Sie erhalten Morddrohungen, werden gefoltert und ermordet. Es gibt derzeit nur wenige Länder in der Welt, die gefährlicher sind.

Mexiko-Stadt. Drei Journalisten der Zeitung „El Diario“ aus Ciudad Juárez wussten am Donnerstag keinen anderen Ausweg. Sie flohen regelrecht aus dem Kriegsgebiet im Norden Mexikos ins beschauliche El Paso in Texas. Dort ersuchten sie in einer gemeinsamen Aktion Asyl. Am vergangenen Wochenende hatte ihre Zeitung einen Offenbarungseid gegenüber den Drogenkartellen geleistet, nachdem diese zuvor einen jungen Fotoreporter erschossen hatten, am helllichten Tag auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums. Das Blatt werde zunächst nicht mehr über die organisierte Kriminalität berichten, hieß es. Es war der zweite Mord in zwei Jahren an einem der Mitarbeiter der Zeitung in einer der gefährlichsten Städte der Welt. Doch war die Bluttat nur der vorläufige Endpunkt des Terrors, mit dem die organisierte Kriminalität in der Grenzstadt die Medien überzieht.

Erneut Bürgermeister in Mexiko getötet

„Wir werden seit Jahren erpresst und erhalten Morddrohungen“, berichtete am Donnerstag der stellvertretende Direktor des Blattes, Pedro Torres, bei einer Journalisten-Konferenz in Mexiko-Stadt. In Mexiko sind in diesem Jahr nach Angaben des Komitees zum Schutz der Journalisten elf Medienmitarbeiter von den mafiösen Kartellen ermordet worden. „Das Verbrechen, die Gewalt und die Korruption sind dabei, den lokalen Journalismus zu zerstören“, schrieb die Organisation in ihrem jüngsten Bericht.

„El Diario“ in Ciudad Juárez hat, ebenso wie viele andere vor allem in den vom Krieg der Drogenkartelle besonders betroffenen nördlichen Staaten, längt aufgegeben. „Seit über drei Jahren stellen wir hinsichtlich der organisierten Kriminalität keine eigenen Recherchen mehr an“, sagte Torres weiter. Im Dezember 2006 hatte Präsident Felipe Calderón den Kartellen den Krieg erklärt. Die Medien berichten nun zwischen den Fronten. „Wenn früher ein Mord geschah, dann sausten die Reporter der verschiedenen Medien los, um als erste am Tatort zu sein“, sagte der Direktor der Zeitung „Zeta“ aus Tijuana an der Grenze zum US- Bundesstaat Kalifornien, César René Blanco. „Heute ist das nicht mehr so. Wir bleiben in der Redaktion und warten darauf, dass im Radio was kommt.“

So kann es geschehen, dass niemand etwas über einen Mord erfährt. Das war etwa der Fall in der Stadt Zacatecas rund 600 Kilometer nördlich von Mexiko-Stadt. Dort erfuhren die Reporter der örtlichen Medien von einer Leiche draußen vor der Stadt. Die Polizei habe sie aufgefordert, nicht darüber zu berichten. Und die Stadtführung habe Anfragen mit der Behauptung beantwortet, es sei nichts geschehen. Und so stand dann auch nichts in der Zeitung.

Dass hinter diesen Praktiken die Drogenkartelle stecken, ist in Mexiko ein offenes Geheimnis. Sie kontrollieren örtliche Polizeien, Bürgermeister, Richter und Gouverneure und deren Regierungen in den Bundesstaaten. Und sie tun das mit den Methoden, die sie auch gegen die Medien anwenden: Mit Drohungen, Entführungen, Erpressungen, Morden und natürlich auch mit Geld. So kontrollieren sie alles, was in einer Region geschieht. Unbequeme Journalisten werden zum Schweigen gebracht.

„Wir haben den Krieg schon längst verloren“, klagte Ismael Bojórquez von der Zeitung „Rio Doce“ aus Culiacán, der ältesten Hochburg des Drogenhandels in Mexiko. Niemand könne die Medien gegen die Macht der Drogenkriminalität schützen. Die habe das Land wie ein Krebsgeschwür überzogen. „Wie soll ich ihre Reporterin schützen, wenn ich nicht einmal die Sicherheit meiner eigenen Frau gewährleisten kann?“, sagte der Gouverneur eines Bundesstaates dem verantwortlichen Redakteur der Zeitung „El Universal“, Jorge Zepeda. Das Schlimmste sei aber, dass viele Redaktionen bereits von den Kartellen unterwandert seien, sagte Zepeda. Mitarbeiter der Medien werden entweder mit Geld bestochen, oder sie werden gezwungen, die Interessen der dunklen Mächte zu vertreten. Wenn sie es nicht tun, gefährden sie ihr Leben und das Leben ihrer Familien.