Die späten Siebziger waren – je nach Standpunkt – herrliche oder schreckliche Zeiten. Im Fernsehen wurde noch geraucht und natürlich auch getrunken. Niemand scherte sich öffentlich-rechtlich um Leberwert oder Lungenvolumen, das Wort „Nichtraucherschutz“ harte vermutlich noch seiner Erfindung.

Das zeigte sich auch während der in halb Europa live übertragenen „Rockpalast“-Nächte aus der Essener Grugahalle. Im April 1979 war Patti Smith vollkommen zugedröhnt über die Bühne getorkelt, wenige Monate später ließ Mitch Ryder alle Vorsicht beiseite und sorgte für einen Auftritt, der lange Gesprächsthema bleiben sollte. Mit der gemeinhin akzeptierten Menge an Alkoholika war es bei ihm nämlich nicht getan, er langte richtig zu und hinterließ den Eindruck absoluter Unberechenbarkeit. Würde er das Konzert überhaupt zu Ende bringen? Würde er eine Schlägerei beginnen? Nicht nur Moderator Alan Bangs, dessen Freundin der US-Sänger massiv anbaggerte, befürchtete Schlimmes. Doch Ryder blieb trotz sichtbarer Schlagseite auf der Bühne und lieferte zu nächtlichen Stunde ein bis heute legendäres Konzert ab. Gewiss hat er vorher und danach besser gesungen, doch eine solche Show auf der Rasierklinge, am Rande einer Katastrophe, empfanden viele als puren Rock ’n’ Roll. „Ain’t nobody white (can sing the Blues)“ sang Ryder und tatsächlich konnte das niemand so wie er.

Letztlich ist es dieser Ruhm, von dem Mitch Ryder bis heute zehrt – auch wenn er seitdem noch viele absolut hörenswerte Alben aufgenommen hat. Doch wer jetzt in den Downtown Bluesclub kommt, um den inzwischen 70-Jährigen (er feierte gestern Geburtstag!) zu erleben, erhofft sich vielleicht auch ein wenig von der Atmosphäre, die damals herrschte und die Nacht unvergesslich machte. Tatsächlich stehen die Chancen auf ein Deja vu ganz gut. Nicht nur „Ain’t Nobody White“ ist immer noch im Programm, auch mit „Heart Of Stone“ und einer Version des Doors-Klassikers „Soul Kitchen“ darf gerechnet werden.

Mitch Ryder Fr 27.2., 20 Uhr, Downtown Bluesclub, Otto-Wels-Straße 2, Karten zu 25,45 Euro im Vorverkauf und an der Abendkasse