Karriere und Ruf sind hin – nun droht John Galliano eine weitere Strafe. In Paris begann ein Prozess wegen des Vorwurfs judenfeindlicher Pöbeleien.

Paris. Der britische Modeschöpfer John Galliano muss sich seit Mittwoch wegen angeblicher Nazi-Pöbeleien vor einem Pariser Gericht verantworten. Dem 50-Jährigen wird in zwei Fällen die schwere Beleidigung von Besuchern einer Brasserie vorgeworfen. „Dreckiges Judengesicht, Du solltest tot sein!“ ist einer der Ausdrücke, die von ihm stammen sollen. Galliano behauptete vor Gericht, dass er sich an nichts erinnern kann. Seit 2007 nahm er nach eigenen Angaben regelmäßig Medikamente – unter anderem Valium. Er neige auch zu verstärktem Alkoholkonsum.

Für seine Alkoholsucht machte Galliano Versagensängste verantwortlich: „Ich dachte, das Trinken würde helfen, (der Wirklichkeit) zu entfliehen.“ Ende Februar hatte er einen zweimonatigen Entzug in Arizona begonnen, danach wurde er in der Schweiz behandelt, sagte Galliano. Der exzentrische Brite war in einer weiten schwarzen Hose und einer dunklen Jacke erschienen, trug dazu ein Tuch um den Hals. Die Haare sind noch immer lang, er trägt sie offen.

Nach Angaben seines Anwalts will Galliano in dem Prozess beteuern, kein Antisemit zu sein und auf seine schweren Suchtprobleme verweisen. Bei einem der ihm zur Last gelegten Vorfälle war er nachweislich stark betrunken. Auf öffentliche rassistische Beleidigungen stehen in Frankreich bis zu sechs Monate Haft und 22 500 Euro Geldstrafe. Gefängnisstrafen werden allerdings nur äußerst selten für ein solches Delikt verhängt.

Der exzentrische Brite ist seit dem Skandal um die Vorwürfe arbeitslos. Das Modehaus Dior, das auch das Label „John Galliano“ kontrolliert, setzte ihn Anfang März vor die Tür. Kurz zuvor hatte ein Video die Affäre weiter angeheizt. In ihm lallt Galliano die Worte: „I love Hitler“ und beschimpft die Gäste. „Leute wie Sie, sollten tot sein. Ihre Mütter, Vorfahren – sollten alle verdammt vergast sein.“ Ein unbekannter Gast stellt ihm daraufhin die Frage, woher er komme. „Aus Ihrem Arsch“, lautet die Antwort Gallianos.

Viele Weggefährten glauben unterdessen nicht, dass Galliano wirklich ein Hitler-Verehrer und Judenhasser ist – vor allem weil der Brite als Schwuler selbst zu einer von den Nazis verfolgten Minderheit gehört. Nach dem Dior-Rausschmiss berichteten etliche Branchenkollegen zudem über Gallianos Trunksucht sowie Schwierigkeiten, sich in der Realität zurechtzufinden.

Der Tod eines Lebensgefährten vor einigen Jahren sowie der Selbstmord seines Kollegen Alexander McQueen im vergangenen Jahr sollen dem Briten schwer zugesetzt haben. Eine Quelle aus dem Umfeld des Luxusunternehmens LVMH, zu dem das französische Modehaus Dior gehört, sagte der Nachrichtenagentur dpa, es habe schon seit längerer Zeit Probleme mit Gallianos Alkoholkonsum und verbalen Ausfällen gegeben. Es sei schon früher erwogen worden, ihn zu entlassen.

Für Galliano stellt sich mit dem Prozess die Frage nach seiner Zukunft. Er darf seit der Affäre nicht einmal mehr für die nach ihm benannte Marke arbeiten. Das von LVMH kontrollierte Unternehmen Dior hält mehr als 90 Prozent an dem Label „John Galliano“. Das Mutterhaus hat angekündigt, nach dem Verfahren über einen möglichen Verkauf zu entscheiden. Die Ausfälle Gallianos in dem Video nannte es „besonders abscheulich“. Alle Entschuldigungen nutzten damals nichts. „Antisemitismus und Rassismus haben keinen Platz in unserer Gesellschaft“, schrieb der gefallene Designer. „Ich bitte uneingeschränkt für mein Verhalten um Verzeihung.“

Das Rätselraten um seinen möglichen Nachfolger geht derweil weiter. Hoch gehandelt werden Alexander-McQueen-Designerin Sarah Burton sowie Riccardo Tisci, der für Givenchy entwirft. Daneben ist der Antwerpener Haider Ackermann im Gespräch.