allem in Hamburg, und zahlen unseren Beschäftigten Spitzenlöhne. Damit dies so bleibt, müssen wir streng auf die Kostenseite schauen. Ohnehin sind die Strompreise für die Industrie in Deutschland, auch ohne Sonderabgaben, im internationalen Vergleich mit am höchsten.

Muss Hamburg sich Sorgen machen, dass Aurubis den Standort auf der Peute schließt?

Willbrandt: Wir fühlen uns wohl in Hamburg. Aber die Politik muss dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen für die Industrie so sind, dass auch ein Unternehmen wie Aurubis mit seinem Hamburger Standort international weiter wettbewerbsfähig bleibt. Deshalb baue ich auch darauf, dass die Bundesregierung in den kommenden Monaten nicht Entscheidungen zu den EEG-Abgaben und Netzentgelten trifft, die unsere Konkurrenzsituation verschlechtern.