Schlucki ist einer der auffälligsten Bewohner der sogenannten Schatzkammer in Hagenbecks Tropen-Aquarium.

Hamburg. In diesem Herbst trägt Schlucki Lila. Bisher hatte bei ihm, unter Wasser, ja die Farbe Gelb Oberwasser. "Doch dann hat er plötzlich umgefärbt", sagt Sven Vogler. Schuld an dem Farbwechsel des Fischs könnte die Einrichtung des Aquariums sein, vermutet der Tierpfleger: viele rote Algen, in denen sich Schlucki mit seiner neuen Tracht jetzt viel besser verstecken kann.

Schlucki ist ein Tentakel-Schluckspecht, lateinisch Rhinopias frondosa, der auch Tentakel-Drachenkopf genannt wird. Er zählt zur Familie der Skorpionsfische - und zu den auffälligsten Bewohnern der sogenannten Schatzkammer in Hagenbecks TropenAquarium. Dennoch wird er immer wieder gerne übersehen.

"Vor drei Monaten ging es los", erzählt Vogler über die Metamorphose des Fischs, der seit knapp einem Jahr als Einziger seiner Art in Hamburg zu Hause ist. Schlucki wurde da plötzlich "so schmutzig-braun". Sorgen machten sich die Tierpfleger keine, vielmehr verfolgten sie den Prozess mit Spannung: "In Gelb war er einfach zu auffällig für das Becken. Das scheint ihm klar geworden zu sein", sagt Vogler und lacht. Er findet den Tentakel-Schluckspecht "ganz wunderbar", wie dieser seinen Tag damit verbringt, einen algenbewachsenen Stein zu imitieren.

Das gelingt ihm dermaßen gut, dass immer wieder Besucher von dem kleinen Aquarium weggehen und sagen: "Da ist nichts drin." Ist es doch! Meist sitzt Schlucki sogar direkt mittig vor der Scheibe. Doch mit seinen 30 flatterhaften Bauchflossen tarnt er sich einfach extrem gut und ähnelt viel mehr einer Pflanze als einem Tier, sodass man schon sehr genau hinsehen muss, um ihm auf die Schliche zu kommen.

Ein guter Ansatz zu seiner Enttarnung sind dabei seine Augen. Diese ähneln bunten Spiegeln. "Das ist der Effekt wie bei Katzen", erklärt Vogler. "Das Tapetum, eine Schicht hinter der Netzhaut, reflektiert das Licht." Diesen Augenaufbau haben viele Tiere, die an schwächere Lichtbedingungen angepasst sind. Dem alten Lauerjäger Schlucki hilft es, wenn er auf dem Meeresgrund auf Beute wartet. Kleine Fische und Garnelen "atmet er regelrecht ein", wie Sven Vogler sagt. Denn wie viele andere Fische und auch einige Reptilien fangen Tentakel-Schluckspechte ihre Beute nach dem Saugschnapp-Prinzip. Für das lautet die Kurzformel: große Klappe, schnell und weit aufgerissen, verspricht die fettesten Brocken.

Tentakel-Schluckspechte, die eine Körperlänge von 24 Zentimetern erreichen können, leben in tropischen und subtropischen Flachgewässern. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Ostafrika über die Küstengebiete des Indopazifiks bis in den westlichen Pazifik. Hier leben sie bevorzugt am Fuße von Korallenriffen, in Tiefen von bis zu 30 Metern.

Schluckspechte sind Einzelgänger, die nur zur Balz aufdrehen

Bei Hagenbeck lebt der typische Einzelgänger (der nur zur Paarung romantisch wird, denn die findet meist bei Vollmond statt) derzeit mit zwei jungen Bambushaien und einem Mirakelbarsch zusammen. Der Mirakelbarsch steht dem Schluckspecht in der Nummer "Ich bin was ganz anderes, als ihr denkt" in nichts nach, sagt Vogler: "Mit einem Fleck auf der Schwanzspitze, die einem Auge ähnelt, imitiert er eine Muräne." Interaktionen zwischen den Tieren hat der Tierpfleger jedoch noch keine beobachtet.

Dabei kann der so lethargisch wirkende Schluckspecht auch ganz anders: Während der Balz sollen die Fische recht aggressiv werden können. Vielleicht ist ihm das Gedrängel einfach zu groß, wenn er mit Hunderten Artgenossen an den Küsten zusammenkommt, um sich fortzupflanzen. Dabei ist das Ganze schnell vorbei: werden doch die Eipakete von den Weibchen ins Wasser abgegeben, von den Männchen besamt, und dann der Strömung überlassen.

Irgendwo in den Weiten des Meeres, unter der Wasseroberfläche, schlüpfen dann die Larven, bevor sie am Meeresgrund ihren Tarnjob aufnehmen. "Richtig frei schwimmen können die Tentakel-Schluckspechte nämlich nicht", sagt Sven Vogler. "Ihnen fehlt die Schwimmblase." Deshalb würde die Fortbewegung von Schlucki auch eher wie ein Hopsen aussehen. Wie sich die (farbliche) Entwicklung von Schlucki weiter gestaltet kann Vogler nicht abschätzen. Mit 15 Zentimetern Länge ist er noch nicht ausgewachsen. Dass er jedoch jetzt schon ein Großer in der Gunst der Besucher ist, beobachtet der Tierpfleger immer dann, wenn er "Kommt zurück, kommt zurück, ich hab hier was entdeckt ...!" hört. Dann wurde der Stein enttarnt.

Lesen Sie nächsten Mittwoch: Stachelschwein Klaus-Bärbel