Die 41-jährige Mareike Guhr wagt das Abenteuer. Der Auslöser, das Projekt ernsthaft zu planen, war allerdings ein trauriges Ereignis.

Hamburg. Mareike Guhr ist gerade einmal 1,68 Meter groß, zierlich gebaut. Wie eine Extremsportlerin und Weltumseglerin sieht die blonde Frau mit den blauen Augen so gar nicht aus. Nur ihre Hände verraten bei genauem Hinsehen, dass sie Zupacken gewöhnt sind. Harte Arbeit, die in den kommenden drei Jahren zu ihrem Alltag gehören wird. Denn die Hamburgerin ist vor wenigen Wochen zu einem außergewöhnlichen Projekt gestartet. Drei Jahre lang will sie allein mit einem Schiff um die Welt segeln.

Mit dem Projekt "Shaka" - benannt nach der Yacht, auf der Guhr um die Welt reist - erfüllt sich die 41-Jährige, die in Hamburg ein Medienbüro betreibt, einen lang gehegten Traum. Ihr Ziel sind vor allem die kleinen und versteckten Südseeinseln. Tahiti und andere touristisch erschlossene Inseln hat Guhr bereits besucht und war so begeistert, dass sie nun die abgelegenen Atolle kennenlernen will. "Dort kommt man aber nur ganz schwer hin, es sei denn man fährt mit dem eigenen Schiff." So entstand Stück für Stück der Plan, auf dem eigenen Kiel ans andere Ende der Welt zu segeln.

Der Auslöser, das Projekt ernsthaft zu planen, war dann allerdings ein trauriges Ereignis. "Eine Freundin von mir ist im vergangenen Jahr innerhalb weniger Wochen an Krebs gestorben. Wenig später dann auch noch ein Onkel", sagt sie und senkt kurz den Kopf. Aber auch nur kurz, um ihn dann mit umso mehr Kraft wieder zu heben. Lange habe sie nachgedacht über die Frage: Wie viel Zeit bleibt einem im Leben? "Ich habe spätestens jetzt die verdammte Pflicht, aus meinem Leben so viel wie möglich zu machen." Die Träume jahrzehntelang vor sich herzuschieben, sie nicht zu leben, auch das könne krank machen, ist Guhr überzeugt. "Wir müssen die Zeit, die wir hier haben, einfach maximal nutzen."

Seitdem Guhr auf Reisen ist, fährt ihre Freundin in Gedanken mit. "Sie ist immer bei mir, denn irgendwie mache ich die Reise auch für sie. Das, was wir zusammen nicht mehr geschafft haben, mache ich jetzt allein für uns beide."

Und dann möchte sie lieber wieder über das Projekt "Shaka" sprechen. "Denn schließlich sind diese traurigen Beweggründe ja auch nur ein Teil dieser Weltumsegelung." Einer Reise, die die Unternehmerin in nur wenigen Wochen auf die Beine gestellt hat. Erst im vergangenen Winter habe sie endgültig die Entscheidung getroffen, 2010 loszusegeln. Ende Januar stand dann fest, mit welchem Schiff sie auf Weltreise gehen sollte. Kurz entschlossen kündigte Guhr ihre Wohnung und die Büroräume, verkaufte ihr Auto. Und konnte so schon Ende April auf Mallorca an Bord der Yacht "Shaka" gehen.

Der Mittelpunkt ihres Projektes ist das 14 Meter lange Schiff vom Typ Swan 46. Die Yacht gehört zwei Kaufleuten aus Cuxhaven. Sie haben Guhr die "Shaka" für ihren Törn zur Verfügung gestellt - im Gegenzug kommt die Hamburgerin für alle laufenden Kosten, Versicherungen und Reparaturen auf. Hin und wieder kommen die Eigner zudem an Bord und haben so auch die Chance, in Revieren zu segeln, in die sie allein nicht kommen würden. "Durch dieses Projekt wird das Schiff endlich der Bestimmung zugeführt, für die es gebaut wurde, haben mir die beiden gesagt."

Denn die "Shaka" ist keine gewöhnliche Yacht. Sie wurde 2005 extra für eine Weltumsegelung gebaut. Und damit nicht genug: Sie ist sogar extra für eine Ein-Mann-Besatzung ausgerüstet worden. "Nur mit einem solchen Schiff war es mir möglich, die Planung so schnell abzuschließen und vor allem allein loszufahren."

Immer wird Guhr aber nicht allein sein, das hofft sie zumindest. Zum einen haben schon jetzt viele Freunde und Verwandte ihren Besuch angekündigt. Aber auch zahlende Gäste will Guhr an Bord nehmen. "Nur so kann ich das Projekt über drei Jahre auch finanzieren." Bei der Spezialagentur Smart Yachtcharter können sich Interessierte für einzelne Törns einbuchen. Maximal drei Urlauber wird Guhr gleichzeitig mitnehmen.

Sorgen über kritische Situationen auf See macht sich die erfahrene Seglerin bisher nicht. Respekt, ja den hat sie sicherlich, so Guhr. "Aber das ist auf dem Wasser auch wichtig. Das hat nichts mit Mut zu tun, sondern mit dem frei machen von Ängsten." Angst lasse sie einfach nicht zu. "Das hilft nicht. Ganz im Gegenteil, es behindert einen", sagt sie schlicht. Und ihrem Blick ist zu entnehmen, diese Maxime lebt Guhr auch auf dem Wasser.

Gerade fährt sie allein durch die griechische Inselwelt. Danach geht es über Sardinien, Mallorca auf die kanarischen Inseln. Im November wird Guhr dann im Rahmen der Atlantic Rally for Cruisers (ARC) mit einer kleinen Frauencrew den Atlantik überqueren. Bis zum kommenden Frühsommer segelt die "Shaka" durch die Karibik, um schließlich im Winter 2011/2012 in der Südsee anzukommen.

Die ersten Etappen der langen Reise sind ohne Zwischenfälle verlaufen. "Man merkt aber schon, dass man alleine hin und wieder an seine Grenzen gerät", sagt Guhr, die seit ihrer frühesten Kindheit segelt. Schließlich seien an Bord eben nur zwei Hände statt vier, nur zwei Schultern statt vier und nur ein Kopf statt zwei. Gleichzeitig erlebe sie aber auch so viel Hilfsbereitschaft wie nie. "In jedem Hafen wird mir beim Anlegen geholfen, überall bin ich eine kleine Sensation." Eine kleine Sensation, die mit jeder Meile, die hinter ihr liegt, zu einer etwas größeren wird.