Hebammen protestieren u.a. gegen Erhöhung der Haftpflichtprämie. Jede fünfte Freiberuflerin in Schleswig-Holstein gibt Geburtshilfe auf.

Bad Oldesloe. Ihr monatelanger Protest gipfelt jetzt in einen Streik. Erstmals wollen die Hebammen in Schleswig-Holstein vorübergehend ihre Arbeit niederlegen. Vom 2. bis 5. Mai müssen Schwangere auf Vorsorgeuntersuchungen, Geburtsvorbereitung und Wochenbettbetreuung bei ihnen verzichten. Lediglich Notfälle und Spontangeburten sollen in dieser Zeit von den knapp 550 Geburtshelferinnen, darunter 150 Selbstständige, betreut werden. "Alle anderen fordern wir auf, bei Bedarf einen Arzt aufzusuchen oder sich ins Krankenhaus zu begeben", sagt Eva König von der Hebammenpraxis Bad Oldesloe, eine von rund 25 Freiberuflerinnen im Kreis Stormarn. Wichtig sei, dass die Betroffenen sich danach bei ihrer Krankenkasse beschwerten, ihnen habe keine Hebamme zur Verfügung gestanden, so König weiter.

Ziel des Streiks sei es, den Druck auf Krankenkassen und Politik zu erhöhen, um die schlechten Arbeitsbedingungen des Traditionsberufs zu ändern, sagt Margret Salzmann, Vorsitzende des Hebammenverbands Schleswig-Holstein, der die Interessen von 630 Mitgliedern vertritt und zum Streik aufruft. "Die drastische Erhöhung der Berufshaftpflichtprämie für Selbstständige im vergangenen Jahr und die Tatsache, dass es seit 2007, dem Beginn unserer Selbstverwaltung, keine Gebührenanhebung gegeben hat, verschärft unsere berufliche Situation enorm."

Mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 14 000 Euro muss eine freiberufliche Hebamme rund 3700 Euro Prämie zahlen. Seit 2007 hat sich der Versicherungsbeitrag damit mehr als verdreifacht. Der durchschnittliche Netto-Stundenlohn für eine Hausgeburt ist dadurch unter fünf Euro gesunken. Zudem entstünden in ländlichen Gebieten mit täglich bis zu 120 zurückgelegten Kilometern hohe Fahrtkosten, sagt Salzmann. Sie führten dazu, dass in einer Klinik angestellte Hebammen ihre freiberufliche Wochenbettbetreuung aufgäben.

Doch das Ausmaß der Folgen gestiegener Kosten ist noch weitaus größer. Laut Salzmann hat jede fünfte freiberufliche Hebamme in Schleswig-Holstein die Geburtshilfe inzwischen aufgegeben. Das sind deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt. Nach Angaben des Deutschen Hebammenverbands gaben seit Juli 2010 bundesweit 15 Prozent wegen zu hoher Kosten das Herzstück ihrer Arbeit auf. "In Stormarn trifft es vor allem den nordöstlichen Teil", sagt Salzmann. Darüber hinaus seien die Kreise Nordfriesland, Schleswig-Flensburg und Rendsburg-Eckernförde von der Entwicklung betroffen.

Der Deutsche Hebammenverband, der bundesweit 17 500 Mitglieder zählt, hatte bereits im vergangenen Jahr auf eine drohende Unterversorgung von Geburtshilfe in ländlichen Gebieten hingewiesen. "Die Frauen klagen, dass sie keine Hebammen mehr finden, die sie wohnortnah während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett betreuen", sagt Sprecherin Edith Wolber. Mit einer Unterschriftenaktion hatte der Verband im November 2010 eine flächendeckende Sicherstellung von Hebammen- und Geburtshilfe beim Bundesgesundheitsminister eingefordert. "Das Gesundheitsministerium hat daraufhin eine Studie zur bundesweiten Versorgung in Auftrag gegeben", sagt Wolber. Ergebnisse würden voraussichtlich in diesem Sommer vorliegen.

Angela Feldtmann und Cindy Huthmann haben ihre Entscheidung längst gefällt. Seit Jahresbeginn bieten die beiden Bargteheiderinnen keine Geburtshilfe mehr in der gemeinsamen Praxis an. "Ich verdiene keinen Cent mehr damit", sagt Feldtmann, die 2010 zusammen mit ihrer Kollegin noch 30 Praxis-, Haus- und Beleggeburten betreute. "Unsere Arbeitsbedingungen sorgen bei mir für absoluten Frust, ich fühle mich von Seiten der Politik und Krankenkassen mit Füßen getreten", sagt die seit 25 Jahren tätige Hebamme.

"Auch in den Kreißsälen beobachten wir eine enorme Schieflage", so Martina Klenk, Präsidentin des Deutschen Hebammenverbands. "Auf der einen Seite existiert eine Überversorgung gesunder Schwangerer im medizinisch-technischen Bereich, auf der anderen Seite fehlen Hebammen in den Kreißsälen und auf den Wochenstationen." Personalmangel und Arbeitsverdichtung führten zwangsweise zu Qualitätsverlusten in der Versorgung von Frauen und Neugeborenen, so Klenk.

Am 5. Mai ist Internationaler Hebammentag. Dann gehen Geburtshelferinnen aus ganz Schleswig-Holstein auf die Straße. In Kiel wollen sie gemeinsam mit Eltern und Kindern vor das Landeshaus ziehen, wo der Finanz- und Sozialausschuss tagt, und ihrer Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen Nachdruck verleihen. Auch in Bad Oldesloe machen die Frauen mobil. Mit einem Sternmarsch zum Marktplatz machen sie um 11 Uhr auf ihre Situation aufmerksam.