Freiberufliche Geburtshelferinnen legen im Oktober ihre Arbeit nieder, fordern höhere Honorare. Leidtragende sind auch die Mütter.

Hamburg. Hamburgs Hebammen begehren auf. Ihre Arbeitszeiten lassen sich nicht planen, sie müssen stark gestiegene Versicherungsprämien bezahlen und verdienen dabei nur wenig. Deshalb sehen sie keine Alternative, als ihre Arbeit niederzulegen, um für eine bessere Bezahlung zu kämpfen. Am 20. und 21. Oktober werden erstmals in Hamburg alle freien Hebammentätigkeiten bestreikt - mit Ausnahme der Geburtshilfe und des eingerichteten Notdienstes für werdende und junge Mütter.

Auch Dorothee Beltmann streikt. Die 37-Jährige ist seit 15 Jahren Hebamme und hat schon rund 500 Geburten begleitet. "Doch damit ist vorerst Schluss, denn eine Haftpflichtversicherung von rund 3700 Euro im Jahr kann ich mir nicht leisten", sagt Beltmann. Im Juli 2010 waren die Beiträge zur Berufshaftpflicht für Geburtshelferinnen um fast 60 Prozent angestiegen.

Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) begründet die erhöhten Prämien mit der gestiegenen Lebenserwartung und einer Zunahme der Schadensleistungen in den vergangenen zehn Jahren um durchschnittlich fast 15 Prozent. GDV-Sprecherin Katrin Rüter de Escobar: "Die Regressforderungen sind stark angestiegen. In einigen Schadensfällen geht es um Millionen, wenn eine Hebamme einen Fehler macht." Deren Entlohnung sei allerdings tatsächlich zu niedrig angesichts der wichtigen Arbeit.

Starthelferin

So viel verdient eine freiberufliche Geburtshelferin

Dorothee Weltmann verdient rund 1200 Euro netto im Monat. "Um meine Berufshaftpflichtversicherung finanzieren zu können, müsste ich im Monat acht Geburten betreuen, und dann kann ich meine Hebammen-Praxis mit Kursangebot dichtmachen."

Weltmann ist kein Einzelfall, vielen freiberuflichen Hebammen geht es ähnlich. Der Protest der Hebammen ist zugleich ein Appell an die Krankenkassen. Der Verband Hamburger Hebammen fordert eine Anhebung der Vergütung um 30 Prozent. "Hebammen tragen eine hohe Verantwortung, das muss sich endlich auch im Einkommen widerspiegeln", sagt Andrea Sturm, stellvertretende Vorsitzende des Verbandes. Es sei von einem Verhandlungsangebot der Krankenkassen auszugehen, das sich an einer Steigerung von 1,98 Prozent orientiere.

"Doch das reicht nicht aus, etwa bei den Gebühren für Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskurse würde das eine Erhöhung von 5,71 Euro auf 5,81 Euro pro Stunde ausmachen." Die Hebammen verhandeln voraussichtlich bis Mitte November mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), der 153 Krankenkassen vertritt. "Höhere Honorare für die freiberuflichen Hebammen könnten schnell Zusatzbeiträge bei einzelnen Krankenkassen nach sich ziehen, deshalb müssen wir das genau abwägen", sagt Ann Marini, Sprecherin des GKV-Spitzenverbandes. Der Verband begrüße eine durch das Bundesgesundheitsministerium finanzierte Studie, durch die die Lage der Hebammenversorgung und deren Einkommenssituation erfasst werden sollen. In den vergangenen Monaten haben die Hebammen bundesweit durch Protestaktionen auf ihre Arbeits- und Versicherungssituation aufmerksam gemacht und eine solche Umfrage gefordert. Bis Montag wurden die Hebammen befragt, bis Dezember werden die Angaben ausgewertet. Die Studie sei wichtig, damit es endlich eine einheitliche Datenbasis Anzahl und Einkommen der Hebammen gebe, so Marini. So sieht es auch Dorothee Beltmann, die an der Umfrage teilgenommen hat.

"Viele von uns Hebammen müssen einen Nebenjob annehmen, andere wenden sich sogar von Deutschland ab und gehen als Geburtshelferinnen nach Österreich oder in die Schweiz", sagt Weltmann. In Hamburg arbeiten Schätzungen des örtlichen Berufsverbandes zufolge etwa 550 Hebammen. Im Jahr 2010 brachten Hamburgerinnen 17 377 Kinder zur Welt. Eine Hebamme, die im Schichtdienst im Krankenhaus tätig ist, muss oft gleichzeitig mehrere Geburten betreuen.

Auch die Dienste der freiberuflichen Hebammen werden gebraucht. Ann-Sofie Rolner hält ihren elf Tage alten William im Arm. Für den Wochenbettbesuch bei der 22 Jahre alten Mutter bekommt Beltmann von der Krankenkasse pauschal 27 Euro, um alle Fragen rund um das Kind, die Mutter, den Neubeginn zu beantworten - inklusive Fahrtzeit der Hebamme. "Eine halbe Stunde wäre wirtschaftlich, aber allein das Stillen und Kinderwiegen zu erklären und die Fragen der Mutter zu beantworten, dauert länger", sagt Beltmann.

Auch Williams Mutter hatte viele Fragen. "Als wir aus dem Krankenhaus nach Hause kamen, hatte ich gar keine Ahnung", sagt Rolner. Dank Beltmann weiß sie nun, wie es geht. Die Hebamme sieht kurz zu, wie William trinkt, und verabschiedet sich dann leise. "Ich wünsche mir selbst ein Kind, aber das kann ich mir gerade einfach nicht leisten", sagt Beltmann und steigt in ihr Auto.