Berlin. Marie Kondo hat eine erfolgreiche Netflix-Serie, in der sie aufräumt. Doch statt aufzuräumen, müssten wir doch weniger konsumieren.

Vor genau zwei Wochen schrieb ich hier an dieser Stelle über Marie Kondo. Die japanische Erfinderin des sogenannten Magic Cleaning ist mittlerweile auch US-Bürgerin, mehrfache Bestseller-Autorin und Host ihrer eigenen gleichnamigen Netflix-Serie. In dieser tut sie sehr sympathisch und unprätentiös das, womit sie erfolgreich wurde: aufräumen. Und das bei anderen Leuten. Einem Rentnerpaar, einer jungen Familie, einer Frau, die kürzlich ihren Mann verloren hat.

Um die Serie gibt es mittlerweile einen weltweiten Hype. Zeitungsartikel, Kolumnen, Fernsehberichte setzen sich mit dem Drang nach mehr Ordnung und (ganz allgemein) mehr Struktur im Leben auseinander – und auch mein lautes Heim wurde in den vergangenen Wochen von leidenschaftlichen Ausmistungsaktionen überzogen.

Wir falten unsere Klamotten jetzt im Kondo-Style, wir danken unseren Socken für den langen Tag, den wir mit ihrer Hilfe bewältigt haben (also nein, DAS nun wirklich nicht).

Wir räumen auf und verhandeln gleichzeitig die Frage, wie wir leben wollen. Leider fällt mir das beim Kinderzimmer am meisten auf. Mein Sohn und meine Tochter, sie haben wie fast alle Kinder in der westlichen Welt (wie ich beobachtet habe auch unabhängig vom Einkommen der Eltern) sehr, sehr viel Spielzeug. So viel, dass fast jedes Jahr ein Flohmarkt vonnöten ist, um den ganzen angesammelten Besitz von zwei Schulkindern wieder zu dezimieren – was mich massiv nervt. Richtig verhindern kann ich den stetigen Überfluss wie viele Eltern aber trotzdem kaum.

Mich nervt, ass Anhäufung von Besitz die Welt zusammenhält

Großeltern schicken Weihnachtspakete, im Treppenhaus steht eine „Zu-verschenken-Kiste“, die Nachbarin klingelt und fragt, ob meine Kinder an Ritterburg-„Dings“ oder Piratenschiff-„Bumbs“ interessiert sind, ihr Sohn sei zu groß; und noch bevor ich sie an der Haustür abmoderieren kann („Danke, haben wir schon“), kommt ein Kind um die Ecke geflitzt und ruft: „Ja, Mama, bitte!“

Mich nervt das, vor allem macht es mich aber traurig. Ich will nicht, dass Kinder mit dem Gefühl aufwachsen, dass ein Haus komplett vollgemüllt sein muss. Dass wir in unserem Kram wohnen und dass Anhäufung von Besitz die Welt zusammenhält.

„Den Leuten einzureden, sie sollen weniger kaufen, wäre ja auch unklug. Hielten sich alle dran, würde Kondo schon mal weniger Bücher verkaufen“, schreibt Maike Brülls in der „taz“ – und verweist auf das absurde Konsumverhalten von Menschen im Spätkapitalismus. Kaufen und immer mehr kaufen – das ist aber auch leider das tradierte Wissen, das wir an unsere Kinder vermitteln.

Und da hilft es leider auch wenig, die Mitmenschen um Einsicht zu bitten – Großeltern und andere Wohltäter lassen sich ja in der Regel ungern etwas sagen. Jeder noch so kleine Hinweis in diese Richtung wird als Hartherzigkeit seitens der Mutter wahrgenommen und mit dem Hinweis auf deren eigenen überquellenden Kleiderschrank quittiert.

Der Hinweis, dass ich Mode sammle, um sie nicht jede Saison neu kaufen zu müssen, wird dann meistens mit noch mehr Gelächter abgetan, bis ich aufgebe – und in den nächsten Wochen versuche, den überflüssigen Sachen unbemerkt Flügel zu verleihen; sie zur Babytochter meiner Freundin bringe, ins Frauenzentrum als Spenden.

Das funktioniert allerdings – nicht nur bei mir – nur solange die Sache nicht auffliegt. So bekam ich gestern eine SMS von meiner Freundin, deren Sheriff-Girl und Kapitalist von morgen die Tüte mit den Klamotten an der Türschwelle erspäht hatte. „Keine Chance“, schrieb sie. „Lara hat mich erwischt. Ich bringe dir die Klamotten leider erst ein anderes Mal mit.“