Betriebsräte rechnen mit dem Abbau Hunderter Stellen. Das einst gute Verhältnis zu dem neuen Eigentümer Nicolas Berggruen ist dahin.

Essen/Hamburg. Karstadt-Chef Andrew Jennings hatte gestern einen schweren Stand. Hunderte von Mitarbeitern drängten sich am Vormittag im Eingangsbereich der Essener Zentrale und verfolgten angespannt die Rede des hochgewachsenen Briten. "Wir machen das nicht, weil wir es wollen", sagte Jennings. "Aber aus geschäftlicher Sicht haben wir keine andere Wahl." Gemeinsam, so der Manager, "können wir das Unternehmen nach vorne bringen".

Doch die Gemeinsamkeit zwischen der Führungsspitze der größten deutschen Warenhauskette und den Beschäftigten ist dahin. Rund 2000 der insgesamt 25 000 Stellen in der Warenhauskette will Jennings bis Ende 2014 abbauen. Sozialverträglich soll dies geschehen, mit Frühpensionierungen, der Nichtverlängerung von befristeten Verträgen und freiwilligen Austritten. Betriebsbedingte Kündigungen sind allerdings nicht ausgeschlossen.

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In Hamburg wird es nach Einschätzung des Betriebsrats ebenfalls zu tiefen Einschnitten kommen. "Ich gehe davon aus, dass in der Hansestadt mehrere Hundert der insgesamt 2000 Arbeitsplätze bedroht sind", sagte der Betriebsratsvorsitzende von Karstadt in Wandsbek, Jürgen Gehring, der auch im Gesamtbetriebsrat des Konzerns sitzt, dem Abendblatt.

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Bereits in den kommenden Monaten werden in den Häusern in Wandsbek und an der Mönckebergstraße rund 60 Arbeitsplätze wegfallen, weil die Multimediaabteilungen in beiden Filialen geschlossen werden. Zudem wird an der Mönckebergstraße auch das Gardinenatelier dichtgemacht. "Diese Schließungen sind in die 2000 Stellen, die nun wegfallen sollen, noch gar nicht eingerechnet", sagt Gehring.

Bundesweit sollen nach Abendblatt-Informationen vor allem die Führungsebenen der Filialen verkleinert werden. So stehen 200 Abteilungsleiterposten und damit jede fünfte Stelle auf dieser Managementebene zur Disposition. In der Hauptverwaltung in Essen werden 2013 rund 80 Stellen, 2014 rund 100 Stellen und 2015 nochmals 100 Stellen wegfallen.

Karstadt-Chef Jennings begründete den Stellenabbau gestern unter anderem mit "komplexen und ineffektiven Altstrukturen", aber auch mit dem "wirtschaftlich schwierigen Umfeld der Euro-Krise". Daneben kommt mit dem Auslaufen des Sanierungstarifvertrags auch ein erheblicher, zusätzlicher Kostenblock auf die Warenhauskette zu. Von September an stehen den Beschäftigten nämlich wieder ihre vollen tariflichen Sonderleistungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu, was laut Jennings einer permanenten Lohnerhöhung von acht Prozent für jeden einzelnen Mitarbeiter gleichkommt. Die Beschäftigten hatten im Rahmen der Rettung des einst insolventen Konzerns auf diese Leistungen verzichtet.

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Wie es derzeit genau um Karstadt steht, ist schwer abzuschätzen, da sich der Konzernchef seit seinem Amtsantritt strikt weigert, Umsatz- oder Ergebniszahlen offenzulegen. Man habe "sehr gute Fortschritte" gemacht und sei "auf dem richtigen Weg", ließ Jennings nun in einem Interview mit der "FAZ" verlauten. 24 Filialen seien modernisiert worden, bis Jahresende sollten es 30 sein. Alle Häuser lieferten einen "positiven Ergebnisbeitrag". Aus diesem Grund gebe es derzeit keinerlei Pläne, sich von einzelnen Filialen zu trennen.

Klar ist aber auch, dass der zu kühle Sommer und die Euro-Krise der Warenhauskette mächtig zugesetzt und ihr insbesondere das Geschäft mit Textilien mächtig verhagelt haben. Die Umsätze sollen insgesamt deutlich unter Vorjahresniveau liegen.

Aus der Sicht des Wandsbeker Betriebsratsvorsitzenden Jürgen Gehring ist diese Entwicklung aber nicht schicksalhaft, sondern Ergebnis einer verfehlten Strategie. "Die Konzernleitung konzentriert sich mittlerweile viel zu stark auf den Modebereich und vernachlässigt dabei andere Sortimente wie Haushaltswaren oder Einrichtungsgegenstände." Auch die generelle Abkehr von Multimedia- und Unterhaltungselektronik hält Gehring für verfehlt. "In Wandsbek ist diese Abteilung ein wichtiger Frequenzbringer."

Deutlich abgekühlt hat sich in der Belegschaft auch die Begeisterung für den Karstadt-Eigentümer Nicolas Berggruen. Der deutsch-amerikanische Milliardär und Kunstsammler hatte sich vor zwei Jahren noch als Retter des Unternehmens feiern lassen. Mittlerweile sei die Euphorie aber einer großen Ernüchterung gewichen, so Gehring.

Auch die Gewerkschaft Ver.di übte gestern deutliche Kritik am Karstadt-Eigentümer. "Es wird Zeit für Nicolas Berggruen, seine Versprechen einzuhalten", sagte der zuständige Hamburger Fachsekretär Arno Peukes. Von den 65 Millionen Euro, die der Milliardär in die Kette habe stecken wollen, sei bisher nichts geflossen. "Stattdessen sollen nun schon wieder die Beschäftigten zur Kasse gebeten werden." Dabei seien sie die Einzigen, die durch ihren Lohnverzicht in den vergangenen Jahren in das Unternehmen investiert hätten.

Den geplanten Personalabbau hält Ver.di für den völlig falschen Weg, um das Unternehmen wieder auf Erfolgskurs zu bringen. "Wer Ware verkaufen will, braucht dafür auch Menschen, die dies tun können. Deswegen kann eine erfolgreiche Neuausrichtung nur mit dem Personal und nicht ohne die Beschäftigten gelingen", sagt Peukes.