600 Haushalte im Stadtteil Hoheluft-West konnten wegen eines Defekts der Fernwärmeleitung am Eppendorfer Weg nicht heizen.

Hamburg. Der Notfallplan steht, Ilka Brosch sieht gut vorbereitet aus. Eingewickelt in einen dicken Schal öffnet sie die Tür ihrer Wohnung an der Wrangelstraße. Ein Heizlüfter und zwei Heizkissen parken einsatzbereit in der Ecke. In drei Schichten Klamotten - Kenner sprechen vom Zwiebellook - wartet sie auf den drohenden Kälteeinbruch. "Der Tee ist aufgesetzt. Vorsorglich habe ich über Nacht alle Räume geheizt", sagt sie. Denn zwischen 8 und 22 Uhr sollten ihre Heizungen kalt bleiben. Bei einer Außentemperatur von minus 16 Grad.

Wie die 44 Jahre alte Handelsvertreterin sind 600 weitere Haushalte am Donnerstag in Hoheluft-West vom Fernwärmenetz genommen worden. Ein Leck in der Hauptleitung am Eppendorfer Weg ist der Grund. Am Montag war es entdeckt worden, am Dienstag klebten Informationszettel in den Hauseingängen. Nun, binnen 16 Stunden, will der Energieversorger Vattenfall das Loch flicken. Drei mobile Kesselheizer des Unternehmens überbrücken bollernd das Heizungsvakuum für zwei Seniorenkomplexe und das MeridianSpa. Die restlichen Bewohner des Viertels müssen sich selbst helfen.

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Zehn Männer recken gegen 15 Uhr ihre Hälse in die imposante Baugrube. Ein Anwohner ist an den Ort des Geschehens geeilt und sagt: "Bange muss uns wohl nicht werden. Fleißig sind die Jungs da unten ja." Während Wasserdampf aus der Mulde quillt, flexen in zwei Meter Tiefe drei Arbeiter die Isolierung vom Rohr. Doch nachdem die Ummantelung auf voller Länge abgetrennt ist, müssen die Experten vorerst kapitulieren. Das Fernwärmeloch befindet sich weiter östlich, irgendwo unter dem Teil des Gehwegs, der noch nicht freigelegt wurde.

"Das bedeutet, dass wir die Baugrube erweitern müssen", sagt Vattenfall-Sprecher Stefan Kleimeier. Noch einmal müssen Gehwegplatten aufgenommen und ein neues Loch gebaggert werden. Kleimeier: "Das ist natürlich mehr Aufwand." Nur einmal in seiner Zeit bei Vattenfall seien ganze Straßenzüge wegen einer Reparatur vom Netz genommen worden. "Das war in Horn - und es war Sommer", sagt er.

Die meisten Anwohner in Hoheluft-West haben sich präpariert wie Jan-Andreas Meisel. Der Hausmeister hat über die Hausverwaltung 56 Heizlüfter für die Nachbarschaft organisiert. "Etwa 20 sind schon weg. Eine Frau mit Säugling hat gleich zwei bekommen." Der 55-Jährige selbst hat zwei Holzöfen, die seine Wohnung warm halten. Angesichts der Außentemperaturen habe in der Nachbarschaft aber Alarmbereitschaft geherrscht, die Aussicht auf kalte Wohnungen habe alle beunruhigt. "Doch wir haben ja noch warmes Wasser, und die Heizlüfter, die Vattenfall zur Verfügung gestellt hat. Das hilft über die kalten Stunden", sagt Meisel.

In der Tat hat Vattenfall 450 Heizlüfter für die Anwohner besorgt. Rund 10 000 Euro dürfte sich der Energieriese dieses Krisenmanagement gekostet haben lassen. Auch wenn einige die Informationspolitik kritisieren.

In der Sprachschule Mundo Hispanico sagt ein Mitarbeiter. "Ich habe erst über die Presse davon erfahren." Den Aushang habe er gar nicht gesehen und sei fast vom Heizungsausfall überrascht worden. "Ich finde es auch ganz schön kurzfristig von Vattenfall", bemängelt Ilka Brosch, deren Wohnung am späten Nachmittag schon recht kühl ist. "Langsam wird's schattig", sagt sie. "Zum Abend hin hole ich mir noch die Bettdecken dazu. Den Heizlüfter schmeiße ich jetzt schon an. Damit wenigstens das Wohnzimmer warm bleibt."

In Teilen der Anwohnerschaft wird gemunkelt, vor Mitternacht werde wohl keine Heizung warm. Doch bis zum Abend ist Sprecher Stefan Kleimeier trotz der Probleme an der Baugrube zuversichtlich. "Ich gehe davon aus, dass die Bewohner am Freitag nicht noch einmal frieren müssen."

Die Informationen per Aushang rechtfertigt Kleimeier so: Es bestünden keine Einzelverträge mit Mietern, sondern nur mit den Hausverwaltungen. "Deshalb konnten wir die Mieter nicht direkt anschreiben. Das ging schon aus Datenschutzgründen nicht."

Im Seniorenzentrum St. Markus an der Gärtnerstraße und im gegenüberliegenden Wohnheim, wo zusammen knapp 200 teils pflegebedürftige Menschen leben, ist man dagegen zufrieden mit Vattenfall. "Seit Dienstag steht der mobile Heizwagen vor der Tür und versorgt uns mit Wärme. Für unsere Bewohner ist das ganz wichtig", sagt Pflegedienstleiterin Susanne Künnemann. "Hier ist die Lage sehr entspannt." Anwohner, die frieren, können sich im Café des Hauses aufwärmen. "Es steht allen offen. Außerdem haben wir einen Stapel Decken ins Foyer gelegt."

Eingemummelt unter ihren eigenen Decken verbringen Ilka Brosch und ihr Sohn Moritz, 10, den Abend. "Wir werden es überstehen", sagt die Handelsvertreterin. "So ein Heizungsausfall zeigt einem ja auch ein bisschen, wie verwöhnt man von Annehmlichkeiten wie Fernwärme ist." Und für Moritz hätte der Tag sowieso nicht glänzender laufen können. Als Schüler der Grundschule Hoheluft hatte er kältefrei. "Besser geht's nicht."

Vattenfall-Sprecher Stefan Kleimeier sagt am späten Abend: "Wir haben um 21 Uhr damit begonnen, die Hausanschlüsse nach und nach wieder anzuschalten. Wir gehen davon aus, dass bis 23.30 Uhr auch das letzte Haus wieder versorgt ist."