Gutachter versuchen, das schwere Busunglück mit 14 Toten zu rekonstruieren. Die Spuren sind aber nicht immer eindeutig. War es ein Fahrfehler?

Potsdam. Das tödliche Busunglück auf der Autobahn 10 bei Berlin war für die Gerichtsverhandlung aufwendig nachgestellt worden. Wie sich aber der Unfall mit 14 Toten aus Polen und mehr als 30 teils schwer Verletzten genau abgespielt hat, darüber sind sich Experten nicht allen Punkten einig. Zwei Sachverständige sagten am Freitag vor dem Landgericht Potsdam, dass ein Fahrfehler der angeklagten Autofahrerin auf nasser Straße nicht auszuschließen sei. Wie es aber dazu kam und was genau passierte, ist den Experten zufolge nicht klar.

Der Wagen der Frau müsse am 26. September 2010 auf der A10 in einer „atypischen Fahrsituation in den Fahrkanal des Busses“ geraten sein, sagte der Unfallsachverständige Karsten Laudien. Wie sich das Auto tatsächlich bewegt habe, könne aber nicht gesagt werden. In Untersuchungen sei kein technischer Defekt festgestellt worden.

Der Angeklagten - eine frühere Angestellte des Polizeipräsidiums in Berlin - wird fahrlässige Tötung vorgeworfen. Sie soll den Unfall mit dem Reisebus wegen eines Fahrfehlers ausgelöst haben, als sie auf die Autobahn fuhr. Sie habe Witterung und Straßenverhältnisse nicht ausreichend beachtet. Der Bus war mit einer solchen Wucht gegen den Brückenpfeiler gerast, dass die Leitplanke dagegen gedrückt wurde.

In dem polnischen Reisebus saßen Mitarbeiter des Forstamtes in Zlocieniec (Falkenburg). Die Angeklagte hatte zum Prozessauftakt angegeben, keine Erinnerung an das Unglück zu haben. Die Berliner Polizei teilte am Freitag mit, dass das Arbeitsverhältnis mit der Frau zum 31. März aufgelöst worden sei.

Wie schnell die Autofahrerin unterwegs war, ist umstritten. Laudien nahm eine Geschwindigkeit von 42 bis 50 Kilometer pro Stunde an, der Sachverständige Hartmut Rau dagegen mehr. Als es zu dem Zusammenprall von Reisebus und Auto kam, habe der Bus Tempo 98 bis 104 gehabt, sagte Laudien. Ob die erlaubte Höchstgeschwindigkeit des Busses bei 100 oder 80 Stundenkilometer lag, ist bisher nicht klar.

Laut Laudien steht fest: „Der Busfahrer hatte kaum Zeit zu reagieren.“ Rau betonte, dass das Auto zwar dazu beigetragen habe, dass der Bus gegen den Pfeiler raste, aber der Busfahrer habe wohl auch stark gelenkt. Der Sachverständige ergänzte, dass es bei der Rekonstruierung des Unfalls keine „absolute Lösung“ geben könne.

Die Verteidigung beantragte am Freitag ein Gutachten eines Sachverständigen, um die Fahrbahnverhältnisse am Unfallort zu prüfen. Es sei nicht auszuschließen, dass das Unglück wegen einer mit Öl verschmutzten Fahrbahn und nicht wegen eines Fahrfehlers passiert sei, sagte Verteidiger Carsten R. Hoenig. Die Nebenklagevertreter lehnten den Beweisantrag ab, das Gericht hat noch nicht entschieden.

Sollte ein Gutachten eingeholt werden, müsste die Verhandlung ausgesetzt werden, bis die Expertise vorliegt. Nach jetziger Planung werden die Plädoyers am 25. Mai, das Urteil am 1. Juni erwartet.