Commissario Brunetti ist arm dran. Längst keine 30 mehr, scheint ihn der Alltag in der Questura und in den Gassen Venedigs langsam zu zermürben – was auch daran liegen mag, dass seine Erfinderin, die Bestsellerautorin Donna Leon, ihm keine Verschnaufpause gönnt: In 25 Jahren hat es Brunetti mit seinem nun schon 26. Fall zu tun. So kommt es in „Stille Wasser“, wie es kommen muss: Venedig erlebt den heißesten Juli seit Jahren, und Brunetti erleidet während der Befragung eines zwielichtigen Anwalts einen Schwächeanfall.

Gleichwohl dieser Anfall nur vorgetäuscht ist, wird Brunetti entkräftet ins Krankenhaus eingeliefert. Zur Erholung. Für zwei Wochen wird er krankgeschrieben, neue Energien soll er in einer Villa tanken, die der Familie seiner Frau gehört. Idyllisch mitten in der Lagune gelegen, ist diese venezianische Villa der ideale Ort, um den Mühen des Alltags zu entfliehen. Eigentlich. Denn eines Tages ist der Verwalter des Hauses, ein Bienenzüchter, mit dem Brunetti sich angefreundet hat, mit seinem Boot in der Lagune verschwunden. Und der Commissario muss erkennen, dass stille Wasser ganz schön tief sein können. Auch mit der ärztlich verordneten Erholung ist es erst einmal vorbei.

Für wirkliche Aufregung sorgt die Geschichte dennoch nicht. So gemächlich wie das Wasser der Lagune fließt auch der Strom der Erzählung dahin. Vermutlich liegt aber gerade darin das Geheimnis des Erfolges der Donna-Leon-Kriminalromane, niemand erwartet schließlich actionreiche Thriller von der amerikanischen Autorin mit Wahlheimat Venedig.

Und so steht „Stille Wasser“ in dieser Woche folgerichtig bereits wieder auf Platz eins der „Spiegel“-Bestsellerliste. Angereichert ist die Geschichte noch mit ein paar umweltkritischen Tönen – auch das ein Baustein leonscher Erzähldramaturgie: Brunetti bekommt es mit einem ziemlich rätselhaften Bienensterben zu tun. Eine stachelige Angelegenheit für den Commissario.

Auf Einladung des „Theater der Welt“-Festivals und des Harbour Front Literaturfestival stellt Donna Leon am heutigen Donnerstag ihren neuen Roman im Thalia Theater vor. Die deutschen Passagen liest Annett Renneberg, die in den Brunetti-Verfilmungen der ARD in der Rolle der Signorina Elettra zu sehen ist und Donna Leon bereits seit 2007 immer wieder auf deren Lesereisen begleitet. Den Abend im Thalia moderiert Hans-Juergen Fink, der frühere Kulturchef des Hamburger Abendblatts.

Donna Leon deutsche Lesung: Annett Renneberg, Moderation: Hans-Juergen Fink, Do 8.6., 20 Uhr, Thalia Theater, Alstertor, Karten zu 12 bis 20 Euro, ermäßigt 10 Euro