Berlin. Die Ampel setzt auf Windkraft, damit die Energiewende gelingt. Doch dies bringt ein neues Problem mit sich. Womit Forscher rechnen.

  • Um den Klimawandel einzudämmen, setzt Deutschland vermehrt auf Windräder
  • Das Problem: Diese sind kaum recycelbar
  • Macht die Bundesregierung durch die Energiewende erneut den AKW-Fehler?

Es ist eigentlich ein Treppenwitz: Vor allem mit Windenergie will die Bundesregierung die Energiekrise klimafreundlich lösen, doch sie bringt damit neue Umweltprobleme hervor: Denn die Windkraftanlagen, genauer die Rotorblätter, sind bisher nicht recycelbar und damit nicht für die ressourcensparende Kreislaufwirtschaft geeignet.

Bis zu 25 Jahre sind Windräder in Betrieb, das heißt, die ersten älteren Anlagen werden jetzt landauf landab verschrottet. Denn sie fallen aus der Förderung des Erneuerbare-­Energien­-Gesetzes, für die Besitzer lohnt sich der Betrieb meist nicht mehr. Insgesamt stehen laut Bundesverband Windenergie 28.443 Anlagen in Deutschland – die Windräder auf dem Wasser nicht mitgezählt. 80 bis 90 Prozent der Bauteile eines Windrads lassen sich laut einer Schätzung des Verbands Wind Europe wiederverwerten.

Der Rest der alten Windmühlen bereitet allerdings Probleme, bestätigt die Bundesregierung in einer schriftlichen Anfrage. Darin schreibt Christian Kühn (Grüne), Parlamentarischer Staatssekretär im Umweltministerium: „Rotorblätter bestehen überwiegend aus carbon- und glasfaserverstärkten Kunststoffen. Für diese Faserverbundwerkstoffe gibt es derzeit noch keine optimal auf die Materialien angepassten Verwertungswege.“ Es sei eine „Herausforderung“ diese Stoffe wieder in den Kreislauf zu bringen.

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Windkraftanlagen erzeugen pro Jahr 15.000 Tonnen Müll in Deutschland

Der Grünen-Politiker verweist auf einen Forschungsbericht des Umweltbundesamts (Uba) aus dem Jahr 2022. In dem 582-seitigen Bericht schreiben die Wissenschaftler, dass sie 2030 mit erhöhtem Abfallaufkommen von mehr als 15.000 Tonnen pro Jahr rechnen. Die Forscher prognostizieren, dass zwischen 2021 und 2040 zusammengefasst über 600.000 Tonnen nicht recycelbarer Müll entsteht. Forscher des Darmstadter Öko-Instituts gehen in einem Bericht für die Europäische Umweltagentur sogar davon aus, dass die Menge an Abfall aus Windrädern in der EU bis 2025 auf 3,3 Millionen Tonnen und bis 2030 auf 4,7 Millionen Tonnen ansteigen wird.

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Unklar ist zudem, inwieweit die Stoffe, die beim Rückbau der Windräder freigesetzt werden, für Menschen schädlich sind. Die Autoren der Studie des Öko-Instituts schreiben, dass besonders die Windradflügel aus Kohlenstofffasern in den üblichen Verbrennungsprozessen gefährlich werden, da sie ähnlich wie Asbest reagieren. Forscher vergleichen den Windkraftabfall schon mit Atommüll: „Die Atomkraftwerke hat man auch ein­geschaltet, ohne über das Recycling nachzudenken, also darüber, was mit dem lebensgefährlichen Abfall passieren soll“, sagt der Ressourcenforscher Winfried Bulach. Die Recycling-Infrastruktur müsse jetzt weiter ausgebaut werden, um die Abfallströme richtig zu behandeln.

Hier wird eine neue Windenergieanlage an der Grenze zwischen Ruhrgebiet und Münsterland wegen Baumängeln gesprengt. Die Entsorgung ist schwierig.
Hier wird eine neue Windenergieanlage an der Grenze zwischen Ruhrgebiet und Münsterland wegen Baumängeln gesprengt. Die Entsorgung ist schwierig. © picture alliance/dpa | Patrick Pleul

Klimaschutz: Beim Recycling von Windkraftanlagen herrscht noch keine Eile

Bei der Wirtschaft herrscht noch keine Eile: Das Fraunhofer Institut für Chemische Technologie (ICT) hat 49 Unternehmen aus den Bereichen der Windenergietechnik und Faserverbundwerkstoffentsorgung gefragt, ob und wie sie recyceln. Intensiv beschäftigen sich lediglich zwei große Hersteller für Windkraftanlagen mit dem Thema. Das bestätigt auch EnBW Energie Baden-Württemberg, die derzeit 270 Windkraftanlagen in Deutschland betreibt (Stand 12/2021). „Wir haben bislang selbst keine zu verwertenden Rotorblätter“, sagte eine Unternehmenssprecherin unserer Redaktion. Eine Firma in Bremen schreddert gebrauchte Rotorblätter, um sie als Brenn- und weiterverwertbaren Rohstoff verwendbar zu machen. Zudem gibt es bei einigen Herstellern Projekte mit Rotorblättern aus Holz.

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Eine Sprecherin des Windenergie-Verbands sagte unserer Redaktion: „Der derzeitige Weg der thermischen Verwertung ist der einzig im großen Maßstab gangbare Weg.“ Doch besonders bei Rotorblättern aus Kohlefasern (CFK) sei das schwierig, denn sie verbrennen nicht. Ressourcenforscher Bulach sagt, die CFK müssten mittels eines Eisenbadreaktors oder unter Druck mit Sauerstoff verbrannt werden, was aufwendig und teuer ist.

Opposition warnt vor „Abfallflut“ alter Windkraft-Rotoren

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Fabian Gramling sagte unserer Redaktion: „Die Ampel schafft mit den Windrädern von heute das Problem von morgen.“ Die Regierung müsse dringend die nachhaltige Beseitigung und Wiederverwertung mitdenken, sonst drohe Deutschland „in einer Abfallflut zu ersticken“. Der Energiepolitiker fordert technologieoffene Förderung bundesweiten Pilotprojekte.

Was passiert sonst mit den Windrädern? Ein erheblicher Teil der stillgelegten Windenergieanlagen wird nach Osteuropa oder Lateinamerika exportiert, schreibt die Forschergruppe des Ökoinstituts. Auch das ICT geht von einem Weiterbetrieb vieler Anlagen im Ausland aus. In den USA werden die Blätter auf Deponien vergraben. In Deutschland bleibt nach Ablauf der EEG-Förderung häufig der Turm stehen, die Gondel und Rotorblätter werden erneuert – sogenanntes Repowering. Die Wissenschaftler raten, die Politik sollte Anreize oder finanzielle Unterstützung setzen, damit die Wirtschaft schnell eine Recycling-Infrastruktur für Windkraftanlagen aufbaut. „Der Gesetzgeber muss handeln, die Entsorgungsfrage sollte man europäisch angehen“, sagte Ressourcenforscher Bulach. Auf EU-Ebene müsse man Regelungen für die Windkraftindustrie festlegen, denn die Branche sei verantwortlich für ihre Produkte.

Da manche Hersteller schon darüber nachgedenken, ausgediente Windräder im Meer zu versenken, müsste die Ampel-Koalition schnell handeln. Schließlich soll in sieben Jahren 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen. Dazu müssten Windkraftanlagen viermal so schnell aufgebaut werden, als bisher, wo der Zubau pro Jahr bei um die 450 Stück liegt.

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