Das HSV-Fieber hat Jil im Alter von sieben Jahren ergriffen. Sie besitzt bereits ein Trikot ihres Helden Frank Rost mit der Nummer 1.

Als Patenonkel sollte man der Nichte ihre Wünsche von der Nase ablesen können, also ging es am 29. Juli 2007 für sie zum ersten Mal ins Stadion. Der Gegner: Dacia Chisinau. Ein UI-Cup-Spiel.

Der Heimspiel-Besuch beim HSV beginnt wie immer mindestens eine Stunde vor dem Anpfiff. Ein Besuch an den Würstchen- und Bierständen vor dem Kiosk "Picknick" ist Pflicht. Hier macht die Stadionstraße eine 90-Grad-Kurve. Der ideale Treffpunkt, um mit Freunden bei einer Portion Pommes und einem Kaltgetränk (in Jils Fall eine Fanta) über die anstehende Begegnung zu philosophieren.

Nur noch 30 Minuten bis zum Anpfiff. Ab ins Stadion. Jil macht große Augen. Tausende von Menschen in schwarz-weiß-blauen Klamotten laufen scheinbar planlos durch die Gänge, kaufen Bier und Brezel, um dann flotten Schrittes ihren Aufgang zu den Blöcken zu erreichen. Es herrscht eine freudige Spannung. Zur Beruhigung bekommt Jil noch ein Fischbrötchen. Dann geht's zu den Sitzplätzen. Aber nicht in dem Langnese-Block. "Der ist für kleine Kinder", befindet der Dreikäsehoch. Wir haben Karten für den Block 22C der Nordtribüne, unweit der Chosen Few, der wohl härtesten HSV-Fans und lautstarken Stimmungsmacher. Und da sitzen dann wie bei jedem Heimspiel: Norbert, ein sanfter Hüne mit Händen, die jeden Torwart neidisch machen, die beiden Schwägerinnen, das junge Ehepaar, Henning und Daniel. Wir begrüßen uns mit Handschlag und wünschen ein schönes Spiel.

Noch 15 Minuten: der erste Höhepunkt, den kein Fan verpassen will. Lotto King Karl und sein Kompagnon Carsten Pape erklimmen mit Rassel und Gitarre einen Lift, der sie zu den Klängen des Queen-Klassikers "We Will Rock You" in 20 Meter Höhe wuchtet. Die gut 50 000 Fans singen mit ihnen "Hamburg, meine Perle". Jil hat sich der besseren Übersicht wegen auf ihren Sitz gestellt, das Fischbrötchen fest in der Hand.

Anpfiff! Die Fans stimmen ihr Mantra an: "Ooh, super Hamburg olé! Schalalalalalala!" Der anfangs müde Kick wird einfach mit Singen aufgepeppt. Das Kind macht mit, vergisst dabei den Lachs im Brot und freut sich jedes Mal, wenn Frank Rost den Ball in Händen hält. Zur Pause steht es 0:0.

Nur fünf Minuten nach dem Wiederanpfiff endlich ein Tor. Jubel, Schreie, Fanfaren. Die Runde um Jil klatscht sich gegenseitig ab. Etwas zögerlich und dann doch mit einem Hauch von Stolz schlägt die Siebenjährige in die Pranke von Norbert. "Hamburg, eins", dröhnt es durch das Stadion. "Chisinau, nuuhll!" Schalalalalala! Es folgen drei weitere HSV-Tore. Hamburg ist so gut wie im Uefa-Pokal. Die Fan-Gruppe beschließt, dass das nur an Jil liegen kann, und erklärt sie zur Glücksbringerin. Nach dem Abpfiff lässt die Mannschaft sich vor der Nordtribüne von den Fans feiern. Gemeinsam schleudern sie ihre Arme in einer angedeuteten La-Ola-Welle in die Luft, schreien: "Hey, hey, hey!" Die Stimmung im Auto auf dem Weg nach Hause ist gelöst. Es gibt nur ein Thema: der grandiose Sieg des HSV. Immer wieder stimmt das Kind in den Kanon der Erwachsenen ein und kräht vergnügt: "Europapokaaal, Europapokaaal, Europapokaaal!"

Der Glücksbringer hat sich im Übrigen bewährt. Bislang hat der HSV stets gewonnen, wenn Jil im Stadion war.

Erlebnis

HSV-Stadion, Stellingen

Preise: Karten gibt es je nach Spiel für 5 bis 95 Euro (Bundesliga-Spiel)

ÖPNV: S 1, Haltestelle Othmarschen - dann Busshuttle zum Stadion; S 21/S 3/A 1, Buslinien 22, 180, Haltestelle Stellingen, dann Busshuttle

Geeignet für große und kleine HSV-Fans, Spielerfrauen und Lotto King Karl.