Seit 2008 lebt Achim Fock mit seiner Familie in Äthiopien. Welche Erfahrungen macht der Ökonom?

Achim Fock ist ein echter Weltbürger: Aufgewachsen auf einem Bauernhof im schleswig-holsteinischen Hagen, lebte er bislang in England, Australien, Chile, den USA, China - und ist jetzt in Äthiopien zu Hause. Der sechsjährige Sohn, jüngst beim Heimaturlaub in Hamburg befragt, ob er denn später in Deutschland leben wolle, habe gesagt: "Ja, auch." Der Vater schmunzelt: "Für die Kinder ist es normal, in anderen Ländern zu leben." Fock hat Agrarökonomie studiert. Heute ist der 41-Jährige Senior Economist bei der Weltbank in Addis Abeba und kümmert sich um Politikberatung und die Finanzierung von Förderprojekten in dem ostafrikanischen Land. Seit 2008 lebt er mit seiner Frau und den drei Kindern in der drei Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt.

"Das Team bei der Weltbank ist sehr bunt", erzählt Achim Fock. "Wir sind hier etwa 100 Leute, davon 80 Äthiopier, der Rest Expats aus allen Ecken der Welt." Er ist der einzige Deutsche in der Mannschaft. "Aber irgendwann nimmt man die eigene Nationalität und die der anderen nicht mehr so wahr." Die Zusammenarbeit mit Menschen aus verschiedenen Ländern empfindet er als eine kulturelle Herausforderung. "Man braucht viel Toleranz dafür", sagt Fock. Die Stimmung in seinem Team sei gut. "Allerdings haben die Expats in der Tendenz höhere Positionen als die Einheimischen. Dadurch gibt es manchmal Spannungen."

Viele Äthiopier orientieren sich noch stark an ihrer "Stellung": "Unser Fahrer zum Beispiel spricht mich heute noch mit 'Sir' an, obwohl ich ihm mehrmals gesagt habe, er soll mich doch Achim nennen", sagt Fock. Aber offensichtlich fühle sein Fahrer sich wohler, wenn er seinen Chef mit "Sir" ansprechen könne. "Ich musste erst verstehen lernen, dass es für ihn nicht darum geht, Distanz aufzubauen, sondern Respekt zu zeigen."

Was ihn am Land beeindruckt? "Vor allem der Stolz der Äthiopier auf ihr Land und ihre Traditionen. Sie haben den starken Wunsch, ihr Land weiterzuentwickeln." Außerdem seien viele Äthiopier sehr ernsthaft in ihrer Lebensauffassung, basierend auf einer tiefen Religiosität. "Und sie haben strenge Moralvorstellungen", sagt Achim Fock. Sich wirklich mit Einheimischen anzufreunden sei indes schwierig - obwohl sie eigentlich sehr aufgeschlossen seien. "Ich glaube, den meisten hier sind Ausländer willkommen." Zum Freundeskreis der Familie gehören aber nur wenige Äthiopier. Und wenn, dann sind es solche, die selbst schon mal länger im Ausland waren.

An die Armut im Land habe er sich auch nach gut anderthalb Jahren nicht gewöhnt, sagt Achim Fock. "Das geht mir heute noch nahe." Viele Bettler leben auf Addis Abebas Straßen, die Kinder laufen in zerrissenen Schuluniformen und nicht selten ohne Schuhe herum. "Zahlreiche Straßenzüge sind ohne regelmäßige Wasserversorgung und haben keinen Anschluss an die Kanalisation." Andererseits gebe es einen Bauboom, durch den die Straßen nach und nach modernisiert würden. "Aber das Land hat einfach sehr viel aufzuholen."

Trotz der großen Armut fühlt sich Achim Fock in Addis Abeba sicher. "Dies ist eine der wenigen Städte in Afrika, in denen man sehr gut auch mit Familie leben kann", sagt er. Einfach mal bummeln gehen die Focks dann aber doch nicht: "Allerdings nur, weil es anstrengend ist, zu fünft unterwegs zu sein. Man wird ständig von Leuten angesprochen, die etwas verkaufen wollen." Oft auch von Bettlern. "Das ist es, was ich hier ein bisschen schwierig finde: die Selbstverständlichkeit, mit der Ausländer als reich angesehen werden", sagt Fock. "Es gibt eine Mentalität, die davon ausgeht, dass wohlhabende Menschen auch Almosen geben müssen." Das tue er zwar, schließlich sei es seine Überzeugung, dass man Armen helfen müsse. "Aber Bettlern etwas zu geben ist nicht das, was ich unter Entwicklungshilfe verstehe."

Voraussichtlich noch ein Jahr wird die Familie in Addis Abeba bleiben. Dann endet Achim Focks Expat-Vertrag und es geht weiter - wahrscheinlich wieder nach Washington, DC, in die Zentrale der Weltbank. Oder nach Hamburg? "Vielleicht als Rentner", sagt der 41-Jährige und lacht. Er könnte sich auch um eine Verlängerung in Äthiopien bemühen, weiß aber noch nicht, ob er das will. "Für die Kinder sind längere Aufenthalte sicher besser, aber das Leben hier ist nicht so einfach wie in Hamburg, Washington, DC, oder Peking." Zum Beispiel seien Stromausfälle - manchmal tagelang - trotz eines eigenen Generators auf die Dauer zermürbend. Doch missen möchte Achim Fock seine Station in Addis Abeba ganz bestimmt nicht. "Ich werde sicher auch in Zukunft des Öfteren nach Afrika zurückkehren."

Lesen Sie am nächsten Wochenende: Teil 10 - Dr. Jürgen Vogt von Fahnenfleck in Südafrika