Der deutsche Arzt Dieter K. muss 15 Jahre ins Gefängnis. Er habe seiner Stieftochter vorsätzlich Gewalt angetan und sie so getötet.

Paris. 29 Jahre nach dem Tod seiner 15-jährigen Stieftochter Kalinka ist ein deutscher Arzt in Frankreich zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht entsprach damit am Samstag dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Der Verteidiger von Dieter K., Yves Levano, nannte das Urteil „inakzeptabel“. Er habe unverzüglich Berufung eingelegt, sagte er. Das Gericht wertete es als erschwerende Umstände, dass das Opfer minderjährig war und der Arzt ihr gegenüber eine Autoritätsperson war.

Bevor sich das Gericht zur Urteilsfindung zurückzog, hatte der Deutsche erneut seine Unschuld beteuert. „Ich schwöre dem Gericht und Frau Gonnin, dass ich Kalinka niemals etwas Böses angetan habe“, sagte er an den Vorsitzenden Richter, aber auch an Kalinkas Mutter gewandt.

Wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilte ein französisches Gericht den inzwischen 76-Jährigen in der Vergangenheit bereits zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren. Diese trat er allerdings nicht an, weil Deutschland seine Auslieferung verweigerte. Der Fall sorgte für Aufsehen, als K. im Oktober 2009 von seinem Wohnort in Lindau ins französische Mülhausen verschleppt wurde. Dort wurde er zusammengeschlagen und gefesselt in der Nähe eines Gerichtsgebäudes aufgefunden.

Der leibliche Vater des getöteten Mädchens, ein Franzose, wurde beschuldigt, in die Entführung des Deutschen verwickelt zu sein. Er räumte ein, die Tat veranlasst zu haben mit der Begründung, er habe wegen der Verjährungsfrist für das Urteil gegen K. handeln müssen. Er habe gewollt, dass K. in Frankreich vor Gericht kommt.

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In Paris geht der spektakuläre Prozess um den Tod der 14-jährigen Kalinka gegen den deutschen Arzt Dieter K. nach drei Wochen zu Ende. Am Sonnabend steht nach den Plädoyers der Verteidigung die Entscheidung der Geschworenen an. Die Bandbreite ihrer möglichen Entscheidungen liegt nach Justizangaben zwischen Freispruch oder fahrlässiger Tötung bis hin zum Mord mit besonderer Schwere. Während des Prozesses hatte der 76-jährige Angeklagte Dieter K. wiederholt Schwäche und Gedächtnislücken geltend gemacht und war oft vage geblieben. Anträge der Verteidigung auf Vertagung des Verfahrens wegen gesundheitlicher Probleme ihres Mandanten wurden abgelehnt.

Dieter K. war 2009 in Deutschland entführt und nach Frankreich verschleppt worden, wo ihn die Polizei festgenommen hatte. Hinter der Entführung steckte Kalinkas leiblicher Vater. Er wirft Dieter K. vor, das Mädchen 1982 sexuell missbraucht und ihr eine tödliche Spritze verabreicht zu haben. Der aus dem Landkreis Lindau am Bodensee stammende Angeklagte war bereits 1995 in Abwesenheit in Frankreich zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht sah es damals als erwiesen an, dass er den Tod seiner Stieftochter verursacht hatte.

Die Bundesrepublik lieferte Dieter K. aber nie aus, weil die deutsche Justiz zuvor ein Ermittlungsverfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt hatte. Im Jahr 2001 entschied zudem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass der französische Prozess in Abwesenheit des Angeklagten und ohne anwaltliche Verteidigung rechtswidrig gewesen sei. Der aktuelle Prozess hatte eigentlich bereits im April begonnen, war damals aber wegen Herzproblemen des Angeklagten abgebrochen und später wieder aufgenommen worden.