Gehen Sie nie in Jeans ins Büro - auch wenn die vom Edeldesigner sind, rät Heike Pfitzner.

Mit einem Besuch in der Banja - der russischen Sauna - und ein paar Wodka ist es nicht getan, weiß Dr. Heike Pfitzner. "Langfristig erfolgreiche Geschäftsverbindungen in Russland basieren auf persönlichen Beziehungen und der Bereitschaft, flexibel auf die unsicheren Rahmenbedingungen des Landes einzugehen. Um das zu leisten, reichen solche symbolischen Gesten nicht aus", sagt die Gründerin der Firma "STIC - Supporting Teams In Change". Sie unterhält eine Dependance in Moskau.

Als interkulturelle Trainerin berät Pfitzner dort seit zehn Jahren deutsche Fach- und Führungskräfte, die von ihren Unternehmen nach Russland entsandt werden. Außerdem trainiert sie gemischte Teams internationaler Unternehmen sowie rein russische Teams. Sie kennt also beide Seiten und weiß, dass für den Aufbau von Beziehungen Zeit, Geduld und Offenheit nötig sind. Sie summiert das unter dem Begriff kulturelle Sensibilität. "Erst mal zuhören und beobachten", rät sie. "Herausfinden, was auf russischer Seite von den Kollegen, Kunden oder Geschäftspartnern erwartet wird." Außerdem sei der russische Markt ein Präsenzmarkt: "Sie müssen hier regelmäßig anwesend sein. Nur zweimal im Jahr kurz vorbeikommen reicht definitiv nicht aus", betont Pfitzner.

Russische Firmen sind stark hierarchisch geprägt. Es herrsche eine "Kultur der Rollen- und Machtorientierung", erklärt die Expertin. Eine Unternehmenskultur, wie sie in Deutschland gern propagiert wird - mit Mitarbeitern, die schnell und eigenständig Aufgaben lösen und einen transparenten Informationsaustausch pflegen - ist eher unüblich. Informationen würden beispielsweise gern als Machtmittel eingesetzt. Transparenz zu erwarten sei fehl am Platz. Die starke Orientierung an der Hierarchie werde zudem problematisch, sobald ein deutscher Mitarbeiter aufgrund seiner Sachkenntnis mit einem russischen Kollegen auf Augenhöhe kommunizieren möchte, der jedoch hierarchisch höher angesiedelt ist.

Die Frage "Wo stehst du in der Hierarchie?" wird in Russland gern über Auftreten und Statussymbole geklärt. "In Russland gilt: nie in Turnschuhen, Strickpullover oder Jeans ins Büro, auch wenn diese vom Edeldesigner stammen", sagt Heike Pfitzner. Dafür glänzen teure Uhren am Handgelenk und Brillanten am Finger. Aus dem gleichen Grund spielt auch das richtige Auto eine große Rolle. Die Investition in ein edles Fahrzeug lohnt sich allerdings nicht nur aus Imagegründen: "In Moskau verbringen die Menschen täglich bis zu vier Stunden im Stau. Der Straßenbau ist in den 80ern stecken geblieben. Es werden eifrig moderne Bürokomplexe errichtet, doch das Straßensystem wird nicht entsprechend erweitert." Zwar gebe es eine gut vernetzte U-Bahn, doch diese galt bis vor Kurzem als "nicht angemessen" für erfolgsorientierte Moskauer. "Noch ist die Metro unter vielen Managern als Transportmittel der Armen, Alkoholiker und Drogenabhängigen verschrien. Darum steigen gerade Führungskräfte weiterhin ins Auto." Expats, die als passionierte Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel im Büro von ihrer Fahrt in der Metro berichten, müssen mit überraschten Blicken rechnen. Dabei sei umweltbewusstes Handeln mehr als überfällig, betont Pfitzner. "Russland hat ein massives ökologisches Problem, die schlechte Luft- und Wasserqualität wird selbst vom Präsidenten Medwedew beklagt."

Das Freizeitangebot in der russischen Hauptstadt ist breit gefächert. Doch egal, ob Theater, Restaurant oder Fitnessklub, alles ist deutlich teurer als in Deutschland. Auch Mietwohnungen sind extrem kostspielig - "dank internationaler Firmen, die horrende Preise für ihre Expats zu zahlen bereit sind", wie Pfitzner kritisiert. Allerdings bekommen die Mieter auch etwas für ihr Geld: geräumige, gut ausgestattete Prunkwohnungen inklusive Hauspersonal. Dafür sind Zweizimmerwohnungen und Drei-Sterne-Hotels Mangelware.

Auf Manieren werde in Russland sehr großer Wert gelegt. Ein großes Fettnäpfchen für deutsche Expats und Touristen: "Öffentliches Naseputzen wird als unappetitlich angesehen. Dazu sollte man sich in die Waschräume zurückziehen", weiß Pfitzner. Kavaliere werden geschätzt. "Er hilft der Dame in den Mantel und hält ihr die Tür auf." Im Gegenzug sei den Herren der Schöpfung so mancher anhimmelnde Blick sicher. "Nur eine emanzipierte Geschäftsfrau passt da manchmal nicht so ganz ins Schema", erklärt die 44-Jährige. "Wer sich nicht in die Weibchenrolle einfügen mag, muss zunächst mit leichten Irritationen rechnen."

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