In Hamburg leben die zufriedensten Deutschen, sagt zumindest eine neue Studie. Doch was heißt das? Unser Reporter sah sich in der Stadt um.

Hamburg. Die Suche nach meinem persönlichen Glück in Hamburg begann auf dem Steindamm, doch es endete jäh vor einer heruntergelassenen Stahljalousie. Denn das chinesische "Restaurant zum Glück", Hausnummer 35, erste Etage, hatte geschlossen. "Ist schon drei, vier Monate dicht", sagte Herr Suleyman, der benachbarte türkische Gemüsehändler, und verzog dabei leicht angewidert sein Gesicht, "nicht gut, nix gut essen".

Zugegeben: Im ersten Anflug von beruflichem Enthusiasmus, der für den Reporter mit einem Auftrag der Redaktion selbstverständlich immer einhergeht, war die Aussicht auf eine süßsauer-scharfe Pekingsuppe, gefolgt von der Ente mit acht Kostbarkeiten und einer gebackenen Banane zum Dessert sehr verockend. Auf Spesen natürlich, hihi, denn eine chinesische Gastronomieweisheit, die noch aus der Zeit des Konfuzius stammt, besagt: "Den Glückskeks gibt's für den Gast erst dann, wenn er nicht mehr essen kann." Oder so ähnlich. Wahrscheinlich zum Glück ist dieser Kelch an mir vorübergegangen ...

+++ Hamburg ist die glücklichste Region in Deutschland +++

Überhaupt: Was würde mir ein Glückskeks mit der millionenfach gedruckten Botschaft in seinem Inneren schon mitteilen können? Denn Glücksgefühle sind immer anders, total verschieden, ganz individuell - und zumeist auch nicht nachvollziehbar. Ju-Sun Lee-Heck, 36 Jahre alt, eine in Deutschland geborene Koreanerin beispielsweise, erlebte am gestrigen Dienstag um 8.28 Uhr im Universitätsklinikum Eppendorf ihr totales Glück, als sich ihr Sohn Max Clemens, 3630 Gramm schwer und 54 Zentimeter lang, nach gut sechseinhalb Stunden dazu entschied, in die angeblich glücklichste Stadt Deutschlands einzureisen. "Manchmal habe ich zwischendrin gedacht: 'Mensch, das schaffst du nicht!'", erzählt Frau Lee-Heck mit (jetzt) fröhlicher Stimme, den kleinen Max Clemens an der Brust, "dabei habe ich ja schon eine 15 Monate alte Tochter, aber ich hatte vergessen, wie besch...en die Wehen sind. Doch als dann sein Köpfchen auftauchte, das ist ein Gefühl, ein Gefühl ... also einfach unbeschreiblich!"

Auch wenn Frau Lee-Heck und ich nur wenige Minuten miteinander telefonieren konnten, empfand ich ihr Glück einen längeren Moment "als ansteckend" (womit eine weitere Binsenweisheit einmal mehr bewiesen wurde). Jedenfalls für mich. Ansonsten könnte ich Ihnen jetzt eine ganze Reihe von Beispielen aufzählen, die mich ruckzuck glücklich machen (würden), in Hamburg, aber bestimmt auch sonst wo: eine freie Parklücke direkt vorm Kino, wenn die Werbung schon läuft; kein Regen zum Grillfest, Händchen halten mit meiner Freundin, ein Sieg des HSV, mit meinen erwachsenen Kindern zu schnacken, bezahlbare und schicke Schuhe in Größe 49 auf Anhieb zu finden ... All dies gern auch in umgekehrter Reihenfolge. Aber warum soll ich Sie hier mit meinen persönlichen Glücksmomenten langweilen? Sie empfinden und denken schließlich ganz anders. Ein Ergebnis der seriösen Glücksforschung lautet: die Lebensbedingungen sowie Faktoren wie Wohlstand, gesellschaftlicher Status, Geschlecht, Intelligenz oder Alter entscheiden nicht, jedenfalls nicht maßgeblich (!) über unser Glücklichsein. Viel wichtiger dagegen sei, ob wir in der Lage sind, uns an sich ändernde Lebensbedingungen - auch an Probleme - anzupassen. Ob wir glücklich oder unglücklich sind, darüber bestimmt, wie wir auf das Leben reagieren.

Eine extreme Form von Glück geht mit dem Glücksspiel einher. Und wo ich mich doch nun gerade am Steindamm befand, wollte ich mein Glück herausfordern und betrat in gespannter Erwartung das Automatenkasino der Hamburger Spielbank, vis-à-vis vom Hauptbahnhof, wo mehrere Dutzend einarmiger Banditen versuchen, sie ganz legal zu überfallen. Hier traf ich unter vielleicht 50 Gästen auf einen Mann in mittleren Jahren, der bereits seit 11 Uhr vormittags spielte und nach eigenen Angaben schon "mehrere Tausend Euro versenkt" hatte. Ich sah interessiert zu, wie er schweißnass und kettenrauchend den Spielautomaten mit 50-Euro-Scheinen fütterte und krampfhaft versuchte, keine Miene zu verziehen, wenn direkt neben ihm andere Spieler gewannen. Dann aber war sein Geldvorrat erschöpft, und es schien mir, als wachte der Mann aus einer Art Trance auf. Er ordnete seine Kleidung, wuselte sich durchs Haar und verließ dann mit gesenktem Kopf und schnellen Schrittes das Automatenkasino. "Ja, ja, so ist das manchmal mit dem Glück. Eine launische Diva", sagte Herr Kreutzer, der schon seit beinahe 15 Jahren als Saalaufsicht und Croupier arbeitet. Er habe mal in einer Spielerbiografie einen klugen Satz gelesen: "Am Anfang gewinnen Spieler immer. Aber genau das ist ihr Pech." Und der Mann da eben sei bestimmt so ein armes Schwein gewesen.

Wohl auch aus diesem Grund würde Britta Glück aus Stellingen niemals spielen. Nicht einmal Lotto. "Ich heiße ja schon so. Das habe ich mir schon lange abgeschminkt", sagt die 44 Jahre alte verheiratete Hausfrau und Mutter von zwei Kindern mit einem Lächeln. Aber ist sie auch so glücklich, wie sie heißt? "Ja", antwortet sie, ohne lange zu überlegen, "denn auf was kommt es an? Doch nur darauf, dass wir alle gesund sind, dass wir eine harmonische Familie sind und zusammenhalten, auch wenn es mal nicht so klappt." Derzeit sei sie zum Beispiel arbeitslos, aber andererseits hätten jetzt ihre "Glückskinder" Melina und Pascal "mehr von ihrer Mutti". Und was sie wirklich ganz prima finde, sei, dass die meisten Menschen, denen sie sich vorstelle, beim Hören ihres Namens lächelten. "Als ich noch in der Personalentwicklung arbeitete, hieß mein Vorgesetzter tatsächlich Pech. Komisch, was?"

Was mich sofort auf die eigentlich naheliegende Idee brachte, das Hamburger Telefonbuch im Abschnitt "P" zu wälzen: Annemarie Pech aus Oststeinbek nahm schließlich ab, nach dem sechsten Klingeln, aber sie ist ja auch schon 77. Ob sie glücklich sei - gerade oder trotz ihres Nachnamens? "Glücklich, na ja", sagte Frau Pech, "ich bin ja leider inzwischen verwitwet. Dafür steht jetzt meine Gesundheit an erster Stelle, wobei es mit der nicht so gut bestellt ist. Aber wissen Sie was? Ich habe eine große Familie, und ich bin, ja doch, sehr zufrieden mit dem, was ich habe."

Zufrieden, dachte ich in diesem Augenblick, ist wirklich ein sehr schönes Wort. Vielleicht sogar schöner als Glück, das mir auf einmal ziemlich vergänglich vorkam, irgendwie.