Warum Argwohn innerhalb von Unternehmen Mitarbeiterzufriedenheit und Produktivität entscheidend beeinflusst

35 Jahre lang erledigte Magdalene H. ohne Fehl und Tadel ihre Arbeit für den Baugewerbeverband Westfalen. Dann wurde der Chefsekretärin fristlos gekündigt, weil sie zwei halbe Brötchen und eine Frikadelle von einem Imbissteller verzehrt hatte, den sie eigentlich für die Mitglieder einer Ausschusssitzung zubereitet hatte. Auch der Berliner Fall „Emmely“ sorgte vor einigen Jahren für Aufsehen. Die Supermarkt-Kassiererin hatte zwei Pfandbons über 48 und 82 Cent unterschlagen und war daraufhin von Kaiser’s Tengelmann fristlos gefeuert worden.

„Es geht dabei nicht um die geringen Werte“, sagt Rechtsanwalt Fabian Geyer, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands Flensburg – Schleswig – Eckernförde: „Entscheidend ist die Klärung, ob Dummheit oder kriminelle Energie zum Delikt geführt haben. Wenn das Vertrauen in den Mitarbeiter jedoch hin ist, fehlt die Basis für eine weitere Zusammenarbeit.“

Zahlreiche Firmen waren in Überwachungsskandale verwickelt

Allerdings schlagen manche Arbeitgeber über die Stränge, weil es offenbar an Vertrauen in ihre Mitarbeiter mangelt. Lidl, Aldi, Schlecker, Netto, Penny, Norma, Edeka, Mr. Wash – das sind nur einige der Unternehmen, die in Überwachungsskandale verwickelt waren. Mit versteckten Kameras oder durch Detektive wurden Mitarbeiter ausspioniert. Dabei ist eine solche Überwachung nur bei begründetem Verdacht einer Straftat erlaubt. Gestört ist in jedem Fall das Vertrauen zwischen Firma und Mitarbeitern.

Dabei ist Vertrauen entscheidend für unternehmerischen Erfolg. „Vertrauen ist die Schlüsselkompetenz für alle Führungskräfte in unserer neuen globalen Wirtschaft. Denn nichts wirkt schneller und effektiver als Vertrauen – in allen Situationen“, schreibt Stephen M.R.Covey in seinem Bestseller „Schnelligkeit durch Vertrauen“ (Gabal). Doch was meint Covey mit Vertrauen? „Ganz einfach gesagt, ist Vertrauen das Gegenteil von Misstrauen oder Argwohn. Wenn wir jemandem vertrauen, glauben wir an seine Verlässlichkeit und seine Fähigkeiten.“ Jeder Arbeitnehmer bekomme von Anfang an einen Vertrauensbonus, erklärt Arbeitgeber-Vertreter Fabian Geyer.

Der Management-Berater Daniel F. Pinnow dagegen diagnostiziert eine Überwachungskultur in vielen Unternehmen und verweist auf Präsenzpflicht, Kontrollsysteme, Meetingrituale. „Es fällt uns schwer, auf Vertrauen zu vertrauen“, sagt David Scheffer, Professor für Personalmanagement an der Nordakademie: „Unsere Kultur und unsere Wirtschaft sind vom Ingenieursdenken geprägt. Wir Deutschen wollen 100 Prozent Sicherheit. Das brauchen wir auch, wenn es zum Beispiel um Brückenbau oder Präzisionsmaschinen geht. Dem unberechenbaren Faktor Mensch zu vertrauen, löst bei Chefs Unsicherheit aus.“

Ohne Vertrauen verlieren Unternehmen Produktivität und talentierte Mitarbeiter

Wenn Misstrauen aber zur Norm wird, Bürokratie- und Kontrollwahn dominieren, sei es für Mitarbeiter schwer, sich mit dem Arbeitgeber und ihrer Arbeit zu identifizieren, sagt Pinnow. Fehle das Vertrauen, stehe jede gut gemeinte Handlung und jede positive Absicht des Chefs unter dem Verdacht, bloße Manipulation zu sein. Egal, welche Strategie Führungskräfte dann anwenden – wenn die Mitarbeiter ihrem Chef misstrauen, wird keine Maßnahme greifen.

„Unser Misstrauen kostet uns unendlich viel“, schrieb der Philosoph Ralph Waldo Emerson schon im 19.Jahrhundert. Das glaubt auch David Horsager, Professor an der Bethel University, Minnesota. In seinem Buch „Vertrauen“ (Books4Success) erklärt er: „Ohne Vertrauen kann man nicht miteinander ins Geschäft kommen. Ohne Vertrauen verlieren Vorgesetzte ihre Mannschaft. Ohne Vertrauen kommt kein Kauf zustande. Ohne Vertrauen verlieren Unternehmen Produktivität, Kontakte, ihren guten Ruf, talentierte Mitarbeiter, loyale Kunden, Kreativität, Einkommen und Gewinne.“

Vertrauen ist also mehr als ein weicher Faktor oder eine sozialromantische Tugend. Stephen M. R. Covey bringt es auf eine betriebswirtschaftlich messbare Formel: „Wenn das Vertrauen abnimmt, sinkt auch die Schnelligkeit, und gleichzeitig steigen die Kosten.“