FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding will nicht in den Bundestag. Auch eine Koalition mit der SPD schließt sie im Abendblatt nicht aus.

Hamburg. Vor eineinhalb Jahren war sie noch weitgehend unbekannt. Dann führte Katja Suding die FDP als Spitzenkandidatin nach sieben Jahren zurück in die Bürgerschaft, wurde Fraktionsvorsitzende und ist nun das Gesicht der Partei. Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt spricht die 36-Jährige über die Lage der FDP in Hamburg und Berlin, ihr erstes Amtsjahr und rot-gelbe Machtperspektiven.

Hamburger Abendblatt: Was machen Sie heute in drei Jahren beruflich?

Katja Suding: Ich kann mir gut vorstellen, immer noch Vorsitzende einer noch stärkeren FDP-Fraktion zu sein.

Derzeit liegt die FDP bei zwei Prozent. Wenn das so bliebe, wären Sie nach der Wahl 2015 nicht mehr in der Bürgerschaft vertreten. Was machen Sie falsch?

Suding: Wir haben wie alle FDP-Landtagsfraktionen mit dem schwachen Bundestrend zu kämpfen. Aber ich bin da entspannt. Kurz vor der letzten Wahl standen wir auch nicht besser da und sind mit fast sieben Prozent in die Bürgerschaft eingezogen.

Also kein Grund zur Selbstkritik?

Suding: Wir sind sehr selbstkritisch. Aber ich finde, dass wir einen guten Start hinbekommen haben und das Spektrum in der Bürgerschaft mehr als nur bereichern. Wir haben viele Themen gesetzt, denen sich später andere Fraktionen angeschlossen haben.

Am meisten Schlagzeilen hat die FDP produziert, als Landeschef Rolf Salo die Brocken hinwarf - der zwölfte FDP-Chef in 20 Jahren. Warum schafft es die FDP in Hamburg nicht, sich personell stabiler darzustellen?

Suding: Der Job des Landesvorsitzenden ist zwar ein Ehrenamt, aber sehr zeitaufwendig. Das ist der Grund, warum viele Vorsitzende die Aufgaben wieder abgegeben haben. Rolf Salo hat es immerhin drei Jahre gemacht.

Plädieren Sie für einen hauptamtlichen Vorsitzenden?

Suding: Ich glaube auch nicht, dass dies das Richtige wäre. Es muss aber klar sein, dass es auf diese Weise immer wieder mal einen Wechsel geben wird.

Sie hatten Gerhold Hinrichs-Henkensiefken als Parteichef unterstützt, der aber Sylvia Canel unterlag. Sehen Sie sich geschwächt?

Suding: Nein. Es waren zwei gute und starke Kandidaten. Das hat man ja auch an dem sehr knappen Wahlergebnis gesehen. Ich kann mit Sylvia Canel auch wunderbar leben. Wir kennen uns sehr lange. Eine weibliche Doppelspitze ist ja auch was sehr Schönes.

Man kann das knappe Ergebnis auch so interpretieren, dass keiner der Kandidaten die Partei überzeugt hat.

Suding: Man kann es so sehen. Aber es handelt sich tatsächlich um sehr starke Kandidaten. Gerhold Hinrichs-Henkensiefken mit seiner sehr langen Erfahrung in der Partei und Sylvia Canel, die in sehr kurzer Zeit viel erreicht hat. Das Gute ist, dass beide nun eng zusammenarbeiten.

Warum sind Sie selbst nicht angetreten? Sie wären mit einem sehr viel klareren Ergebnis gewählt worden.

Suding: Ich habe lange darüber nachgedacht, bin aber zu dem Schluss gekommen, dass mich die Aufgaben als Fraktionsvorsitzende, als Mitglied im Bundesvorstand, stellvertretende Kreisvorsitzende in Blankenese und als Mitglied im Präsidium in Hamburg ausfüllen. Außerdem ist es besser, Partei- und Fraktionsvorsitz auf zwei Personen zu verteilen, das erhöht die Schlagkraft.

Haben Sie den Job als Fraktionschefin womöglich unterschätzt?

Suding: Ich habe mir da überhaupt keine Gedanken gemacht. Es waren plötzlich Neuwahlen. Zwei Wochen später war ich Spitzenkandidatin, und noch ein paar Wochen später waren wir Abgeordnete, und ich war Fraktionsvorsitzende. Es ist ein sehr anstrengender Job, der eine ganze Menge verlangt. Es bleibt sehr wenig Freizeit, sehr wenig Zeit für Familie und Freunde. Trotzdem mache ich den Job gerne.

Sehen Sie sich immer noch als Zugpferd der Partei?

Suding: Nach außen bin ich sicherlich das Gesicht der Partei und der Fraktion. Das Ganze beruht aber auf einem Team, das sich menschlich gut versteht und fachlich gut aufgestellt ist.

Genießen Sie die Aufmerksamkeit?

Suding: Mir wurde erst nach der Wahl bewusst, dass das gar nicht aufhört, sondern immer weitergeht und dass sich in meinem Leben grundlegend etwas geändert hat. Es ist als Politikerin in der Tat gut, wenn man viel öffentliche Aufmerksamkeit bekommt. Denn nur dann kann man mit den Wählern ins Gespräch kommen und für seine Überzeugungen werben. Auf der anderen Seite ist für mich vieles anstrengender und einiges unmöglich geworden.

Nämlich?

Suding: Ich gehe zum Beispiel nicht mehr in die Sauna. Es gibt fast immer jemanden, der einen erkennt. Gewisse Dinge mache ich nicht mehr und bin zurückhaltender geworden. Man wird viel mehr angesprochen. Selbst auf Privatfeiern ist da immer einer, der am Abend noch über Politik sprechen möchte. Das kann manchmal ein wenig anstrengend sein. Es hat also Licht und Schatten.

Das kann sich noch verstärken. Wenn es für die FDP gut läuft, könnten Sie in drei Jahren auch Zweite Bürgermeisterin unter Olaf Scholz sein. Können Sie sich das vorstellen?

Suding: Im Prinzip kann ich mir vieles vorstellen. Mein Ziel ist es, so gute Arbeit zu machen, dass wir 2015 unser Ergebnis von 6,7 Prozent noch toppen. Und natürlich möchten wir dann auch auf die Regierungsbank. Das wollten wir beim letzten Mal schon. Wir machen ja auch aus den Übereinstimmungen mit der SPD keinen Hehl.

Im Bezirk Nord gibt es bereits eine rot-gelbe Koalition, in Mitte neuerdings auch. Und in der Bürgerschaft verhelfen Sie der SPD zur Zweidrittelmehrheit, um die Schuldenbremse 2020 in die Verfassung aufzunehmen. Geht es auch um die rot-gelbe Machtperspektive?

Suding: Bei der Schuldenbremse geht es nicht um eine programmatische Übereinstimmung. Das, was uns eint, ist das Interesse, die Schuldenbremse auch in die Hamburgische Verfassung aufzunehmen. Aber gerade an diesem Punkt werden die Unterschiede zwischen FDP und SPD deutlich. Wir sagen ja, dass wir deutlich früher einen ausgeglichenen Haushalt schaffen können. Das werden wir auch in den Haushaltsberatungen beweisen.

Was kritisieren Sie noch nach einem Jahr SPD-Senat?

Suding: Olaf Scholz will eine Milliarde Euro für völlig unsinnige Staatsbeteiligungen ausgeben. Wir brauchen keinen weiteren Teil der Reederei Hapag-Lloyd, um den Hafenstandort zu sichern. Da hätte man lieber in die Infrastruktur investieren müssen. Und der anteilige Kauf von Netzen ist völlig unsinnig, was auch von SPD-Experten so gesehen wird. Zweitens die Schulpolitik: Schulsenator Ties Rabe kündigt sehr viel an - Stichworte mehr Ganztagsschulen, Schulkantinen, Inklusion, die Rolle des Gymnasiums -, aber er lässt seinen Ankündigungen nicht die sorgfältige Umsetzung folgen. Wenn es an die Details geht, arbeitet er sehr schlampig.

Was meinen Sie mit schlampig?

Suding: Zum Beispiel sollen die Ganztagsschulen einen Teil der offenen Kinder- und Jugendarbeit übernehmen, die aus diesem Grund um 3,5 Millionen Euro gekürzt wird. Es wird aber nicht klar, wann welche Angebote an den Schulen stattfinden.

Halten Sie die Kürzung in der Jugendarbeit für falsch?

Suding: Das kann ich noch nicht beantworten, weil ich nicht weiß, in welcher Form diese Leistung künftig erbracht werden soll. Es fehlt ein konkretes Senatskonzept, um die Pläne bewerten zu können.

Den Vorwurf, dass der Senat das Parlament nicht ausreichend über seine Pläne informiert, hört man häufiger. Regiert Olaf Scholz zu eigenmächtig?

Suding: Sie sagen es. Ich höre auch aus der Regierungsfraktion, dass hinter den Kulissen großer Unmut herrscht. Das Tempo, mit dem der Kauf der Hapag-Lloyd-Anteile und der Energienetze durchgedrückt wird, ist eine Zumutung für das Parlament.

Im Fall Hapag-Lloyd hätte die FDP ja zumindest eine Vertagung der Entscheidung erreichen können.

Suding: Nein, konnten wir nicht.

Das überrascht. FDP und GAL haben mit allen Tricks versucht, die zweite und damit endgültige Abstimmung in der Bürgerschaft zu verhindern, und hätten beinah die nötigen Stimmen gehabt, wenn Ihr Abgeordneter Carl Jarchow sich nicht plötzlich anders besonnen hätte.

Suding: Wir wussten, dass wir die 25 Prozent nicht erreichen können, wenn die CDU nicht mitmacht.

Sie waren aber sichtbar erbost, als Herr Jarchow plötzlich nicht mehr gegen die endgültige Abstimmung war. Was haben Sie denn da gedacht?

Suding: Ich habe mich gefragt, warum er das tut.

Und haben Sie ihm diese Frage gestellt?

Suding: Ich kann damit leben, wenn jemand in meiner Fraktion eine andere Meinung hat. Aber ich möchte es wissen. Das haben wir geklärt, und damit ist die Sache erledigt.

Sie sind auch Mitglied im FDP-Bundesvorstand. Inwiefern haben Sie weitergehende Ambitionen?

Suding: Die Arbeit im Bundesvorstand möchte ich gern fortsetzen. Aber ich habe für mich ausgeschlossen, dass ich zur Bundestagswahl 2013 antrete. Mein Arbeitsschwerpunkt ist Hamburg, und so soll es in den kommenden Jahren auch bleiben.