6000 Euro muss der Designer bezahlen, urteilte das Gericht. Dior hatte ihn wegen der antisemitischen Pöbeleien bereits im März entlassen.

Paris. Der britische Modeschöpfer John Galliano ist wegen rassistischer Pöbeleien zu 6000 Euro Geldstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Ein Pariser Strafgericht sah es am Donnerstag als erwiesen an, dass Galliano Besucher einer Bar mit Sätzen wie „Dreckiges Judengesicht“ und „Beschissener asiatischer Mistkerl“ beschimpfte. Das französische Luxus-Modehaus Dior hatte ihn wegen der Vorwürfe bereits im März entlassen. Der 50-Jährige war dort mehr als 14 Jahre lang Chefdesigner gewesen. Bei der Gerichtsverhandlung im Juni hatte Galliano ausgesagt, sich an die Pöbeleien nicht erinnern zu können und auf schweren Alkohol- und Medikamentenmissbrauch verwiesen. Die Arbeit für das französische Luxuslabel Dior und die eigene Marke sei ihm über den Kopf gewachsen, sagte der Designer. Bei der Urteilsverkündung am Donnerstag ließ sich Galliano von seinem Anwalt vertreten. Er wolle die Konfrontation mit der Presse vermeiden, richtete er dem Gericht aus. Sein Verteider Aurélien Hamelle sagte nach der Urteilsverkündung, Galliano wolle nun in die Zukunft schauen und hoffe auf Vergebung und Verständnis.

Hintergrund des Prozesses waren mehrere Anzeigen von Besuchern einer Brasserie. An zwei Abenden im vergangenen Herbst und Winter soll Galliano sie wüst beschimpft haben. Ein anonym aufgenommenes Video hatte die Affäre weiter angeheizt. In ihm lallt Galliano die Worte: „I love Hitler“ und beschimpft die Gäste. „Leute wie Sie sollten tot sein. Ihre Mütter, Vorfahren – sollten alle verdammt vergast sein.“ Ein unbekannter Gast stellt ihm daraufhin die Frage, woher er komme. „Aus Ihrem Arsch“, lautet die Antwort Gallianos. Für diese Äußerungen und auch für mögliche andere Beleidigungen bat Galliano zum Schluss der Verhandlung vor den Sommerferien um Verzeihung. „Ich verurteile Rassismus und Antisemitismus. Sie haben keinen Platz in unserer Gesellschaft“, sagte er. Der Mann in dem Video sei nicht er, sondern ein Schatten, „jemand der Hilfe braucht“. Wegen seiner Suchtprobleme lasse er sich behandeln.

Zurückhaltung ist seine Sache nicht: Modedesigner John Galliano inszeniert nicht nur seine Shows, sondern auch sich selbst. Legendär sind seine Auftritte zum Abschluss jedes Defilés, bei denen er sich im jeweils zur aktuellen Linie passenden Outfit dem Publikum zeigt, mal als muskulöser Pirat, mal als Indianer mit Federschmuck. Gallianos steile Karriere erlitt jedoch im Februar einen Knick, als er wegen antisemitischer Pöbeleien auffiel. „Ich liebe Hitler“. Mit diesem Satz ist ein betrunkener Galliano in einer Videoaufnahme zu sehen. Dem Designer wird vorgeworfen, im Februar in einem Pariser Café einem Paar gegenüber antisemitische Aussagen gemacht zu haben. Später beschuldigte ihn eine Frau, bereits im vergangenen Herbst im selben Café ähnliche Äußerungen gemacht zu haben. Galliano wurde als Chefdesigner von Dior entlassen. Er gab an, er könne sich wegen seiner Abhängigkeit von Alkohol und Beruhigungsmitteln nicht an seine Äußerungen erinnern. Für sein Verhalten drohten ihm bis zu sechs Monate Haft und eine Geldstrafe.

Der in Gibraltar geborene Sohn eines Installateurs zeigte sich schon als Kind an der Kunst interessiert. Direkt nach seinem Abschluss an der St. Martin’s School of Art in London 1984 machte er sich als Designer selbstständig. Schon drei Jahre später gewann er mit seinen wild-romantischen Entwürfen die Auszeichnung als Britischer Designer des Jahres. Er etablierte sich auch in Paris. Seine vornehmlich als exzentrisch gefeierten und mitunter als untragbar geltenden Entwürfe begannen, auf die Arbeit von anderen Designern Einfluss zu nehmen.

Im Sommer 1995 wurde Galliano als Nachfolger des Chefdesigners Hubert de Givenchy vorstellt. Die Fachkritik zeigte sich überrascht, dass es ihm gelang, seine extravaganten Kreationen mit der Philosophie des Hauses zu verbinden. Ende 1996 wurde Galliano Chefdesigner des ebenfalls zum Luxusgüterkonzern LVMH Haus Dior, wo er Gianfranco Ferre ablöste. Von nun an entwarf er die Prêt-à-porter- und Haute-Couture-Kollektionen von Dior und entwickelte gleichzeitig seine eigene Marke weiter. Er wurde bald als „Kostümbildner unter den Modemachern“ bezeichnet und bestimmte 14 Jahre den kreativen Kurs der Marke.

Sein Absturz kam für ihm Nahestehende nicht überraschend. „John ist ein Genie, aber mit Problemen belastet“, sagte die Modejournalistin Madeleine Czigler, die seit mehr als 20 Jahren mit dem Designer arbeitet, dem US-Magazin „People“. „Wir sehen jemanden, der nicht mit der Kombination aus Druck, Einsamkeit, Drogen, Alkohol und seiner dunklen Seite nicht mehr zurechtkommt.“ Galliano sei „ein unglaubliches Talent, das sich selbst zerstört hat“. Als möglicher Nachfolger bei Dior gilt Marc Jacobs, der bisher in den Diensten von Louis Vuitton steht. (dapd/dpa)