Informationstechnologie ist in Hamburg angesagt. Es gibt fast 8500 Unternehmen mit 45.000 Arbeitsplätzen. Das Abendblatt zeigt erfolgreiche Beispiele.

Hamburg. Bits und Bytes, Technologien und Trends, Produkte und Preisentwicklungen - um alle Aspekte der IT-Branche dreht sich ab heute Abend fünf Tage lang die Cebit in Hannover. Die 90 Hamburger Firmen, die als Aussteller dabei sind, müssen sich beim weltgrößten Treffen der digitalen Branche keineswegs verstecken. "Die Informationstechnologie ist in Hamburg mit mehr als 45 000 Arbeitsplätzen ein bedeutender und stabiler Wirtschaftsfaktor", sagte Thomas M. Schünemann, Vizepräses der Handelskammer Hamburg, dem Abendblatt. Das Krisenjahr 2009 haben die meisten Unternehmen offenbar unbeschadet überstanden: Laut dem aktuellen Konjunkturbarometer der Handelskammer bewerten die Medien- und IT-Unternehmen der Hansestadt die momentane sowie die zukünftige Lage positiver als die Hamburger Wirtschaft insgesamt.

Nach Zahlen der Handelskammer gab es zum Jahresende insgesamt 8455 IT-Unternehmen in Hamburg - das waren 282 mehr, als noch im Juli 2009 gezählt wurden. Davon bieten mehr als die Hälfte IT-Services und Beratung, ein Viertel hat sich auf Softwareentwicklung spezialisiert, die restlichen Unternehmen sind in den Bereichen Datenverarbeitung, Herstellung von Geräten und Spielen sowie Telekommunikation tätig. Besonders stark, nämlich um bis zu 20 Prozent jährlich, wächst in Hamburg die Spielebranche: Achim Quinke vom Netzwerk Gamecity rechnet allein in diesem Bereich mit bis zu 300 neuen Arbeitsplätzen bei Entwicklern wie Bigpoint aus Eppendorf oder Innogames in Harburg. "Die IT-Branche bietet auch künftig Wachstumspotenzial", ist sich Schünemann sicher.

Auch deutschlandweit stehen der Informationstechnik und Telekommunikation nach Branchenschätzungen gute Zeiten bevor. "Die Wirtschaftskrise ist weitgehend überwunden", verkündete jüngst Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer. Für 2010 rechnet der Verband mit einem leichten Umsatzplus auf 142,1 Milliarden Euro. 2009 waren die Umsätze erstmals seit Jahren um 2,5 Prozent eingebrochen. Sorgen macht der Branche allerdings der anhaltende Fachkräftemangel. Bitkom berichtet von rund 20 000 offenen Stellen für IT-Experten in Deutschland.

An Elbe und Alster sieht es nicht besser aus, es hapert schon beim Nachwuchs. Die Handelskammer Hamburg geht von unzähligen unbesetzten Lehrstellen im IT-Bereich aus - zum Jahresende 2009 lagen nur 1315 Ausbildungsverträge vor. Es sei paradox: "Die jungen Leute interessieren sich nicht für eine Ausbildung in dieser zukunftsträchtigen Branche", heißt es.

Bezahlen mit dem biometrischen Fingerabdruck

Schmal und unscheinbar ist das Haus am Mittelweg, in dem 70 Menschen daran arbeiten, den Alltag zu revolutionieren. Seinen größten Stolz stellt Dermalog-Gründer Günther Mull jetzt auf der Cebit vor: Eine Kasse, an der mit dem Abdruck des Zeigefingers bezahlt wird. Die Supermarktkette Rewe testet das biometrische Zahlverfahren derzeit in Köln. "Die Vorteile liegen auf der Hand", sagt Projektleiter Oliver Jahnke. "Der Kunde braucht kein Geld, keine EC-Karte, muss sich nicht einmal eine PIN-Nummer merken." Die Entwicklung hat Jahre gekostet und könnte einen Zukunftsmarkt erschließen: Im Frühsommer startet Dermalog ein Pilotprojekt mit einer deutschen Bank, die die biometrische Erkennung des Fingerabdrucks zum Geldabheben am Automaten einsetzt. Ein weiterer Kunde will seine Arbeitsabläufe vereinfachen und ein Anmeldeverfahren am Computer per Zeigefinger testen. "In diesem Bereich ist zurzeit viel Bewegung", sagt Jahnke. Einer Studie von Roland Berger Strategy Consultants zufolge wächst der deutsche Biometriemarkt 2010 auf rund 300 Millionen Euro.

Bei Dermalog bringt allerdings noch das Stammgeschäft im Ausland mit Reisepässen, Grenzkontrollen und Zugangssystemen einen Großteil des Umsatzes. 13 Millionen Euro waren es 2009. "Seit biometrische Reisepässe auch in Deutschland eingeführt wurden, hat das Verfahren hier an Akzeptanz gewonnen", sagt Jahnke. Auch daran war Dermalog als Weltmarktführer beteiligt: Die 14 000 Fingerabdruckscanner stammen aus Hamburger Entwicklung. Dass sich bei Dermalog die meisten Türen bereits per Fingerzeig öffnen lassen, ist Ehrensache.

Aus Büchern werden Bytes

Wenn der Mitarbeiter der Hamburger Firma CCS in der dänischen Nationalbibliothek seine Arbeit verrichtet, steht zuweilen ein Wachmann daneben. Kein Wunder: In den 1970erJahren stahl ein Angestellter hier 3200 Werke mit Millionenwert - der größte Bücherraub der Geschichte. "Dass wir dort digitalisieren dürfen, ist ein echter Vertrauensbeweis", sagt CCS-Geschäftsführer Richard Helle. Mit ihrem 2003 aufwendig entwickelten Spezialscanner für historische Werke sind die Hamburger in einen gigantischen Markt vorgestoßen: Weniger als fünf Prozent aller Buchbestände weltweit sind bislang digitalisiert und damit haltbar für die Ewigkeit. "Wir liberalisieren die Bildung - jeder kann jetzt über das Internet auf die Werke zugreifen." Denselben Dienst hat die Firma mit 230 Mitarbeitern, davon 35 in der Hamburger Zentrale, den Nationalbibliotheken in England, Holland, Skandinavien, Australien sowie der Elite-Universität Harvard angedeihen lassen. In manchen Jahren verdoppelten sich die Umsätze fast, im Krisenjahr 2009 wuchsen sie immerhin um 15 Prozent auf sechs Millionen Euro. Davon flossen 150 000 Euro in die Weiterbildung der Mitarbeiter.

Mit Onlineschulungen zum Lernerfolg

Lebenslanges Lernen ist für Paul Altenau mehr als nur eine Phrase. Mit 50 Jahren begann er, regelmäßig zu bloggen. Seit einigen Monaten, mit nun 54 Jahren, twittert er auch. Vor allem aber ist der Weiterbildungstrend sein Geschäftsmodell: Paul Altenau leitet den b+r Verlag aus Hammerbrook, der sich als Anbieter von E-Learning-Programmen (Schulungen per Internet) erstmals auf der Cebit vorstellt.

"E-Learning wird in Deutschland als Lernform stark an Bedeutung gewinnen", prophezeit Altenau. Die Verlagsumsätze stiegen selbst im Krisenjahr 2009 um fünf Prozent auf zwei Millionen Euro. Sprachen, IT, BWL, Softskills - Altenau beschafft mit sechs Angestellten und zahlreichen freien Autoren alle Inhalte, die Kunden wie SOS-Kinderdorf, Tesa oder die Deutsche Angestellten-Akademie bestellen. "Am besten laufen Fremdsprachen und IT-Themen", sagt Altenau. Der Lerneffekt sei größer, wenn Programme wie Excel online direkt ausprobiert werden. "Learning by doing eben". Nach diesem Motto hat der Geschäftsführer so manches Lehrwerk zu Computerprogrammen kurzerhand selbst verfasst. Neben CCS-Chef Richard Helle thront der Scanner, der den Bestand der British Library digitalisierte: 75 Milliarden Wörter auf 25 Millionen Seiten. Foto: Magunia Geschäftsführer Paul Altenau hat seinen Verlag vor zehn Jahren von klassischen gedruckten Lernmaterialien auf E-Learning am Computer umgestellt.