Havarie der “Costa Concordia“ fordert mindestens fünf Tote. Staatsanwalt erhebt schwere Vorwürfe gegen Schiffsführung

Giglio/Hamburg. Es sollte eine einwöchige Mittelmeerkreuzfahrt werden, doch es endete als Albtraum: Rettungskräfte haben fünf Tote bisher aus dem Rumpf des Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia" geborgen, das am Freitag mit mehr als 4200 Menschen - unter ihnen 566 Deutsche - vor der toskanischen Küste auf einen Felsen gelaufen und gekentert war. Am späten Sonntagabend galten immer noch 15 Menschen als vermisst. Darunter sind möglicherweise auch ein deutsches Ehepaar aus Mühlheim/Main und zwei Frauen aus Baden-Württemberg. Alle vier sind seit der Katastrophe unauffindbar.

Derweil rückt der Kapitän der "Costa Concordia", Francesco Schettino, ins Zentrum der Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen fahrlässiger Tötung, Verursachung eines Schiffbruchs und frühzeitigen Verlassens des Schiffs. Er wurde vorläufig festgenommen.

Am Sonntag erhärtete sich der Verdacht gegen Schettino weiter: Ein Vertreter der italienischen Küstenwache sagte, der Kapitän sei bereits zu einem Zeitpunkt an Land gesehen worden, als die Evakuierungsaktion noch in vollem Gange gewesen sei. Die Küstenwache habe ihn aufgefordert, seiner Pflicht nachzukommen und zum sinkenden Schiff zurückzukehren. Dies habe Schettino aber ignoriert.

In einem Interview hatte sich der Kreuzfahrt-Kapitän zuvor gegen Vorwürfe gewehrt, er sei vorzeitig von Bord gegangen. "Wir waren die Letzten, die das Schiff verlassen haben", sagte er. Die "Concordia" sei auf Felsen aufgelaufen, die in seinen Seekarten nicht verzeichnet gewesen seien. "Wir navigierten etwa 300 Meter von den Felsen entfernt. Sie hätten dort gar nicht sein sollen", so Schettino. Die Darstellung der Ermittlungsbehörden ist eine ganz andere. Danach war das Kreuzfahrtschiff nur 150 Meter vom Ufer entfernt und der Insel Giglio "unglaublich nahe". Das hätten die ersten Analysen der Blackbox ergeben, sagte der leitende Staatsanwalt von Grosseto, Francesco Verusio. Erst 58 Minuten nachdem die "Costa Concordia" einen Felsen gerammt hatte, habe die Besatzung die Küstenwache alarmiert, sagte Verusio.

Augenzeugen auf der Insel Giglio bestätigten, sie hätten das Schiff noch nie so nah an der Küste gesehen. In mehreren italienischen Medien wurde der Verdacht geäußert, Ursache des Unglücks könne eine Praxis sein, die in den vergangenen Jahren immer beliebter wurde - die "Verneigung" vor der Küste, bei der die Luxusdampfer beidrehen, Nebelhörner ertönen lassen und so Passagieren die begehrte Nahsicht aufs Festland ermöglichen. Giglios Bürgermeister Sergio Ortelli bestätigte nach Angaben italienischer Medien, diese Praxis sei üblich. Demnach soll Ortelli sich erst kürzlich bei der "Concordia" schriftlich für diese Spektakel bedankt haben, die zur "unverzichtbaren Tradition" geworden seien.

Bei der Evakuierung des Schiffs am Freitag hatten sich nach Angaben von Passagieren chaotische Szenen abgespielt. So habe die Besatzung noch etwa 45 Minuten nach der Kollision und dem darauffolgenden Stromausfall an Bord behauptet, das Schiff habe nur ein einfaches technisches Problem. Überdies habe die Crew keine ausreichenden Anweisungen zur Evakuierung gegeben und die Aussetzung der Rettungsboote so lange verzögert, bis sie wegen der Schräglage des Schiffs nicht mehr ausgebracht werden konnten.

Etwa 60 Menschen waren bei dem Unglück verletzt worden - unter ihnen nach Angaben des Auswärtigen Amtes zehn Deutsche. Sie seien aber schon aus dem Krankenhaus entlassen worden. Die meisten Deutschen wurden bereits mit Flugzeugen oder Bussen nach Hause gebracht, sagte der Sprecher des Veranstalters Costa Kreuzfahrten, Werner Claassen.