Werberin Anne Busch von der Agentur Draftfcb lebt und arbeitet seit ein paar Wochen in China.

Von ihrem Büro im 20. Stock aus hat sie einen fantastischen Blick: "Ich schaue in ein Meer von Hochhäusern", sagt Anne Busch. "Die Skyline ist gigantisch." Die 31-Jährige ist Account-Managerin bei der Werbe-Agentur Draftfcb in Hamburg - und gerade auf mehrmonatiger Arbeitsvisite in der chinesischen Niederlassung. "Shanghai ist ständig in Bewegung, auf ganz vielen Baustellen wird pausenlos gearbeitet." Nicht zuletzt, weil 2010 die Expo in der 18-Millionen-Metropole zu Gast sein wird. "In Shanghai regiert das Business, sagt man. Und das stimmt."

Mit ihren Kollegen spricht Anne Busch vor allem Englisch - obwohl sie aus Schulzeiten auch ein bisschen Chinesisch kann. "Ich versuche, im Alltag immer ein bisschen was von der Sprache mitzunehmen." Im Restaurant Essen bestellen klappt manchmal schon ganz gut. Dort ist man allerdings oft auf englischsprachige Kundschaft eingerichtet. Anders ist das beim Taxifahren: "Die Fahrer sprechen nur Chinesisch", sagt Busch. "Jeder, der die Sprache nicht beherrscht, wagt sich nur mit einem Zettel, auf dem sein Ziel steht, ins Taxi."

Anne Buschs Team ist international. "Asiatisch international", erklärt die Werberin. Sie sei eine der wenigen Kollegen aus dem Westen. "Doch hier arbeiten auch eine Menge Chinesen, die in den USA aufgewachsen sind." Auf Englisch könne man sich also mit vielen verständigen. "Außer mit den Kreativen, die meisten von ihnen sprechen nur Chinesisch." Aber dann helfen eben die anderen Kollegen und übersetzen.

Über den in allen Business-Ratgebern erwähnten "Gesichtsverlust", den man Asiaten nicht zufügen dürfe, hat sie natürlich vorab auch nachgedacht. "Man ist ein bisschen vorsichtiger und drückt sich diplomatisch aus", sagt sie. "Andere Meinungen darf man natürlich auch hier haben." Im Großen und Ganzen unterscheidet sich ihre Arbeit in Shanghai nicht sehr von der in Hamburg, findet Anne Busch. "Zum einen, weil wir eine internationale Agentur sind und viele Kollegen hier schon Auslandserfahrung haben, zum anderen, weil Shanghai sehr westlich orientiert ist, im Rest von China ist das sicher anders." Einen Kulturschock habe sie jedenfalls nicht erlitten, sagt sie lachend. Die Einheimischen aber auch nicht: "Hier gibt es viele Expatriates, sogar der Einzelhandel hat sich darauf eingestellt." In den Supermärkten könne man zahlreiche westliche Produkte kaufen, erzählt sie. "Und auch eine deutsche Bäckerei habe ich hier schon gesehen."

Ihre Kollegen interessieren sich sehr fürs Ausland, hat Anne Busch festgestellt. "Sie fragen mich viel." Zwei von ihnen haben die Hamburger Kollegin gleich unter ihre Fittiche genommen, besuchen mit ihr Sehenswürdigkeiten und integrieren sie, wenn das Team abends noch zusammen ausgeht. Dabei gehen die Lacher auch schon mal auf Kosten der deutschen Austauschkollegin: "Neulich wurde mir im Restaurant 'Jumping Chicken' zum Probieren angeboten - und ich habe es arglos gegessen. Erst hinterher haben sie mir verraten, dass das Frosch war ..." Geschmeckt hat es ihr trotzdem, wie fast alles hier. "Das Essen ist aber ganz anders als in deutschen China-Restaurants, wahrscheinlich wird es dort auf den europäischen Geschmack ausgerichtet." Authentisch mag sie es lieber.

Authentisch wie die Tai-Chi-Kämpfer, die zuhauf auf den Grünflächen der Stadt ihrem Sport nachgehen. Was Anne Busch allerdings wundert: "Hier wird in den Parks auch Standard getanzt!" Gerade ältere Paare scheinen Spaß daran zu haben. "Sie stellen sich einen großen Gettoblaster hin und legen los."

Aber nicht alles, was sie in ihrem Teilzeitzuhause entdeckt, ist so positiv. Der Smog zum Beispiel: "Man kann ihn nicht nur spüren, sondern auch richtig sehen", sagt Anne Busch. Mit den Restriktionen, die die Regierung dem Internet auferlegt, kann sie sich auch nicht anfreunden. "Manche Seiten sind komplett geblockt", erzählt die Account-Managerin. "Youtube ist seit April gesperrt, Facebook seit der Krise mit den Uiguren." Anne Busch hat eine Kollegin gefragt, wie die Einheimischen das finden. "Es wird hingenommen", hat sie erfahren, "aber nicht wirklich als Eingriff in die persönliche Freiheit verstanden."

Lesen Sie am nächsten Wochenende: Teil 3 - Unternehmensberater Udo Geske in Wien