Klaus-Bärbel ist ein Stachelschwein. Aber ist es eigentlich ein Männchen oder Weibchen? Auch die Tierpfleger bei Hagenbeck sind ratlos.

Stellingen. Stellen Sie sich vor, jemand würde Ihnen ein ausgewachsenes Stachelschwein schenken. "Wie hübsch", würden Sie vielleicht noch denken, bevor sie dem auffälligen Genossen einen Namen geben wollen. Doch verdammt - ist es eigentlich ein Männchen oder Weibchen? Und weil Umdrehen und Nachgucken eine wirklich saublöde Idee bei einem Stachelschwein ist - es hat vorne richtig große Zähne und fast überall Stacheln - sitzen Sie in der Falle. Genau so geht es Tony Kershaw. "Wir können unsere Stachelschweine äußerlich nicht unterscheiden", sagt er. Und so hat der pragmatische Reviertierpfleger in Hagenbecks Tierpark den Tieren kurzerhand einheitlich einen für ein geschlechtsunbestimmtes Nagetier nahezu konkurrenzlosen Namen verpasst: Klaus-Bärbel.

Klaus-Bärbel ist ein Weißschwanzstachelschwein, wie der Tierpark auch erst seit Kurzem weiß. "Wir dachten immer, dass wir die Gewöhnlichen oder auch Westafrikanischen Stachelschweine haben", sagt Tony Kershaw. Doch dann bekam ein Stachelschwein-Experte ein Foto der Tiere zu Gesicht und folgerte anhand der farblichen Verteilung der schwarz-weißen Stachelringelung, dass es sich um Weißschwanzstachelschweine handelt. Diese kommen in Südosteuropa, dem Nahen Osten und auf dem Indischen Subkontinent vor.

Die sechs Hamburger Tiere sind allesamt Zoonachzuchten. So stammt das erwachsene Männchen, 12, aus Osnabrück. Er teilt sich das Gehege neben der Löwenschlucht mit drei erwachsenen Weibchen, 14, 8 und 4, sowie dem gemeinsamen Nachwuchs: einem männlichen und einem weiblichen Jungtier aus dem Jahr 2009. Kershaw: "Die Tiere leben in einem engen Familienverband und hängen immer zusammen rum. Frisst eines, fressen alle; schläft eines, schlafen alle." Wobei gerade das gemeinsame Ruhen Zootierarzt Dr. Michael Flügger immer wieder erstaunt: "Ich frage mich, wie die wieder auseinanderkommen, so eng liegen sie verschachtelt. Und das mit den Stacheln!" Mikado ist nichts dagegen.

Die Tiere haben die längsten Stacheln aller Säugetiere: Einzelne Spieße können bis zu 40 Zentimeter lang werden, andere erreichen einen Durchmesser von sieben Millimetern. Von den umgewandelten Haaren haben Klaus-Bärbel und Artgenossen ganz unterschiedliche: kurze, stabile am Schwanz und längere, flexiblere über den Körper verteilt. Dazu kommen noch weiche Wollhaare.

Einmal bohrte sich ein Stachel durch die Hand eines Pflegers

Mit einem Gerücht bezüglich der "Bewaffnung" räumt Flügger auf: "Stachelschweine können ihre Stacheln nicht abfeuern. Diese Geschichte ist totaler Blödsinn." So ein "hohles Hornding" flöge doch auch überhaupt nicht gut. Dass es dennoch zu der landläufigen Meinung kam, erklärt er sich damit, dass die Stacheln, wie alle Haare, ausfallen können, und dass bei ihrem schnellen Aufstellen im Bedrohungsfall schon mal einer verloren ginge.

Generell seien die sechs Klaus-Bärbels wenig ängstlich, so Flügger: "An die traut sich ja auch keiner ran!" Kershaw berichtet, dass bei den afrikanischen Verwandten in freier Wildbahn selbst Löwen das Nachsehen hätten.

Bei Hagenbeck haben die Tiere mit den hübschen Gesichtern deshalb ihr eigenes Gehege - und gefährden höchstens Pfleger und Tierärzte. "Durch Gummistiefel und Handschuhe gehen die Stacheln locker durch. Durch meine Hand übrigens auch", sagt Kershaw und lacht ein wenig gequält, als er sich an den Vorfall erinnert.

Ein Exemplar der Klaus-Bärbels erschrak nach einer Bewegung des Tierpflegers und reagierte prompt mit dem Aufstellen der Stacheln und einem Angriff im Rückwärtsgang. Das Missverständnis endete mit einer durchbohrten Hand und dem einzigen Mal in seiner Berufslaufbahn, bei dem Kershaw schwarz vor Augen wurde.

Dennoch liebt er seine überwiegend passiven, sehschwachen Klaus-Bärbels sehr. "Die dämmerungs- und nachtaktiven Tiere sieht man am besten morgens und mittags zur Schaufütterung", verrät er, wenn die 90 Zentimeter langen und bis zu 25 Kilogramm schweren Nagetiere Obst und Gemüse bekommen. Ansonsten schlafen die Bewohner von Steppen und lichten Wäldern viel in ihrer Höhle. Klaus-Bärbel an Klaus-Bärbel an Klaus-Bärbel ...

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