Berlin. Die Atomkraftwerke in Deutschland gehen vom Netz. Droht jetzt eine Explosion der Strompreise? Die FDP plant schon eine neue Entlastung.

Die vom Krieg in der Ukraine ausgelöste Energiekrise steckt auch nach der Hochphase vielen noch in den Knochen. Innerhalb von bloß wenigen Wochen waren die Energiepreise in Deutschland explodiert. Die Gas- und Heizölpreise hatten sich 2022 zeitweise mehr als verdoppelt. Auch der Strompreis hat sich in vielen Verträgen verteuert – insbesondere in der Grundversorgung. Seit Jahresbeginn hat sich der Energiemarkt nun beruhigt. Die Preise für Heizöl oder auch Gas sind deutlich gesunken und auch Stromanbieter locken wieder mit günstigen Angeboten.

Aus für Atomenergie ab Samstag: Wird Strom jetzt teurer? Grünen-Politikerin mit gewagter Aussage

Seit April hat sich der Strompreis bei rund 48 Cent je Kilowattstunde (kWh) eingependelt. In Ökostrom- und Alternativtarifen kostet eine kWh zwischen 30 und 35 Cent – doch wird sich dieses Preisniveau weiter halten? Am Samstag gehen die letzten noch aktiven Atomkraftwerke vom Netz. Die Ampel-Koalition hatte die Laufzeit in der Energie- und Preiskrise 2022 noch einmal verlängert. Ab dem Wochenende soll jetzt aber endgültig Schluss sein mit Atomstrom. Die Grünen zeigen sich optimistisch.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) spricht im "MDR-aktuell"-Interview sogar von weiter sinkenden Strompreisen in Deutschland. "Der Strompreis wird günstiger werden – je mehr Erneuerbare wir haben." Das Aus für die Atomkraft begrüßt die Grünen-Politikerin. Atomkraft sei in der Herstellung und Produktion teuer. Zudem sei die Frage der Endlagerung weiterhin ungeklärt. Derzeit stehe der Atommüll in Zwischenlagern in der ganzen Republik. Auch das koste richtig viel Geld.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt erwartet, dass der Strompreis günstiger wird, wenn mehr erneuerbare Energie genutzt wird.
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt erwartet, dass der Strompreis günstiger wird, wenn mehr erneuerbare Energie genutzt wird. © Kay Nietfeld/dpa

Twitter-Nutzer schießen gegen Göring-Eckardt: "Soll ich mir jetzt ein Windrad in den Garten stellen?"

Die Kosten dafür trügen laut Göring-Eckardt die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen "und vor allen Dingen die künftigen Generationen". Zudem sei für die Versorgungssicherheit in Deutschland keine Atomkraft mehr nötig. Sie habe "keine wesentliche Rolle mehr gespielt – auch nicht im letzten Winter". Weiter an der Atomkraft kritisiert die Grünen-Politikerin die mangelnde Flexibilität. "Man kann sie gerade nicht bei Spitzen zuschalten. Dafür brauchen wir noch andere Energieträger." Für die Übergangszeit sei Gas im Moment noch die bessere Variante.

Kritik an Göring-Eckardts Aussagen hagelt es auf Twitter. Das Ja zum Ausstieg aus der Atomkraft sei auch ein Ja zum Weiterbetrieb der Kohlekraft, schreibt ein User und ergänzt: "Der Netzausbau und Ausbau der Erneuerbaren geht nur schleppend voran. Strom wurde unter Grün nur teuer." Eine Userin nimmt es mit Sarkasmus: "Soll ich mir jetzt ein Windrad in den Garten stellen?" Göring-Eckardt jedenfalls ist von ihrer Prognose der Strompreise überzeugt. Auf Twitter textete sie nach ihrem "MDR"-Interview noch: "Energie aus Wind und Sonne kriegen wir zum Nulltarif – verlässlich und sicher."

Strompreis ab 2023: Forscher der Univer­sität Köln geben Prognose – ab wann die Preise ansteigen

In Expertenkreisen ist man sich im Hinblick auf die weitere Entwicklung der Strompreise in Deutschland weniger sicher. Das Energiewirtschaftliche Institut der Univer­sität Köln (EWI) geht in einer Analyse für die "Frankfurter Allgemeine" von gleichbleibenden Gas- und Strompreise bis zum Jahr 2026 aus. Danach könnte der Strompreis tendenziell ansteigen. Dieser Trend zeichnet sich auch mit Blick auf die langfristige Strompreisentwicklung seit 2000 ab.

Nach Informationen von "Finanztip" ist der Strompreis in der Zeitspanne 2000 bis 2023 kontinuierlich von rund 14 Cent pro kWh auf rund 48 Cent pro kWh Strom in der Grundversorgung angestiegen. Fallende Energiepreise sind mit Blick in die Statistik eher nicht zu beobachten. Auch deshalb möchte die FDP die Bürger auch nach Ende der seit März geltenden Gas- und Strompreisbremse weiter entlasten. Laut einem der Deutschen Presse-Agentur (DPA) vorliegenden Positionspapier zur Energiepolitik wollen die Liberalen die Stromsteuer auf das EU-Minimum absenken.

FDP plant nächste Entlastung für Stromkunden: Wie viel günstiger eine kWh Strom werden könnte

Das würde den Netto-Preis für die Verbraucher um rund zwei Cent pro kWh senken. "Langfristig wollen wir uns auf EU-Ebene zudem dafür einsetzen, dass die Stromsteuer ganz entfällt." Auch Länder und Kommunen sollen einen Beitrag zur Senkung der Strompreise leisten. Den FDP-Plänen zufolge soll komplett auf die sogenannte Konzessionsabgabe von circa 1,66 Cent pro kWh verzichtet werden "Weitere Entlastungen der Stromkunden sollen geprüft werden." Die Konzessionsabgabe ist ein Entgelt der Netzbetreiber an die Kommune.

Mit dieser Abgabe bezahlen die Stromanbieter dafür, dass Straßen und Wege für den Betrieb von Stromleitungen benutzt werden können. Unklar aber ist, ob sich die Kommunen auf solche Pläne einlassen. Für sie würde damit eine Einnahmequelle wegfallen. Die Liberalen jedenfalls stehen zu ihren Plänen. Der energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion – Michael Kruse – betont die Notwendigkeit neuer Entlastungen. "Energie muss wieder für alle Menschen und Unternehmen in diesem Land bezahlbar werden. Zudem müssen wir die Krisenfestigkeit unseres Energiesystems stärken."

Michael Kruse, energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, spricht sich für weitere Entlastungen in der Energiepolitik aus.
Michael Kruse, energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, spricht sich für weitere Entlastungen in der Energiepolitik aus. © Jonas Walzberg/dpa/Archivbild

Fazit zur Entwicklung der Strompreise: So groß ist der Einfluss der Atomenergie auf die Preise

Das Fazit zur Entwicklung der Strompreise: Grünen-Politikerin Göring-Eckardt glaubt an sinkende Strompreise und führt ihre Prognose auf den Ausbau der erneuerbaren Energien zurück. Experten sind bei dieser Frage zurückhaltender und glauben eher an zunächst stagnierende Energiepreise. Auch der Blick auf die Strompreisentwicklung der letzten 20 Jahre zeigt: Die Preise sind eher gestiegen und nicht gesunken. Ob daran das Aus der letzten noch aktiven Atomkraftwerke etwas ändert? Fraglich.

Zumal der Anteil der Atomenergie an der Stromversorgung in Deutschland zuletzt nur noch sechs Prozent betragen hatte. Nach Informationen des Statischen Bundesamts (Destatis) wird der meiste Strom über Kohle (45 Prozent) und Windkraft (43 Prozent) ins Stromnetz eingespeist. Die Kernenergie bildet zusammen mit Biogas und Wasserkraft das Schlusslicht und kommt auf unter zehn Prozent Netzanteil. Rein auf diese Zahlen betrachtet dürfte der Ausstieg aus der Kohle gravierendere Folgen für die Energiepreise haben. (mit dpa-Material)