Schlusspunkt unter der Schulreform: Das Hamburgische Verfassungsgericht weist die Beschwerde gegen die Abstimmung zurück.

Hamburg. Im Prinzip ist diese Geschichte in drei Sätzen zu erzählen: Der Volksentscheid über die Schulreform , der 2010 das Aus für die sechsjährige Primarschule bedeutet hatte, bleibt gültig. Das Hamburgische Verfassungsgericht hat den Antrag dreier Bürger, das Referendum für rechtswidrig und daher ungültig zu erklären, gestern abgelehnt. Das Urteil ist nicht mehr anfechtbar.

Doch obwohl sich an der Schulpolitik vorerst also nichts ändert, wird dieses rund 50-seitige Urteil Hamburg noch oft beschäftigen. Denn die neun Richterinnen und Richter unter Vorsitz von Gerichtspräsident Gerd Harder haben sich sehr grundsätzlich mit der Volksgesetzgebung beschäftigt und etliche klärende Worte gesprochen, aber auch neue Diskussionen eröffnet.

Zunächst zur Schulreform: Seit Mai 2008 war die Volksinitiative "Wir wollen lernen" gegen den Plan des schwarz-grünen Senats zu Felde gezogen, die Grundschulzeit auf sechs Jahre zu verlängern. Auch ein im März 2010 von der Bürgerschaft beschlossenes Entgegenkommen ("Schulfrieden") hielt sie nicht davon ab, im Juli 2010 einen Volksentscheid zu initiieren, den sie klar gewann. Im Anschluss wurde das Schulgesetz in ihrem Sinne geändert.

+++ Alle Macht geht vom Volke aus +++

+++ Dossier zur Schulreform +++

Der Stimmzettel zum Volksentscheid hatte eine Kuriosität: Die Bürger stimmten nicht nur über den Vorstoß der Initiative ab, sondern auch über einen Vorschlag der Bürgerschaft, der auf dem "Schulfrieden" basierte. Das führte dazu, dass theoretisch bei zwei inhaltlich gegensätzlichen Vorlagen ein "Ja" oder bei beiden ein "Nein" angekreuzt werden konnte - und das war einer von mehreren Gründen für die Anfechtung des Volksentscheids. Während das Urteil insgesamt einstimmig erging, gab es in dieser Frage nur eine hauchdünne 5:4-Mehrheit. Aus Sicht der Richter mit abweichender Meinung hätten doppelte Ja-Stimmen für zwei sich widersprechende Vorlagen nicht als gültig gewertet werden dürfen, weil das Abstimmungsverhalten unschlüssig sei.

An diesem Punkt wurde das Gericht sehr grundsätzlich. Es stellte zwar klar, dass auch Volksentscheide gerichtlich überprüfbar sind, weshalb der Antrag der drei Bürger statthaft war. Allerdings könne das Verfassungsgericht nur das Ergebnis und das Verfahren zu einem Volksentscheid überprüfen - nicht die Vorgeschichte mit Volksinitiative und Volksbegehren und auch nicht den Gegenstand der Abstimmung. Mit anderen Worten: Auch scheinbar unsinnige oder zwei widersprüchliche Vorlagen dürfen zur Abstimmung gestellt werden. Eine Neuauszählung der Stimmzettel - wobei vermutlich ohnehin nur wenige Bürger mit zweimal Ja gestimmt haben - erübrige sich daher.

Insgesamt schloss das Verfassungsgericht neun Rügen der Antragsteller von der Prüfung aus, darunter auch eine ganz entscheidende: Die Frage, inwieweit das Ziel eines Volksentscheids in den Haushalt der Stadt eingreift. Sie wird die Hamburger vermutlich schon bald wieder beschäftigen, wenn es zu einem Volksentscheid über den vollständigen Rückkauf der Energienetze kommen sollte. Auf die juristische Prüfung der Frage, ob das Volk den Auftrag für eine Milliardeninvestition geben darf, hatte der schwarz-grüne Senat verzichtet. Und nach dem aktuellen Urteil ist dafür niemand mehr zuständig.