Berlin. Wer sich in Deutschland als Frau gegen Nachwuchs entscheidet, vermeidet erhebliche Existenzängste heute und später.

Neulich bekam ich eine E-Mail von einer Frau, die ich kurz zuvor als Expertin für unsere Zeitungen interviewt hatte. Einer Hebamme aus meiner Heimatstadt Bonn.

Sie schrieb mir, dass nun nach einem Leben lang arbeiten, einzahlen, zwei Kindern, ihr Rentenbescheid gekommen sei. Auf diesem stehe, dass sie ab jetzt monatlich rund 530 Euro Rente erhalten werde. Klar sei ihr, dass sie Grundsicherung beantragen müsse.

Ansonsten wisse sie auch nicht, was dazu noch zu sagen sei. Ihre E-Mail, das muss ich zugeben, machte mich so betroffen, dass ich sie bis dato unbeantwortet ließ (aber ich werde bald antworten).

Das Geld wird in die Kinder gesteckt – und dann?

Vielleicht, weil es zu dicht an mir dran ist, hart wie ein Schlag ins Gesicht: Eine Frau aus Bonn, zwei Kinder, ein Leben Vollzeit gearbeitet, das könnte ja – wie soll ich sagen – eines Tages auch ich sein.

Und wenn diese Mail wie eine umsichtige Warnung aus dem Universum wirken sollte, wie Charles Dickens Weihnachtsgeschichte für Mütter: Was sollte ich dann heute tun, im Hier und Jetzt, wo alle Fakten auf dem Tisch sind?

Ich werde wohl wenig Rente bekommen, ich bin aber gezwungen (der profane Grund der Liebe) alles in die Kinder zu stecken – und wie mir geht sehr, sehr vielen Frauen. Millionen.

Mütter verdienen auch noch weniger als Männer

Im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ sagte der Ökonomie-Professor Josef Zweimüller jüngst: „Für Frauen sind Kinder beim Gehalt eine Strafe. Mütter verdienen auch dann noch erheblich weniger als Männer, wenn das erste Kind fünf bis zehn Jahre alt ist.“

Zweimüller war an einer aktuellen internationalen Studie beteiligt mit dem Namen „Child Penalities“ („Nachteil Kind“). In dieser wurden die Gehaltsveränderungen von Eltern in Dänemark, Schweden, Deutschland, Österreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten untersucht.

Das Ergebnis: In allen sechs Ländern konnten erhebliche Einbußen beim Gehalt der Mütter festgestellt werden. Deutschland belegt bei diesem Vergleich (wieder mal wie in vielen familienpolitischen Studien) den traurigen letzten Platz: Zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes verdienen Mütter im Schnitt 61 Prozent weniger als im letzten Jahr vor der Geburt. Bei Vätern konnte dieser Einbruch übrigens nicht festgestellt werden.

Was macht eigentlich die Bundespolitik?

Die Studie kam vor wenigen Wochen heraus. Und ich fragte mich dann, was Bundespolitiker da so machen. Lassen Sie solche Meldungen wie Wolken an sich vorbeiziehen? Denken sie dann, dass die 300.000 fehlenden Kita-Plätze in Deutschland, der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen in der freien Wirtschaft, die vielen Väter, die keine Elternzeit nehmen, damit in Zusammenhang stehen?

Denken sie, ein paar Motivationskampagnen hier, ein paar Feierlichkeit zu 100-Jahren-Frauenwahlrecht und ein neuer gesetzlicher Feiertag in Berlin werden es schon richten?

Echte Veränderung geht nur über die große politische Bühne

Die Hebamme aus Bonn, die mir schrieb, sagt, sie habe immer alles Geld, was sie hatte, in ihre Familie gesteckt, keine Rücklagen gemacht, keinen Unterhalt vom Vater ihrer Kinder angenommen.

Sie pflegte ihre Freizügigkeit, sie nahm nie etwas von einer zweiten Partei an. Damals in den Achtzigern sagten viele prominente Frauen wie Alice Schwarzer, dass Frauen alles schaffen können. Damals riefen alle E-M-A-N-Z-I-P-A-T-I-O-N, heute rufen wir F-E-M-I-N-I-S-M-U-S.

Vielleicht wird uns das auch eines Tages auf die Füße fallen. Weil Aktionismus, Kampagnen und Social-Media-Empowerment im Grunde nichts bringen. So wenig wie damals Massendemonstrationen. Im Gegenteil: Echte Veränderungen werden nur über die große politische Bühne möglich sein. Über eine umfassende Rentenreform. Es wird Zeit, Ladys.

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