Es kam vor zehn Jahren der Moment, da Rainer Wendt seinem alten Freund Thomas Pinçon anvertraute, dass Hamburg ein bisschen mehr Frankreich vertragen könne. Als Wendt kurz darauf die leer stehende Kachelhalle neben dem Rathaus entdeckte, bot sich die einmalige Chance, ein Stück Grande Nation aufzubauen. Zwei Jahre später eröffnete das Café Paris, wo die Gäste freudig gestikulierend und laut redend an kleinen Bistrotischen sitzen, Wein und noch mehr Wein trinken und dazu Steak Frites und Austern essen. "Wir wollten eine Brasserie, und in einer Brasserie ist es nun einmal belebt, bewegt und laut", erklärt Rinçon, der aus der Bretagne stammt. Er erzählt, dass der hohe Raum einmal eine Schlachterei war, 1882 gebaut, und es muss die schönste Schlachterei der Welt gewesen sein - gekachelte Wände, gewölbte Decken mit Jugendstilmalereien und einer Akustik, die bestimmt jedes Messerwetzen wie ein Cabasa-Solo klingen ließ.

Inzwischen ist das Café Paris ein kleines Imperium, mit einem abgetrennten Salon für Privatsoirées, der geheimen Bar oben über dem Speisesaal, die mit der Bar Le Lion und dem Delikatessenladen Petit Paris genau gegenüber geteilt wird. Am Sonnabendnachmittag wird das kleine Geschäft zu einer Austernbar, wo Gäste die Muscheln gleich auf der Straße schlürfen, wie in Frankreich eben.

Wenn Sie abends auf ein Glas Pastis vorbeikommen, werden das Barteam Nicolas und Yves mit Fliege, Schürze und ihrem Charme dafür sorgen, dass Sie noch etwas fröhlicher in die Nacht schauen. Am Wochenende gibt es bis 16 Uhr Frühstück, und zur Saison von November bis März organisieren Rinçon und Wendt Meeresfrüchte-Wochenenden, an denen große Platten mit Taschenkrebsen, Schnecken, Austern serviert werden. Vor allem aber treffen sich im Café Paris jeden Mittag die Geschäftsleute und jeden Abend auch alle anderen, und schließlich sitzen und reden so viele Menschen gleichzeitig, dass es lauter als auf einem südfranzösischen Marktplatz hergeht und der Saal auch ähnliche Temperaturen erreicht. So viel Wärme, so viel Nähe - es ist vollends unhanseatisch, so dicht am Nebentisch zu sitzen, dass jede Atempause zur Zwischenstandaufnahme des Nachbargesprächs genutzt werden muss. Aber die Gäste sind beschwingt von der plötzlichen Nähe, von diesem Aus-der-eigenen-Rolle-Fallen, sodass sie sogar mal übermütig "Bon Appetit" rufen, wenn nebenan das Tatar angemacht wird. So viel Frankreich, da hat Rainer Wendt recht, brauchte Hamburg einfach.

Gastro

Café Paris, Rathausstraße 4, 20099 Hamburg , Tel.: 040/32 52 77 77, www.cafeparis.net

Öffnungszeiten: Mo-Fr ab 9.00 Uhr, Sa, So ab 10.00 Uhr
Preisbeispiele: Tartare Classique mit Frites und Baguette 15,20 Euro, Croque Monsieur mit Salat 5,50 Euro, sechs Austern 13 Euro.
ÖPNV: U 3, Haltestelle Rathaus, S 1, Haltestelle Jungfernstieg

Geeignet für Fleisch- und Austernfreunde, Franzosen im Exil und Gourmets, die sich gerne auch mal über mehrere Tische hinweg unterhalten möchten.