Neue Sünden

"Wie eine Stadt ihre Geschichte wegsaniert", Hamburger Abendblatt, 25. August

Vielen Dank für den informativen Artikel. Spannend geschrieben und gut recherchiert. Fassungslos macht allein die Tatsache, dass die Bausünden heute noch weitergehen. Die Initiative "Komm in die Gänge" macht darauf aufmerksam und kann hoffentlich den 80-prozentigen Abriss verhindern. Perfide ist jedoch, dass das an derselben Straße stehende Unileverhaus als Bausünde der Vergangenheit (1964) abgebildet ist, ohne über die Sünde zu schreiben, die heute aktuell dort passiert. Das Unileverhaus wird von den neuen Besitzern um zwei Stockwerke aufgestockt, um mehr Bürofläche zu haben, obwohl es schon 25 Stockwerke hoch ist.

Das ist absurd, denn die Hamburger Neustadt hat mehr leer stehende Büros als je zuvor. Aber absurder ist, dass direkt neben diesem schrecklich hässlichen Hochhaus noch ein genauso fürchterliches Gebäude im Bau ist. Die neobarocke Musikhalle (Laeiszhalle) ist dann für alle, die aus der Innenstadt zu Fuß oder mit der Bahn kommen, hinter diesen Glaskästen verschwunden. Wer erlaubt so etwas?

Karin Wilsdorf, Hamburg

Die Schuldigen

Hut ab für diesen Artikel. Der Verfasser spricht mir aus dem Herzen. Hamburg hat unglaublich viel an wertvollster Bausubstanz durch die Zerstörung im Krieg verloren. Was aber danach geschah, spottet jeder Vorstellung. Wenn ich dann noch erfahre, dass das Unileverhaus auch noch unter Denkmalschutz steht, zweifle ich ernsthaft an den Verantwortlichen in der Stadtplanung. Wenn ich dann noch erfahre, dass das neue Hotel neben der Rentzelbrücke von einem "anerkannten Stararchitekten" entworfen wurde, bleibt mir die Spucke weg. Aber: Schuldig sind nicht die Architekten, die Schuldigen sind die Erlaubnisgeber in den Baubehörden.

Kai Krüger, per E-Mail

Ohne Rücksicht

Danke für Ihren Artikel, der das Bauwesen dieser Stadt wahrheitsgemäß beschreibt und dokumentiert. Ihr Artikel trifft genau den Geist dieser Stadt. Nicht den Hanseaten fehlt das Geschichtsbewusstsein, es ist die Gruppe der Machthabenden und derer, die vom Abriss und Neubau profitieren, die ohne Rücksicht auf die Bevölkerung und gegen deren Willen der Stadt ihr Gesicht nehmen und sie zu einer beliebigen geschichtslosen Großstadt machen. Es geht nicht um Kontinuität und langfristigen Nutzen, sondern um schnellen Profit. Neben historisch schönen Ensembles wie in der Neustadt an der Peterstraße stehen jetzt gewaltige disproportionale Hotelkomplexe, sodass die alten architektonischen Schönheiten dahinter verschwinden und ihre Wirkung auf das Flair der Stadt verlieren. Über das Zusammenspiel von Architektur und ihrer Wirkung auf die Gesellschaft scheinen sich die einflussreichen Planer dieser Stadt keine Gedanken zu machen. Die Bürger haben kaum Einfluss. Sie können Entwicklungen kurzfristig verzögern oder bekommen kleine Zugeständnisse zugesprochen, aber das Wesentliche läuft ohne sie ab.

Charlotte Lee, per E-Mail

Aufrütteln

Endlich, endlich, wenn auch viel zu spät, wird einmal in größerem Umfang Ihren Lesern vor Augen geführt, wie rüde die Verantwortlichen schon seit Jahrzehnten ihre einst so schöne Stadt zerstören. Vielleicht rüttelt Ihr Artikel auch die vielen Gleichgültigen auf. Private Initiativen, die wiederholt versuchten, sich Gehör zu verschaffen, konnten nichts ausrichten. Ich bezweifle allerdings, genau wie Sie, dass sich etwas ändern wird. Mir reicht auch nicht, dass man ab und zu eine Fassade, z. B. Hotel Prem, ehemals Gewerkschaftshaus etc., erhält, wenn dann die inneren, ebenfalls baugeschichtlich erhaltenswerten Strukturen radikal verändert werden oder, wie neuerdings häufiger zu sehen, unsensible Glasgeschosse den historischen Bauten aufgestülpt werden. Die neuen Bundesländer haben in kürzester Zeit begriffen, welches Potenzial für die Zukunft in der Herrichtung ihrer verloren geglaubten Geschichte steckt. Das bei uns immer wieder aufgeführte Argument, dass Restaurierungen zu teuer und daher der Abriss zwingend ist, scheint dort nicht zu greifen.

Renate Wobbe, Aumühle

Wie Dortmund 1970

Als oller Berliner, der schon Jahrzehnte in dieser Region lebt, ärgere ich mich durchaus so manches Mal über die eine oder andere Hamburger Marotte, so z. B. über den Straßenbahn-Tick oder die Rotklinkermanie einiger Leute. Ich glaube aber, dass der Autor mit seinem aufrüttelnden Artikel doch nicht ganz gerecht mit den Hamburgern umgeht. Natürlich ist es gewiss ein Versäumnis der Planer, wenn alter Baubestand verloren geht. Natürlich sind Fassaden, die alles wie Dortmund um 1970 aussehen lassen, ärgerlich. Fest steht doch aber, dass sich die Hamburger Planer im Kernbereich der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg große Mühe gegeben haben, eine historisierende Bebauung mit Erinnerungspotenzial an einstige Hanseatenzeiten durchzusetzen. Trotz einiger Verluste ist die Wiederbebauung um die Binnenalster herum zumindest in Europa einzigartig schön. Als weitestgehend schön empfinde ich auch die Innenstadt im weiteren Umkreis der Binnenalster.

Bernd Wenzel, Buchholz

Quell der Kreativität

Zitat des Tages, Hamburger Abendblatt, 31. August

"Wir haben nicht nur eine Finanzkrise, wir haben hier in Hamburg eine Kulturkrise." (Florian Tampe, Protestinitiative): Da kann ich Herrn Tampe nur zustimmen. Seit Jahren hatte ich immer wieder die Gelegenheit, Veranstaltungen der Künstlergruppe "Komm in die Gänge" zu besuchen - zu meiner Erbauung und Inspiration - Kostenpunkt: kostenlos bis äußerst erschwinglich. Hier sprudelt ein wahrer Quell von Engagement und Kreativität. Wo findet man so etwas noch in der massen- und kommerzorientierten Kulturlandschaft Hamburgs? Es geht doch nicht nur um den Erhalt der historisch wertvollen baulichen Substanz des Gängeviertels, sondern auch um das Wahren und Schaffen vielfältiger Kulturangebote in dieser Stadt.

Susanne Siebuhr, per E-Mail

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