Ernste Lage: Verband fordert Unterstützung von der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Banken steigen aus Finanzierung aus.

Hamburg. Noch vor seiner Abreise in die Hauptstadt hatte Michael Behrendt gestern eine Journalistenrunde geladen. Den Pressevertretern machte der Präsident des Verbandes Deutscher Reeder (VDR) klar, für wie ernst er die Lage der rund 400 deutschen Reedereien derzeit hält. "Wir werden in Berlin die zum Teil existenzbedrohende Lage thematisieren, in welche die überwiegend mittelständischen Schifffahrtsfirmen durch die gleichzeitige Markt- und Bankenkrise geraten sind", sagte Behrendt. Dann ging es zum Gipfeltreffen zur Schiffsfinanzierung, zu dem der maritime Koordinator der Bundesregierung, Hans-Joachim Otto (FDP), auch Politiker, Vertreter von Banken und weitere Branchenverbänden erwartete.

Die Krise der Schifffahrt ist für Behrendt, der auch Chef von Hamburgs Traditionsreederei Hapag-Lloyd ist, nicht hausgemacht. Vielmehr seien die Bestellungen, die bis 2008 bei den Werften platziert wurden, an die guten Prognosen von Analysehäusern geknüpft gewesen. "Wir haben dabei auf ein anhaltendes Wachstum vertraut", sagte er. Doch die dann fertiggestellten Neubauten führten im Abschwung rasch zu Überkapazitäten und ließen die Charterraten einbrechen. So erhält heute eine mittelständische Reederei, die einen Frachter mit 1100 Plätzen für Standardcontainer (TEU) an eine Linienreederei vermietet, pro Tag noch 5800 Dollar statt 13 200 Dollar zu Zeiten des Booms. "Keineswegs auskömmlich", nennt das Behrendt. Wenn Reedereien jedoch weder Zins noch Tilgung zahlen können, droht ihnen die Zwangsversteigerung. Denn die Banken, selbst wirtschaftlich unter Druck, wollen kaum mehr helfen.

+++ Reeder wollen staatliche KfW-Bank ins Boot holen +++

Das soll jetzt die staatliche KfW-Bank tun. Sie soll für leistungsstarke Unternehmen, die "unverschuldet in Bedrängnis geraten sind", Kredite bereitstellen oder in bestehende Verträge eintreten. So ließe sich das Risiko für Geschäftsbanken vermindern. Dies soll aber, so Behrendt, allenfalls für zwei bis drei Jahre notwendig sein, weil sich dann Angebot und Nachfrage nach Schiffstonnage wieder angleichen würden. Derzeit sei die Lage kritisch: Mehrere Hundert Frachter der 3800 international eingesetzten Schiffe hätten finanzielle Schwierigkeiten. "Wir wollen daher einen klaren politischen Auftrag für die KfW erreichen", sagte VDR-Hauptgeschäftsführer Ralf Nagel.

Den Ruf nach staatlicher Hilfe begründet der VDR mit der "Systemrelevanz" der Schifffahrt für die Exportnation Deutschland. Die Reedereien stünden dabei im Mittelpunkt der Wertschöpfung der maritimen Branche, die mit 400 000 Beschäftigten jährlich 80 bis 90 Milliarden Euro Umsatz erzielt.

Viele Alternativen zur Hilfe durch die KfW gibt es ohnehin nicht. Ob asiatische Banken nun stärker in die Schiffsfinanzierung einsteigen, ist offen. Auch das dürfte Arbeitsplätze kosten. Zudem befürchten Zulieferfirmen, dass bei Neubauten dann statt deutscher Komponenten Ausrüstungsteile aus Asien vorgeschrieben würden. "In jedem Fall", so Behrendt gestern, "hätten solche Institute allenfalls Interesse an Großkrediten, nicht an der Finanzierung von Mittelständlern."

Klar ist: Der Markt der Schiffsfinanzierung befindet sich derzeit in einem dramatischen Umbruch. So hatten die 40 führenden Anbieter noch zu Jahresbeginn nach Angaben des auf diese Branche spezialisierten griechischen Analysehauses Petrofin Kredite von umgerechnet knapp 370 Milliarden Euro in den Büchern. Doch weiteres Finanzierungspotenzial sehen die Experten nur bei einem Teil dieser Banken mit einem Schiffskreditportfolio von weniger als 170 Milliarden Euro. Besonders deutlich wird der drastische Wandel bei zwei deutschen Anbietern in der Spitzengruppe des Marktes: Die HSH Nordbank war jahrelang die weltweite Nummer eins mit einem Kreditvolumen oberhalb von 30 Milliarden Euro. Doch aufgrund von EU-Auflagen muss das Portfolio bis 2014 auf 15 Milliarden Euro in der Kernbank schrumpfen, zuletzt waren es dort noch 18 Milliarden Euro. Hinzu kommen Marktschätzungen zufolge 14 Milliarden Euro in der Abbaubank, in der Geschäfte gebündelt sind, die nicht fortgeführt werden.

Weltweit drittgrößter Anbieter hinter der norwegischen DnB NOR ist die Commerzbank mit einem Kreditportfolio von zuletzt 20 Milliarden Euro - doch sie beschloss Ende Juni, aus diesem von Hamburg aus geleiteten Geschäft komplett auszusteigen.

Etliche weitere europäische Anbieter reduzieren ihr Engagement. Dafür gibt es nach Einschätzung von Christian Hamann, Bankenanalyst bei der Haspa, mehrere Gründe: "Gemäß dem neuen Regulierungspaket Basel III müssen Schiffskredite von den Banken künftig mit mehr Eigenkapital als bisher unterlegt werden, weil dies ein schwankungsanfälliger Kundenkreis ist." Außerdem würden Schiffskredite meist in Dollar ausgelegt, daher müssten sich Banken aus dem Euro-Raum zur Absicherung des Währungsrisikos Refinanzierungsmittel in Dollar verschaffen. Dies sei durch die Finanzkrise aber teurer geworden.

Allerdings gibt es auch Banken, die sich trotz des schwierigen Umfelds nicht aus dem maritimen Sektor zurückziehen. Das gilt etwa für die Nord/LB, die hier ein Portfolio von 19,5 Milliarden Euro besitzt. Die Schiffsfinanzierung werde auch künftig ein Kerngeschäftsfeld bleiben, sagte Vorstandschef Gunter Dunkel. Neugeschäft will aber auch er nur "sehr selektiv" abschließen. Die Schiffsfinanzierungssparte der Deutschen Bank mit einem Kreditvolumen von sechs Milliarden Euro hat im Frühjahr versichert, auch 2012 ein "verlässlicher Partner des maritimen Mittelstands" zu bleiben. 2011 hatte sie ihre Kreditzusagen sogar um ein Drittel gesteigert. Für die Reeder soll es nun dennoch der Staat in Form der KfW richten.