In Weißenfels macht sich ein Geschwisterpaar zum Spielplatz auf. Das Mädchen wird tot im Fluss entdeckt, der Bruder bleibt verschwunden.

Weißenfels. Polizei und Feuerwehr suchen am Montag in Weißenfels (Burgenlandkreis) weiter nach einem vermissten sechs Jahre alten Jungen. Zwischen 8.00 und 9.00 Uhr werde die Suche fortgesetzt, sagte ein Polizeisprecher am Montagmorgen. Dabei konzentrieren sich die Einsatzkräfte auf den Bereich der Saale zwischen Bad Dürrenberg und Weißenfels. Neben einem Hubschrauber werden auch Taucher wieder im Einsatz sein. Der Sechsjährige wird seit Samstagnachmittag vermisst. Gemeinsam mit seiner Schwester war er beim Spielen verschwunden. Die Fünfjährige wurde in der Nacht zu Sonntag tot in der Saale entdeckt. Von dem Jungen fehlt noch jede Spur. Ein Verbrechen schließen die Ermittler bisher aus.

„Ein Unfall auf der Autobahn ist dagegen nichts“

Die Marienkirche in Weißenfels ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Wer keinen Platz mehr bekommen hat, steht dicht gedrängt an den Seiten oder auf der Empore. Mehr als 500 Einwohner der Stadt im Süden von Sachsen-Anhalt wollen am Sonntagabend Anteil nehmen am Schicksal jener Familie aus ihrem Ort, die um ihre fünf Jahre alte Tochter trauert und über den Verbleib des ein Jahr älteren Bruder im Ungewissen ist. Vor dem Altar der Marienkirche flackern unzählige Kerzen, dazwischen liegen Plüschtiere und Zettel mit Gedichten.

Pfarrer Martin Schmelzer spricht von „einem Tag der Trauer“. Es sei eine erschreckende Nachricht vom Verschwinden der beiden Kinder gewesen, die am Samstagabend in „alle Winkel der Stadt getragen“ worden sei. Der Verlust eines Kindes wiege so schwer, sagt der Pfarrer.

Ein sichtlich gerührter Oberbürgermeister, der sich seiner Tränen nicht schämt, sucht nach Worten. Trotz des unermüdlichen Einsatzes von Rettern habe der Fünfjährigen, „die das ganze Leben noch vor sich hatte“, nicht mehr geholfen werden können, sagt Robby Risch (parteilos). Das Stadtoberhaupt dankt den Einwohnern für ihre Angebote bei der Suche nach den Vermissten und der Trauer. In einer Zeit der gefühlten sozialen Kälte sei es wohltuend, wie viele Menschen sich solidarisch mit der Familie zeigten.

Das Mädchen war am Samstagabend kurz vor Mitternacht tot aus der Saale geborgen worden. Von seinem sechs Jahre alten Bruder fehlt weiter jede Spur. Die Mutter hatte die Kinder am Samstagnachmittag als vermisst gemeldet, nachdem diese nicht vom Spielen zurückgekommen waren. Eine groß angelegte Suche beginnt. Die Polizei bittet auch alle Taxifahrer in der Stadt um Mithilfe. Einwohner melden sich spontan zur Suche, greifen im Dunkel zur Taschenlampe und machen sich auf den Weg, beschreibt Risch die Situation.

„Das geht an keinem vorbei“: Mit diesem kurzen Satz umschreibt Kreisbrandmeister Hans Schubert seine Gefühle. Seit Samstag ist er im Einsatz und sucht mit seinen Leuten am Ufer der Saale, in Parks und Gärten sowie Häusern fieberhaft nach dem sechsjährigen Jungen. Für dessen fünfjährige Schwester kommt jede Hilfe zu spät. „Wenn man einen kleinen Körper aus der Saale bergen muss, ist das für uns besonders schwierig“, sagt Schubert und fügt hinzu: „Ein Unfall auf der Autobahn ist dagegen nichts.“

Trotz des nahezu aussichtslosen Unterfangens, bei Wassertemperaturen von vier Grad und zum Teil 20 Zentimeter dickem Eis den Jungen lebend im Wasser zu finden, unterlassen die Retter keinen Versuch. Am Ufer der Saale beobachten die Mitglieder der Rettungshundestaffel aus Mittelthüringen den Einsatz eines speziellen Spürhundes auf der Saale. An der Spitze eines Schlauchbootes der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft DLRG sitzt der Terrier. Nahezu regungslos hält er seine Schnauze über das Wasser. Der Hund könne so Gerüche auch aus der Tiefe des Wasser aufspüren, sagt Gritta Goldammer von der Jenaer Rettungshundestaffel.

„Wir haben die Hoffnung nicht aufgeben, ihn noch lebend zu finden“, sagt Revierleiter Mario Schwan. Polizeisprecher Jörg Bethmann fügt hinzu, möglich wäre auch, dass der Junge sich aus Angst und Schuldgefühlen versteckt halte. Wenn der Junge gesehen habe, wie seine Schwester in den Fluss gestürzt sei, könnte er das Unglück auf sich selbst beziehen und denken, dass er Schuld daran trage.

Mit Material von dpa und dapd