Die Retter geben nicht auf. Wie Küstenwachen-Kommandant Cosimo Nicastro am Donnerstagabend mitteilte, werde auf dem havarierten Kreuzfahrtschiff “Costa Concordia“ nach Vermissten “so lange gesucht, bis es das Wetter nicht mehr zulässt“. Derweil verteidigt der Heimatort von Schettino den mittlerweile suspendierten Kapitän der “Costa Concordia“.

Hamburg/Rom. Die Retter geben nicht auf. Wie Küstenwachen-Kommandant Cosimo Nicastro am Donnerstagabend mitteilte, werde auf dem havarierten Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia“ nach Vermissten "so lange gesucht, bis es das Wetter nicht mehr zulässt“. Allerdings beschränke sich die Arbeit in der Nacht auf die Bereiche des Schiffs, die über Wasser liegen.

"Die Taucher haben am Abend aufgehört, weil es einfach zu dunkel wurde“, sagte Nicastro. Die Suche konzentriere sich auf das Deck Nummer vier, von wo aus man in Teile des leckgeschlagenen Schiffs hineinkomme.

Die "Costa Concordia“ befindet sich vor der Insel Giglio in prekärer Lage. Sie droht vor allem bei unruhiger See tiefer zu sinken. Nicastro erklärt, deshalb seien am Donnerstag spezielle Löcher und Wege in das Schiff gesprengt worden, über die sich die Retter im Falle eines Abrutschens in Sicherheit bringen könnten. Am sechsten Tag nach der Unfall wurde nach seinen Worten kein weiterer Mensch gefunden. Immer noch werden mehr als 20 Menschen vermisst, unter ihnen zwölf Deutsche. Mindestens elf Menschen kamen bei dem Unglück ums Leben.

Knapp eine Woche nach dem Unglück warnten Meteorologen vor starken Winden und schwerem Seegang. Meterhohe Wellen könnten das havarierte Schiff abrutschen und sinken lassen.

+++ Leitartikel: Ende einer Illusion +++

Nach dem Unglück nimmt der US-Eigner Carnival die Sicherheitsvorkehrungen auf allen seinen Kreuzfahrtschiffen unter die Lupe. "Diese Tragödie stellt die Sicherheits- und Notfall-Prozeduren unserer Firma in Frage“, sagte Firmenchef Micky Arison späten Donnerstag in Miami. Er beteuerte, die Bestimmungen in der Branche seien bereits hoch. Die Überprüfung solle aber sicherstellen, "dass sich diese Art von Unglück nicht wiederholt“.

Die Federführung bei der Überprüfung der Notfall-Richtlinien übernimmt der ehemalige Navy-Kapitän James Hunn, der nach einer 32-jährigen Karriere in der US-Kriegsmarine bei der weltgrößten Kreuzfahrt-Reederei angeheuert hatte. Auch außenstehende Experten sollen einen Blick auf die Sicherheitsvorkehrungen werfen. Zu Carnival gehören mehr als 100 Schiffe, die unter eigenem und dem Namen diverser Tochtergesellschaften fahren, darunter der italienischen Reederei.

Reederei suspendiert Kapitän Schettino

Unterdessen hat die Reederei Costa Crociere hat am Donnerstag den Kapitän des havarierten Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia", Francesco Schettino, mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert. Das Unternehmen wird den 52-Jährigen auch nicht verteidigen, sagte Anwalt Marco De Luca. Schettino wird sich wegen fahrlässiger Körperverletzung, Havarie und Verlassen des Schiffes während der Evakuierung vor Gericht verantworten müssen. Ihm drohen bis zu 15 Jahre Haft.

Verwirrung gibt es derweil um eine Frau, die sich zurzeit des Unglücks auf der Brücke des Schiffes aufgehalten hat. Die zunächst als blinde Passagierin vermutete Dominica Cemortan, 25, beteuerte in einem Interview des moldawischen Fernsehens, sie sei als regulärer Gast auf dem Schiff gewesen und auf die Brücke gerufen worden, um die Evakuierungsanweisungen für russische Passagiere an Bord zu übersetzen.

Zugleich verteidigte sie den in die Kritik geratenen Kapitän Francesco Schettino. "Er hat etwas Großartiges getan, er hat über 3000 Leben gerettet", sagte sie. Schettino sei bis mindestens 23.50 Uhr an Bord gewesen. Das Schiff war gegen 21.45 Uhr auf die Felsen aufgelaufen.

Italienische Medien berichteten, es sei kein Geheimnis, dass Kapitän und Offiziere diskret "in gewisser Zahl" Freunde oder Verwandte auf ihr Schiff einladen könnten, ohne sie zu registrieren. Solche Personen im Fall der "Costa Concordia" zu ermitteln sei wichtig, denn es könne auch die Verwirrung bei der Zahl der Vermissten erklären.

Während die meisten Italiener über Schettinos Verhalten entsetzt sind, wird er in seiner neapolitanischen Heimat von Freunden verteidigt. "Nicht aufgeben, Kapitän" stand auf einem Begrüßungsplakat. Es müsse Schluss sein, ihn an den Pranger zu stellen.

+++ Im Wortlaut: So widersetzte sich Schettino den Anweisungen der Küstenwache +++

Für den Kapitän spricht, dass er sofort nach der Kollision mit dem Felsen Kurs auf eine Sandbank vor dem Hafen von Giglio nahm. Er hatte wohl versucht, das Schiff zur Evakuierung in unmittelbare Küstennähe zu navigieren. Unterdessen tauchte eine weitere Aufnahme des Funkkontaktes zwischen Hafen und der "Costa Concordia" auf, in der Kapitän Schettino betont, es habe an Bord nur einen Stromausfall gegeben. Eine halbe Stunde zuvor war das Schiff mit dem Felsen kollidiert.

Diskussionen über Seekarte

Eine Auswertung von Lloyd's List Intelligence, einem renommierten Informationsdienst für die Schifffahrt, belegt, dass das 114.500 Tonnen schwere Schiff schon am 14. August 2011 die Insel in rund 230 Meter Entfernung passierte. Der Vorstandsvorsitzende der Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere, Pier Luigi Foschi, behauptet jedoch, dass das Schiff der Insel damals nicht näher als 500 Meter gekommen sei. Zudem gibt es nach Angaben von Lloyd's tatsächlich eine Seekarte des britischen Hydrografischen Instituts (UKHO) im Maßstab 1:300.000, auf der der Felsen nicht eingezeichnet ist. Ein Sprecher der UKHO sagte, "dass dieser kleine Maßstab für die Navigation in Küstennähe jedoch ungeeignet ist".

In einem Wettlauf gegen die Zeit haben Höhlentaucher der Feuerwehr am Donnerstag im Wrack weiter nach Vermissten gesucht. Sie konzentrierten sich dabei auf das vierte Deck, das mittlerweile acht Meter unter dem Wasserspiegel liegt. Für heute werden starker Wind und bis zu vier Meter hohe Wellen vorhergesagt, was die Rettungsarbeiten erschweren würde. Italiens Umweltminister Corrado Clini befürchtet, dass das Schiff komplett sinken könnte. Das Abpumpen von 1900 Tonnen Treibstoff und Schweröl aus 21 Tanks des Schiffes, das heute beginnen soll, wird voraussichtlich mehrere Wochen dauern.

Umweltschützer befürchten Schäden für das Pelagos-Meeresschutzgebiet an der toskanischen Küste, in dem sich das Schiffsunglück ereignete. Lösungsmittel, Schmieröle, Lacke und Reinigungsmittel an Bord könnten zur Gefahr für das wichtigste Walschutzgebiet im Mittelmeer werden.

Ramsauer schließt große Havarie vor deutscher Küste nahezu aus

Eine Katastrophe wie bei der "Costa Concordia“ ist für Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer "vor Deutschlands Küsten nahezu ausgeschlossen“. Für Evakuierungen vor den deutschen Küsten gebe es ein engmaschiges Sicherheitsnetz. "Dieses System hat sich bewährt. Wir hatten in letzter Zeit zwei größere Havarien von Passagierschiffen, ohne dass auch nur ein einziges Todesopfer zu beklagen war“, sagte der CSU-Politiker der "Passauer Neuen Presse“ (Freitagsausgabe).

Auf internationaler Ebene aber müsse darüber diskutiert werden, ob noch mehr für die Sicherheit von Schiffen getan werden könne, erklärte Ramsauer: "Ich werde das Thema aktiv beim Weltverkehrsforum in Leipzig Anfang Mai ansprechen - mit hohen Vertretern der Internationalen Maritimen Organisation. Da wird es dann um Sicherheit, Ausbildungsstandards und Evakuierungsregeln für Passagiere gehen“.

Mit Material von dpa und dapd