Der Untergang der “Costa Concordia“ zeigt: Absolute Sicherheit kann es nie geben

Die Havarie der "Costa Concordia" ist eines jener Ereignisse, die nicht geschehen können: Die "Titanic" war unsinkbar, japanische Atomkraftwerke sind die sichersten der Welt, und das Aufregendste bei einer modernen Kreuzfahrt ist das Captain's Dinner. Am vergangenen Freitag hat die Wirklichkeit die Theorie einmal mehr überholt und falsche Überzeugungen zunichtegemacht. Auch im 21. Jahrhundert können Vergnügungsfahrten auf dem Meer tödlich enden, trotz modernster Technologie und einer mutmaßlich erfahrenen Besatzung auf der Brücke. So wenig man beim Bau des Atomkraftwerks von Fukushima einen Doppelschlag von Erdbeben und Tsunami einkalkuliert hatte, so wenig war zu erwarten, dass ein routinierter Kapitän mit einem geradezu irren Manöver 4000 Menschen einem tödlichen Risiko aussetzt.

Auch nach der Schiffskatastrophe bleiben Kreuzfahrten eine statistisch gesehen sichere Form des Zeitvertreibs. Die Evakuierung der "Costa Concordia" verlief trotz chaotischer Umstände und einer vollständig überforderten Besatzung glimpflich, sofern man eine solche Wertung angesichts von mindestens zwölf Toten und 28 Vermissten vornehmen darf.

Der Fall zeigt jedoch, dass es absolute Sicherheit nie geben kann und wird. Wer rechnet mit einem Kapitän, der sein Schiff nicht nur zu Schrott fährt, sondern das Wrack dann auch noch vorzeitig verlässt, während Tausende Menschen um ihr Leben bangen müssen? Der moderne Kreuzfahrtbetrieb, der mittlerweile alle Kontinente umspannt, ist geprägt von einer gewissen Bräsigkeit, von einer Mitnahmementalität wie im Supermarkt. Tickets gibt es heutzutage zum Schnäppchenpreis, Tische und Tresen sind allzeit bestellt, für Unterhaltung ist jederzeit gesorgt. In kompletten Shoppingcentern an Bord lässt sich die Zeit zwischen Lunch und Landgang ebenfalls kommod vertreiben.

Dabei gerät schnell in Vergessenheit, dass sich Tausende Passagiere in einer durchaus unfreundlichen Umgebung befinden, nämlich auf dem offenen Meer. Die Flotte der Kreuzfahrtschiffe wächst Jahr für Jahr, und die Schiffe werden immer größer. In der Karibik fahren mittlerweile schwimmende Städte mit mehr als 6000 Passagieren und 2000 Mann Besatzung. Ein Ende der Gigantomanie ist nicht zu erwarten: Größere Schiffe ermöglichen den Veranstaltern geringere Fahrpreise. Dadurch gewinnt der Kreis der Kreuzfahrer neuen Zulauf.

Allein die Sicherheit der Reisenden vor Kriminellen an Bord zu gewährleisten stellt die Reedereien vor wachsende Herausforderungen. Aber mit der Zahl und der Größe der Schiffe wächst zwangsläufig auch das Risiko, dass es einmal zu einem Unglück mit einer weit höheren Zahl von Opfern kommt. Auch das gehobene Kreuzfahrt-Segment mit relativ kleinen Schiffen trägt dazu bei.

Wer rechnet damit, dass in einem norwegischen Kreuzfahrtschiff die Anlagen im Maschinenraum explodieren, dass das Schiff teilweise ausbrennt und zwei Menschen sterben, wie im September geschehen? Wer stellt sich auf Monsterwellen im Südatlantik ein, die selbst das schwere Glas einer Schiffsbrücke mühelos zerstören? Wie sich gezeigt hat, müssen Antarktisfahrer solche Naturgewalten durchaus fürchten. Letztlich wollen sie es ja auch.

Das Unglück vor der italienischen Insel Giglio wirft die Frage auf, ob die Sicherheitssysteme auf Kreuzfahrtschiffen ausreichen. Und ob es richtig ist, Tausende Menschen auf Schiffe zu stopfen, die nach wie vor fragil sind. Was hat all die Sicherheitstechnik auf der "Costa Concordia" gebracht, die in den vergangenen Jahren entwickelt und gebaut wurde? Das Schiff kippte in kürzester Zeit auf die Seite, was die Rettungsarbeiten erheblich erschwerte. Voraussichtlich wird es bald sinken. Die trügerische Hoffnung auf grenzenlos sichere Urlaube zur See sinkt mit.